Helge Limburg: Rede zur Aktuellen Stunde (CDU) zu Rechten für Geimpfte, Genesene und negativ Getestete

- Es gilt das gesprochene Wort -

Frau Präsidentin, Meine Damen und Herren,

in öffentlichen Debatten sind die Sprache und die Wortwahl sehr wichtig. Nach wie vor lese ich immer wieder, dass es darum gehe, Grundrechte und Freiheiten Menschen die geimpft sind wieder „zurückzugeben“. Meine Damen und Herren, unsere Grundrechte, die darf man uns nicht nehmen. Die haben wir. Sie sind gegenwärtig eingeschränkt, aus guten Gründen, aber grundsätzlich bestehen sie natürlich weiterhin. Es geht also um die Rücknahme von Einschränkungen, nicht um das generöse Gewähren von Privilegien, das finde ich in der Debatte wichtig.

Diese Einschränkungen, das ist uns allen klar, gelten zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus. Und insofern ist grundsätzlich klar: Soweit das Virus nicht mehr verbreitet werden kann, darf es auch keine Einschränkungen geben.

Grundsätzlich. Aber es ist komplexer: Da ist die Restgefahr, sich und andere anzustecken. Für Geimpfte, das bestätigt der jüngste Fall von Infektionen in einem Senior*innenheim im Landkreis Osnabrück, verläuft eine Infektion in aller Regel asymptomatisch oder mit leichten Symptomen. Aber die Weitergabe des Virus kann bei anderen, nicht geimpften, zu schwereren Erkrankungen führen, also bleibt Vorsicht geboten. Wir alle wollen alle Einschränkungen loswerden, so schnell wie möglich. Und das werden wir auch. Aber solange noch nicht alle Risikogruppen geimpft sind bzw. alle Erwachsenen ein Impfangebot bekommen haben werden wir an Masken und Abstand, und zwar für alle, auch für Geimpfte, festhalten müssen.

Zum anderen ist da der gesellschaftliche Frieden. Zu Beginn der Pandemie war ein wesentliches Argument, gerade auch an Jüngere, dass sie sich aus Solidarität mit den Älteren an die Einschränkungen halten sollten. Und viele, die allermeisten, das möchte ich betonen, taten das auch. Dann begann endlich das Impfen. Und bei der Priorisierung waren wieder zunächst die Älteren und das medizinische Personal dran. Das war richtig. Aber wenn jetzt bei mehr Möglichkeiten zum dritten Mal die Älteren dran sind, dann kann ich Jüngere gut verstehen, die sagen, „Moment mal, wo ist denn jetzt endlich die Perspektive für uns?“. Deswegen kann ein differenziertes Vorgehen, wie Sie es hier einfordern, ein Weg sein: Geimpfte, Genese und negativ Getestete gleichzustellen ermöglicht nämlich jeder und jedem letztlich den gleichen Zugang: Nicht-Geimpfte können durch negative Tests dann das gleiche erreichen wie Geimpfte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

die Belange von Kindern und Jugendlichen, aber auch von jungen Erwachsenen, von Familien, dürfen in dieser Debatte nicht hinten runterfallen. Es geht nicht darum, Generationen gegeneinander aufzustellen. Aber die Alarmmeldungen mehrerer Studien und des Deutschen Jugendinstituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie müssen uns alle aufschrecken. Und ein Impfstoff für Kinder ist nicht in Sicht. Die bedrückende Situation junger Erwachsener, die mit Anfang 20 - anstatt in die Welt aufzubrechen - bei ihren Eltern hocken müssen und in der Impfreihenfolge ganz hinten sind, können wir nicht einfach so hinnehmen. Deshalb brauchen wir mehr Kreativität, um mehr zu ermöglichen. Warum gibt es Bilder von lernenden Kindern am Strand zwar aus Spanien, aber nicht aus Ostfriesland? Warum ermöglichen wir Kunst und Kultur nicht, sichere „Draußenkonzepte“ mit Testungen und Abstand umzusetzen? Warum dürfen sich junge Erwachsene nicht draußen, in Kleingruppen aber mit Abstand treffen?

Draußen geht nicht alles, aber draußen geht viel mehr, als diese Landesregierung den Menschen in Niedersachsen zugestehen will. Es ist gut, dass die Zoos und Tierparks draußen geöffnet sind. Aber Ihnen Herr Siebels war es ja wichtig zu betonen beim letzten Plenum, dass nicht die Politik die Zoos geöffnet hat, sondern die Gerichte. Und da haben Sie recht, die Gerichte in Niedersachsen mussten auch in diesem Fall Ihren Verfassungsbruch korrigieren, Gerichte haben den Menschen ermöglicht, was wir Grüne lange gefordert haben, was aber SPD und CDU in Niedersachsen nicht bereit waren zuzugestehen. Dass Ihnen wichtig war, das nochmal zu betonen hat mich überrascht.

Wie wenig die Interessen von Kindern und Familien dieser Landesregierung bedeuten, konnte man auch sehr anschaulich sehen als sie zwischenzeitlich die Kontaktbeschränkungen soweit geführt haben, dass sogar Babys darunter fielen. Nicht spontan, sondern nach einer Debatte dazu im Sozialausschuss. Sie haben die Kritik ignoriert und verkündet, nein, alles bleibt wie es ist, Babys und Kleinkinder zählen voll mit und dürfen dann niemanden mehr außerhalb der eigenen Familie trreffen. Ihr Einknicken wenige Tage später war in der Sache richtig, aber es konnte nicht den fatalen Eindruck einer Politik - völlig an den Belangen von Familien vorbei - korrigieren.

Und diese Fehler dürfen sich jetzt eben nicht wiederholen. Wenn es Urlaubs- und Freizeitperspektiven für Geimpfte gibt, was ich richtig finde, dann muss es sie auch für negativ Getestete geben. Sonst haben Familien keine Chance. Im Kern muss es aber weiterhin darum gehen, diese Pandemie soweit unter Kontrolle zu bekommen, dass wir für alle, nicht nur für einzelne Gruppen, viel, viel mehr Normalität erreichen können.

Ein weiterer Punkt ist die Situation in den Alten- und Pflegeheimen: Infektionsschutz bleibt wichtig. Aber ich habe keinerlei Verständnis dafür, warum in Heimen, wo Personal und Bewohner*innen komplett geimpft sind, nicht endlich alle Gruppenaktivitäten wieder stattfinden. Da braucht es mehr von Ihnen, Frau Sozialministerin, als die Ankündigung von Gesprächen. Setzen Sie endlich soziale Rechte und Gruppenaktivitäten durch. Die Menschen in den Einrichtungen haben endlich wieder Gruppenaktivitäten verdient.

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