Imke Byl: Rede zum Thema Sexkaufverbot und Prostituiertenberatung (Antrag FDP)
Kein Sexkaufverbot nach Nordischem Modell - Betroffenen helfen und nicht in die Illegalität abschieben - Prostitutionsberatung stärken (TOP 27)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Anrede,
das Thema Prostitution und Sexarbeit schlägt in Debatten hohe Wellen. Manche fordern ein sofortiges und vollständiges Verbot jeder sexuellen Dienstleistung. Andere fordern auch für Deutschland die Umsetzung des sogenannten Nordischen Modells, bei dem sich Käufer*innen von sexuellen Dienstleistungen strafbar machen, nicht aber die Prostituierten selbst.
Als Ziel eines Prostitutions- oder eines Sexkaufverbots wird normalerweise der Schutz von Frauen proklamiert. Aber genau da müssen wir besonders genau hinschauen. Wem hilft ein Sexkaufverbot? Können wir damit Frauen schützen? Oder nehmen wir ihnen genau so ihre Schutzmöglichkeiten und verdrängen sie in die Illegalität, wo sie eben keinerlei Hilfsmöglichkeiten haben?
Die Situation, wie sie jetzt ist, können wir nicht belassen, das sehe ich genauso. Die Hilfsstruktur ist unterfinanziert und das Prostituiertenschutzgesetz deutlich reformbedürftig.
Doch Fakt ist: Menschenhandel und auch Zwangsprostitution sind bereits verboten. Und: auch in den Ländern, in denen die Prostitution verboten ist, findet sie statt. Dort jedoch haben Sexarbeiter*innen einen logischerweise deutlich erschwerten Zugang zu Hilfsstrukturen und es gibt praktisch keinen Schutz, denn sie arbeiten eben illegal. Das kann nicht das sein, was wir wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sozusagen als Kompromiss wird das Nordische Modell gehandelt. Auch ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich es vor ein paar Jahren noch als möglichen Kompromiss zumindest als erwägenswert betrachtet habe. Doch mittlerweile liegen uns immer mehr Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Ländern mit Sexkaufverbot vor. Und diese sprechen eine deutliche Sprache: Sexarbeiter*innen sind ihren Kund*innen stärker ausgeliefert. Die ich sage mal „vernünftigeren“ Freier bleiben weg. Übrig bleiben die, die bereit sind, sich strafbar zu machen. Oft diejenigen, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Doch die Sexarbeiter*innen sind auf diese Freier dann angewiesen und in einer besonders schlechten Verhandlungsposition. Viele haben Angst, im Zweifelsfall die Polizei zu rufen, viele berichten auch, dass die Stigmatisierung steigt.
Anrede,
wenn Sie wirklich helfen wollen, dann müssen Sie die Alternativen stärken, Frauen unabhängiger machen und die Stigmatisierung senken! Die übrigens auch gerade beim Jobwechsel oft entgegensteht.
Dann können Frauen auch wirklich selbst entscheiden!
Wir brauchen aufsuchende soziale Arbeit. Die Beratungsstelle Phoenix in Hannover macht einen super Job. Aber für ein riesiges Flächenland wie Niedersachsen reicht das nicht aus. Wir müssen die Beratung stärken!
Und mit Blick auf die Corona-Pandemie: ein ad-hoc-Verbot von Sexarbeit ohne unbürokratisches Hilfsprogramm, das schafft natürlich riesige Probleme gerade für die Frauen.
Anrede,
wir dürfen es uns nicht zu einfach machen. Die beste Lösung ist diejenige, die den Betroffenen hilft, und nicht die, die nach dem Prinzip „aus dem Auge, aus dem Sinn“ agiert. Daher bedanke ich mich bei der FDP für den ausgewogenen Antrag, der hier heute eingebracht wird, und freue mich auf die Beratungen. Dort sollten wir unbedingt auch die Situation der Sexarbeiter*innen in der Corona-Pandemie und die Folgen der Verordnungen mit in den Blick nehmen.