Imke Byl: Rede zum Doppelhaushalt 2022/2023: Frauen und Kinder besser vor Gewalt schützen – Aktionsprogramm zur Umsetzung der Istanbul-Konvention auflegen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

nicht erst die Corona-Pandemie hat doch klar gezeigt: der Gewaltschutz muss endlich in den politischen Fokus rücken! Die Sicherheit von Frauen in unserer Gesellschaft ist nicht verhandelbar.

Der Staat hat eine Verantwortung, seine Bürgerinnen zu schützen. Ein sicher finanziertes und gut ausgebautes Gewaltschutznetz ist unabdingbar – besonders, wenn es der Staat weiterhin nicht schafft zu verhindern, dass so viele Männer gegenüber Frauen und queeren Menschen gewalttätig werden.

Das stellt auch die Istanbul-Konvention klar – das europäische Gewaltschutzabkommen ist seit vier Jahren durch Deutschland ratifiziert. Doch in Niedersachsen hat sich seitdem kaum etwas verändert.

Die Beratungsstellen kommen der Nachfrage kaum noch hinterher und für die so wichtige Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise mit Kitas, Schulen und Angehörigen, fehlen Geld und Zeit. Auch die Frauenhäuser müssen weiterhin viel zu häufig Frauen abweisen. Die angestrebte 100%-Auslastung geht dabei völlig an der Praxis vorbei. Und die Bedarfe der Kinder gewaltbetroffener Frauen werden durch die Landesrichtlinie weiterhin ignoriert.  

Obwohl die Kosten und Bedarfe bei den Frauenhäusern und Beratungsstellen wachsen, soll die Unterfinanzierung jetzt auch noch im Doppelhaushalt und der neuen Förderrichtlinie festgeschrieben werden. All die schönen Reden während der Pandemie – sie finden sich nicht im politischen Handeln von SPD und CDU wieder. Das können wir so nicht stehenlassen!

Die erfolgte Minimalst-Erhöhung von 230.000 Euro für den gesamten Fördertopf von 9,2 Millionen Euro führt de facto bei deutlich gestiegenen Fix- und Personalkosten sowie neu dazukommenden Frauenhausplätzen sogar zu einer indirekten Kürzung der Mittel. Die Beratungsstellen und die Frauenhäuser leisten eine immens wertvolle und gute Arbeit. Doch dazu brauchen sie auch ausreichend Mittel und Personal!

Jetzt kommt normalerweise der Hinweis der Landesregierung, dass ja eigentlich die Kommunen zuständig seien. Doch Sie wissen doch genau, dass bei vielen Kommunen spätestens durch die Corona-Pandemie kaum noch finanzieller Handlungsspielraum besteht. Fehlen vom Land die Mittel, werden nur wenige in der Lage sein, diese ordentlich auszugleichen. Dass der Gewaltschutz weiterhin als „freiwillige Leistung“ zählt, ist dabei definitiv ein Skandal.

Was einen auch fassungslos macht, ist, dass Sie ernsthaft die Förderung für die erst neu eingerichtete Koordinierungsstelle der Frauen- und Mädchenberatungsstellen gegen Gewalt beenden wollen. Wie sinnlos ist es, dass Geld und Zeit in den Aufbau solch einer Koordinierungsstelle und damit verbundene Netzwerkarbeit fließt, um sie dann direkt darauf wieder dichtzumachen? Die Koordinierungsstelle darf kein auf wenige Jahre beschränktes Projekt sein, sondern ist dauerhaft relevanter Bestandteil bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention in Niedersachsen. Muss sie schließen, können die Beratungsstellen die nötige Vernetzungs- und Facharbeit auf Landesebene nicht auffangen. Gerade auch mit Blick auf die Enquete-Kommission Kinderschutz kann das doch nicht das Ziel der GroKo sein.

Hier kann ich Sie nur auffordern: sichern Sie den Fortbestand der Koordinierungsstelle!

Liebe Kolleg*innen,

nutzen Sie den Doppelhaushalt und die neue Förderrichtlinie, um den Gewaltschutz vor Ort ausreichend auszustatten. Gewaltschutz kostet – er ist aber leider absolut notwendig. 

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