Imke Byl: Rede zur Abschaffung von § 219 a StGB

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin sehr glücklich, dass voraussichtlich gleich eine Mehrheit dieses Landtags den Antrag beschließen wird, Paragraph 219a Strafgesetzbuch ersatzlos zu streichen.

Ich bin auch immer noch froh, dass wir als Grüne Fraktion nicht die einzige Fraktion waren, die vor einem Jahr einen gleichlautenden Antrag hier in dieses Parlament eingebracht haben, sondern dass sich auch die FDP entgegen der Bundes-FDP mit einem eigenen Antrag für die ersatzlose Streichung eingesetzt hat. Das ist wirklich sehr begrüßenswert!

Nun haben wir einen Gruppenantrag zusammen mit Abgeordneten der SPD, uns Grünen und der FDP. Der Landesfrauenrat Niedersachsen hat dies bereits als „Sternstunde des Parlaments“ bezeichnet. Jetzt müssen wir aber dafür sorgen, dass sich auch die Bundesebene ein Beispiel an uns als Landesparlament nimmt – und zwar am besten ohne das Jahr Bedenkzeit, das es hier in Niedersachsen gebraucht hat. Liebe Bundes-CDU, geben auch Sie die Abstimmung darüber frei und ich bin mir sicher, es wird eine Mehrheit des Bundestags für diesen wichtigen Antrag votieren.

Ich muss allerdings ehrlich sagen, dass ich immer noch über den Debattenverlauf überrascht bin. Wären wir mehr Frauen in den Parlamenten, ich bin mir sicher, dass der § 219a schon längst Geschichte wäre.

Was besagt denn der §219a? Dass bereits jedwede öffentliche Information darüber, dass ein Schwangerschaftsabbruch angeboten wird, verboten ist, sobald jemand ein Honorar für diese Leistung erhält. Ärztinnen und Ärzte zählen dazu.

Der §219a ist rein sachlich betrachtet völlig überflüssig: Werben für eine Straftat, auch wenn sie straffrei bleiben sollte, ist sowieso schon verboten. Auch beinhaltet die Berufsordnung der Ärztinnen und Ärzte unter § 27 ein klares Werbeverbot. Ist Ihnen denn schon einmal Werbung ins Auge gefallen wie „zwei Hüft-OPs zum Preis von einer“? Nein? Sehen Sie. Außerdem möchte ich hier doch mal ganz klar sagen: Ich empfinde es als ziemliche Geringschätzung, wenn vornehmlich Männer unterstellen, dass Frauen sich von so etwas leiten lassen würden.

Oft wird die Beratungspflicht ins Feld geführt. Die Frauen müssten ja eh in die Beratungsstelle, dort können sie sich ja gleich die Namen in Frage kommender Ärzt*innen abholen. Aber so einfach ist das nicht. Für die Beratungsstellen ist es ein riesiger Aufwand, diese Listen aktuell zu halten. Die Lebensrealität ist außerdem eine andere: Als erstes informieren sich die meisten Betroffenen nun mal im Internet. Und da stoßen sie keinesfalls auf Werbung FÜR Schwangerschaftsabbrüche. Googeln Sie mal das Wort Abtreibung. Da kriegen Sie nicht etwa sachliche Informationen, sondern Sie landen auch auf Seiten, wo Unwahrheiten verbreitet, Ängste geschürt und Frauen sowie Ärzt*innen an den Pranger gestellt werden.

Anrede,

das kann doch niemand ernsthaft wollen. Dieses Informationsverbot schikaniert die wenigen Ärztinnen und Ärzte, die überhaupt noch Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Denn das ist unser eigentliches Problem, eine akut mangelhafte Versorgungslage und damit die Gefährdung der Gesundheit von betroffenen Frauen! Und er schikaniert eben ungewollt Schwangere, die nicht mehr und nicht weniger wollen, als in ihrer Notlage Hilfe zu bekommen.

Ein Informationsverbot wie der §219a es ist, gehört daher nicht ins Strafgesetzbuch, sondern wenn dann nur noch als mahnende Erinnerung in unsere Geschichtsbücher!

Anrede,

wir erlauben es, dass unter bestimmten Bedingungen Schwangerschaftsabbrüche straffrei durchgeführt werden dürfen. Dann müssen wir logischerweise doch auch die Information darüber erlauben.

Niemand ist „Befürworter*in“ oder Fan von Schwangerschaftsabbrüchen. Das sind immer harte Entscheidungen und oft schwere Schicksale. Doch für weniger Schwangerschaftsabbrüche müssen wir Verhütung für alle zugänglich machen und müssen wir dafür sorgen, dass Kinder nicht viel zu oft zu Armut und Abhängigkeit von Frauen führen. Das wären ehrliche Versuche. Informationen zu verbieten ist nie eine gute Idee.

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