Imke Byl: Rede zu Meeresschutz/Plastikvermeidung

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Wie passend, dass wir uns gerade mitten in der „Europäischen Woche der Abfallvermeidung“ befinden. Das Motto der Themenwoche lautet „Wertschätzen statt wegwerfen“.

Unnötige Plastikverpackungen, Wegwerf-Wahn, Meeresmüll und Mikroplastik in Gewässern – die Diskussion über diese Probleme hat Fahrt aufgenommen. In der Presse wird öfter darüber berichtet, mehr Menschen interessieren sich dafür. Es scheint, Politik und Wirtschaft seien endlich aufgewacht. Ein paar jüngere Beispiele:

Die Umweltministerkonferenz tagte letzte Woche in Hamburg. Gefordert wurden u.a. Maßnahmen gegen Geisternetze aus der Fischerei - also Netze, die verloren gegangen oder illegal im Meer entsorgt wurden und die eine tödliche Falle für viele Meereslebewesen darstellen.

Wie kann der Eintrag von Mikroplastik in Gewässer reduziert werden, welche Maßnahmen sind wirkungsvoll? Das untersucht aktuell die Europäische Chemikalienagentur im Auftrag der EU-Kommission. Im Raum steht auch ein breites Verbot von Mikroplastik-Zusätzen.

Anfang des Jahres riefen 30 globale Konzerne die „Alliance to end plastic waste“ aus, die sich für Abfallvermeidung und mehr Recycling einsetzen will.

Ist hier also alles auf einem guten Weg?

Überhaupt nicht, das zeigen aktuelle Zahlen des Umweltbundesamts, die gestern vorgestellt wurden. Die Menge des Verpackungsabfalls wächst weiter. Pro Kopf fielen 107 Kilo Verpackungsmüll im Jahr 2017 an – 3 Prozent mehr als im Vorjahr. Und das ist nur die eine Hälfte des Müllbergs, die für die Endverbraucher*innen in der eigenen Tonne sichtbar ist. Nochmal genauso viele Verpackungsabfälle fallen bei Industrie und Handel während Produktion, Transport und Verkauf an. Grund für die wachsenden Müllmengen sind u.a. die anhaltende Popularität von To-Go-Verpflegung und der Online-Versandhandel.

Für Kunststoffe nennt das UBA eine Recyclingquote von unter 50 Prozent. Tatsächlich ist das aber nur der Anteil der Verpackungen, die in Recyclinganlagen abgeliefert werden. Verschmutzte, vermischte und nicht recyclingfähige Verpackungen werden dann noch aussortiert und verbrannt. Das Kunststoff-Recyklat, das letztendlich hergestellt wird, entspricht lediglich 17 % des Plastikmüllabfalls. Und selbst von diesem Recyklat hat nur ein Teil die nötige Qualität, um für die Herstellung von neuen Plastikverpackungen genutzt zu werden. Von einer Kreislaufwirtschaft sind wir also aktuell wirklich noch sehr weit entfernt.

Diese traurige Bilanz – Noch mehr Verpackungsabfall – minimale Recyclingerfolge – bringen uns zurück zur Verantwortung des Landtags.

Ich will hier ausdrücklich anerkennen: SPD und CDU haben sich bewegt. Der erste Antrag, den die Regierungsfraktionen vorgelegt haben, war ein Minimalantrag, der im Wesentlichen die EU-Plastikstrategie begrüßte. Nach der Anhörung, in der viele der Fachexpert*innen unsere grünen Forderungen unterstützt haben, haben die Regierungsfraktionen dann einige wichtige, grüne Punkte übernommen. Das gilt z.B. für den Arbeitsauftrag, gemeinsam mit den Kommunen Mehrwegsysteme für die Gastronomie und öffentliche Veranstaltungen zu entwickeln. Neu im GroKo-Antrag ist auch das Thema Dolly-Ropes, die orangen Scheuerfäden aus der Schleppnetzfischerei, die sich oft auch im angespülten Meeresmüll an den Stränden finden.

Anrede,

Leider sind die Regierungsfraktionen auf halber Strecke stehen geblieben. Das Land darf nicht länger nur auf den Bund verweisen, sondern muss selbst aktiv werden. Und es gibt Punkte, an denen das Land gut etwas bewirken kann:

Das Land muss die Finanzierung für die Strandreinigungen absichern. Über einen Meeresmüll-Fonds müssen Industrie und Handel als Verursacher der langlebigen Plastikabfälle für die Folgekosten finanziell in Haftung genommen werden. Bislang müssen Kommunen und Nationalparkverwaltung die Kosten für Clean Ups und Entsorgung allein aufbringen. Das ist ehrlich gesagt eine Sauerei – die Leidtragenden der Verschmutzung müssen dafür bezahlten, den angespülten Müll wieder loszuwerden – und werden vom Land hier im Stich gelassen.

Wichtig ist vor allem: Es gibt Hotspots an der Küste und auf den Inseln, an denen regelmäßig große Mengen Abfälle aus dem Meer angespült werden. Diese müssen regelmäßig gesäubert werden, damit der Müll von der nächsten Flut nicht zurück ins Meer getragen wird. Das haben jetzt auch die Regierungsfraktionen erkannt, wer diese zusätzlichen Clean-Ups bezahlen soll, lässt der Antrag der GroKo allerdings offen.

Und wir brauchen endlich klare Grenzwerte für Mikroplastik in Lebensmitteln, Trinkwasser, Abwässer und in Flüssen und Seen. Solange es hier keine bundeseinheitlichen Regelungen gibt, muss Niedersachsen eigene Standards setzen, an denen sich die Landesbehörden und Kommunen orientieren können.

Der Antrag der Regierungsfraktionen bleibt an zu vielen Stellen zahnlos. Und genau deshalb lehnen wir ihn ab.  

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