Julia Hamburg: Erwiderung auf die Regierungserklärung „Zusammen aus der Krise – ein Ausblick auf das zweite Halbjahr 2020“

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Der Titel der Regierungserklärung „Zusammen aus der Krise – ein Ausblick auf das zweite Halbjahr 2020"  ist angemessen, denn Niedersachsen wartet gespannt auf genau diese Antworten auf Zukunftsfragen.

Ich muss ehrlich sagen: Wenn die Landesregierung am Ende nicht über die Problembeschreibung und die Beschreibung des Ist-Zustandes hinausgeht, dann wird das ein düsteres zweites Halbjahr, denn so werden Sie Niedersachsen nicht voranbringen.

Entgegen Ihrer Ankündigung zeigen Sie keine Perspektiven auf.

Deutschland und Niedersachsen sind bislang gut durch die Krise gekommen.
Bedanken können wir uns dafür vor allem bei allen, die im Gesundheitsbereich arbeiten, bei der Zivilgesellschaft, bei den Menschen, die in der Verwaltung des Landes und Kommunen arbeiten.

Aber was ist jetzt die Aufgabe der Landesregierung?
Sie müssten Perspektiven aufzeigen, wie wir aus der Krise kommen und uns gesellschaftlich so aufstellen – stattdessen finden wir eine große Leerstelle. Ihre Regierungserklärung zeigt – es gibt noch keine Idee, wie man die Gesellschaft pandemiefest aufstellt.

Sie müssen JETZT Antworten geben. Wie sollen die Wirtschaft, die Schulen und die Gesellschaft pandemiefest aufgestellt werden?

Und Sie liefern diese Antworten nicht, Sie zeigen noch nicht mal einen Weg dahin auf. Bei Ihnen regiert offenbar das Prinzip Hoffnung

Jetzt muss Vorsorge getroffen werden.

Wie stellen wir Wirtschaft/Unternehmen krisenfest auf? Was heißt das?

Was passiert an Schulen und in Kitas bei möglicherweise steigenden Infektionszahlen? Welche Prioritäten werden da gesetzt?

Wie können Strukturen geschaffen werden, die verhindern, dass ein Infektionsgeschehen massiv um sich greift und ganze Regionen lahmlegt? Welche Rolle spielt hierbei der Infektionsschutz am Arbeitsplatz?

Amazon, UPS, Tönnies und Skandale in anderen Fleischfabriken sprechen hier eine eindeutige Sprache. Hier muss genau hingeschaut werden:

Wie hängen Armut und prekäre Beschäftigung mit dem Infektionsrisiko zusammen, welche Rolle spielt hierbei der Wohnraum und welche Rahmenbedingungen müssen hier gelten?

Aber man gewinnt den Eindruck, dass genau diese Perspektiven zu kurz kommen:

Der Missbrauch von Werkverträgen ist Ihnen lange bekannt. Dennoch gibt es zur Bundesinitiative aus Niedersachsen keine eindeutige Unterstützung. Seit langem mahnen wir Grüne an, die Wohn- und Arbeitsbedingungen dieser Branchen in den Blick zu nehmen.

Ein anderes Beispiel sind die Schulen.

Noch immer wartet man dort auf einen Plan, wie es im kommenden Schuljahr weitergeht.

Außer dass die Schulen mit weniger Personal auskommen sollen, haben sie noch nichts gehört. Jetzt sind Stellenkürzungen angekündigt, die Unterrichtsversorgung ist doch nicht gesichert.
Die Schulen brauchen in Corona-Zeiten Klarheit, Planungssicherheit und keine größeren Klassen.
Sie brauchen mehr Personal und nicht weniger.

In der Bildung rächt sich jetzt der Rückstand bei der Digitalisierung.
Die versprochenen PCs müssen endlich in den Schulen ankommen – nicht der Minister der lediglich die Finanzbescheide überreicht

Dabei müsste der Motor für die Digitalisierung in den Schulen dringend angeschmissen werden.
Und da frage ich, wie viele der 50 Digitalprofessuren ist für den pädagogischen Bereich vorgesehen sind? Die Antwort: Keine einzige.

Stattdessen hoffen Sie im Bildungsbereich auf Normalität und Regelbetrieb, im Kleingedruckten steht dann „soweit es eben geht“.

Streuen Sie Eltern, Schüler und Schulen keinen Sand in die Augen – sagen Sie, was sie an den Schulen zu erwarten haben.

Wem nützen volle Klassen, wenn bei steigenden Infektionszahlen ganze Schulen wieder schließen müssen.

Sie sehen: es sind sehr viele Fragen offen für das 2. Halbjahr.

Was mich zu der Vorlage des zweiten Nachtragshaushaltes bringt.

Herr Weil, Sie sagen man müsse kräftig investieren. Herr Althusmann spricht von einem Rumms als Antwort auf das Bundes-Wumms

Dabei ist es nur ein müdes Echo, das aus Niedersachsen kommt - einen eigenen Gestaltungswillen findet man nicht.

Acht Milliarden Euro – das ist eine sehr große Summe, das klingt nach viel – auseinandergenommen fällt das schnell in sich zusammen:

-          Knapp 5 Milliarden Euro investieren Sie in die Kompensation von Einnahmeausfällen

-          Und Sie bilden eine Rücklage, falls es eine zweite Infektionswelle in diesem Jahr gibt

Und schon bleibt für ein kraftvolles Vorgehen nicht mehr viel übrig und es fehlt die verlässliche Perspektive.

Es ist ein großer Fehler, die Idee des NFonds der Gewerkschaften nicht umzusetzen.

Der Staat muss jetzt verlässliche, langfristige Finanzierungszusagen tätigen, die Konjunktur muss dauerhaft gesteigert werden.

Und versuchen Sie hierbei nicht, sich als die goldene Mitte darzustellen, weil wir mehr Geld ausgeben wollen und die FDP sparen will. Denn wenn Sie die Forderungen der FDP einmal zusammenrechnen, wird schnell deutlich, dass diese deutlich teurer sind, als die FDP es zugeben will.

Sie wollen in vier Jahren wieder Steuereinnahmen auf dem Vorjahresniveau:
Dann müssen Sie investieren, Arbeitsplätze erhalten und schaffen.
Dann dürfen Sie sich nicht von der CDU diktieren lassen, in die Krise hinein zu sparen

Der Niedersachsenfonds fordert, Milliarden in die Zukunft investieren. Jeder Euro muss eine doppelte Rendite erwirtschaften. Dafür braucht es Investitionen in Klimaschutz, in die Digitalisierung in soziale Gerechtigkeit – und in Bildung.

Die Landesregierung trauert immer noch der Autoprämie hinterher. Ich sage: Niedersachsen braucht keine Autoprämie, Niedersachsen braucht eine Mobilitätsprämie.
Und ich bedaure, dass 130 Milliarden Euro investiert werden, ohne an die Ärmsten zu denken.

Niedersachsen braucht einen Masterplan für eine Mobilitätswende und für die Sozialökologische Transformation.

Die Richtung ist längst eingeschlagen – die Notwendigkeit ist erkannt.

Dafür braucht es aber die gemeinsame Kraftanstrengung aller Akteure – damit niemand zurückbleibt. Das ist jetzt gerade Ihre Verantwortung, diese Prozesse aktiv zu gestalten und zu planen und dafür Geld in die Hand zu nehmen.

Ich fordere Sie auf, mit uns Ihren Kurs zu überdenken und mit uns gemeinsam den Kommunen, der Wirtschaft und der Gesellschaft aus dieser Krise einen verlässlichen und langfristigen Weg aufzuzeigen.

 

 

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