Julia Hamburg: Rede (Auszüge) zum Gesetzentwurf zur Beteiligung von Verbänden und der Öffentlichkeit bei Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz des Bundes sowie Änderungsanträge (GRÜNE) zur Corona-Verordnung (TOP 3 ff)

- Es gilt das gesprochene Wort -

„Die steigenden Infektionszahlen sind bedenklich und fordern uns auf, zu handeln, um die Infektionswelle zu brechen. Ob die bisherigen Maßnahmen wirken, wird sich in der nächsten Woche zeigen. Ebenso wird dann die Frage beantwortet werden, wie weiter verfahren werden muss. Auch der jetzige „Lockdown light“ trifft bestimmte Gruppen besonders hart. Es ist deshalb entscheidend, bei der Umsetzung der Maßnahmen alle im Blick zu haben.

Aus dem ersten Lockdown im Frühjahr haben wir einige Erfahrungen gesammelt – und auch wenn es für diese Krise keine Blaupause gibt, so haben wir doch Erfahrungen sammeln können, die unabhängig von den steigenden Infektionszahlen gelten. Deshalb bringen wir hier und heute Anträge zur Änderung der Corona-Verordnung ein, die wir schon lange diskutiert haben und von denen wir wissen, dass viele im Haus diese teilen. Wenn wir wollen, dass die Akzeptanz für die Maßnahmen hoch ist und sie eingehalten werden, dann müssen wir aus Erkenntnissen lernen und müssen als Parlament auch selbstbewusst auf Änderungen drängen.

Wir wissen, dass bei den letzten Maßnahmen im Frühjahr Familien und Alleinstehende besonders gelitten haben. Auch wissen wir, dass die Infektionsgefahren draußen deutlich geringer sind als drinnen. Deshalb beantragen wir, Tiergärten und Zoos sowie die Außenflächen von Freilichtmuseen zu öffnen und damit insbesondere in den Städten die wenigen Außenflächen nicht weiter zu verknappen. Auch fordern wir, das Ausleihen von Büchern in Bibliotheken wieder zu ermöglichen. Bibliotheken sind Bildungseinrichtungen – und sollten dem Buchhandel gegenüber nicht benachteiligt werden. Dass sich Alleinstehende Personen nur mit einem einzigen Haushalt treffen sollen, wird der Lebensrealität von Alleinstehenden nicht gerecht. Hier fordern wir deshalb, dass diese sich mit bis zu vier weiteren Personen treffen können.

Die Gesundheitsämter sind massiv überlastet. Das sorgt auch für erhebliche Unsicherheiten an Niedersachsens Schulen. Allein in Hannover warten 79 Schulen auf die Anordnung des Szenarios B aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen – Schulen brauchen hier endlich mehr Klarheit. Wir fordern deshalb klare Kriterien, nach denen Schulen in den jeweiligen Gebieten Infektionsschutzmaßnahmen ergreifen und Szenarien vollziehen können. Das entlastet die Schulen und die Gesundheitsämter – und gibt eine Orientierung und eine Planungssicherheit für Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte. Die Schulbusse und Bahnen sind unfassbar voll. Hier kann das Land nicht länger einfach nur zusehen – die Landesregierung muss Verantwortung übernehmen und Kommunen dabei unterstützen, die Schülerverkehre zu entzerren; ob durch Reisebusse oder gestaffelten Schulbeginn soll jede Region selbst entscheiden können.

Besonders die Kreativwirtschaft, die Soloselbstständigen, Gastronomie und Hotellerie treffen die Corona-Maßnahmen hart – und sie werden absehbar auch keine Besserung erleben. Deshalb ist es entscheidend, ihnen Planungssicherheit zu geben. Aber selbst die großspurig angekündigten Entschädigungszahlen für den Monat November drohen zum Rohrkrepierer zu werden: bürokratisch, praxisfern und zu langsam sollen diese Gelder ausgezahlt werden. Wir erwarten von der Landesregierung Druck auf die ParteikollegInnen im Bund zu machen.

In Niedersachsen werden immer wieder Schlachthöfe zu Corona-Hotspots. Auch hier mahnen wir seit März Handeln an. Passiert ist zu wenig. Statt Arbeitsquarantäne sollte eine Unterbringung in Einzelzimmern zur Pflicht werden – ebenso wie funktionierender Infektionsschutz am Arbeitsplatz. Ich fordere die CDU in Niedersachsen außerdem dazu auf, dazu beizutragen, dass auf Bundesebene das Arbeitsschutzkontrollgesetz noch im November beschlossen wird. Wir können hier nicht länger die Augen vor dieser Ausbeutung verschließen.

Den Rahmen unserer Anträge aber, bildet ein Gesetz zur Verbändebeteiligung. Dass Sie es schaffen, seit mehr als einem halben Jahr die Praktiker*innen bei den Verordnungen und Förderprogrammen nicht einzubeziehen, ist wirklich ein Hammer. Das Ergebnis sind Maßnahmen, die zu Unmut führen, weil sie an der Realität vorbei entwickelt werden. Das muss sich dringend ändern: Deswegen fordern wir in unserem Gesetzentwurf, bei Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz Praktiker*innen und Verbände zu beteiligen und einen Pandemierat einzurichten, der alle gesellschaftlichen Gruppen an einen Tisch holt, um die Maßnahmen und das Infektionsgeschehen aus den jeweiligen Blickwinkeln zu bewerten. Wenn wir wollen, dass die Maßnahmen akzeptiert und gelebt werden, dann müssen Alle gehört und alle in den Blick genommen werden. Das kann ein solcher Pandemierat leisten.“

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