Große Anfrage: Polizeireform 2004 und die Auswirkungen

 

Nachdem es aufgrund der Polizeireform im Jahre 2004 zu einer gravierenden Umorganisation der Polizei in Niedersachsen gekommen ist, gilt es nach nahezu zwei Jahren Bewährungszeit eine erste Bilanz zu ziehen. Mit der Umsetzung der Polizeireform hat sich die Landesregierung folgende Kernziele gesetzt: Stärkung der Funktionalität und Eigenständigkeit der Polizei, Schaffung einheitlicher Rahmenstrukturen für die Polizeiorganisation, Optimierung der Kriminalitätsbekämpfung, Optimierung der professionellen Aufgabenwahrnehmung, vermehrte Präsenz in der Fläche und Bürgernähe, Verschlankung der Stäbe, Stärkung des operativen Bereichs. Ob durch die Umorganisation der Polizei die gesetzten Ziele erreicht worden sind, oder zumindest der richtige Weg eingeschlagen worden ist, lässt sich jedoch derzeit aufgrund der widersprüchlichen Einschätzungen der Reform nur schwer beurteilen. Laut Aussage des Innenministeriums ist die Polizeireform mit Verweis auf die Aufklärungsquote ein voller Erfolg. Im krassen Gegensatz hierzu stehen die Klagen seitens der Polizeipersonalvertreter und der Gewerkschaften der Polizei, aus denen massive Kritik an der Reform hervor geht und denen zur Folge die Stimmung bei der Polizei "katastrophal" sei. Insbesondere ist die Wahrnehmung gespalten, inwieweit das gesetzte Ziel der stärkeren Polizeipräsenz in der Fläche tatsächlich umgesetzt werden konnte. Angesichts der widersprüchlichen Einschätzung der Reform besteht somit die Notwendigkeit, sich anhand konkreter nachprüfbarer Daten ein objektives Bild über die bisherigen Ergebnisse der Umorganisation der niedersächsischen Polizei zu machen.  

I.              Stellenbewirtschaftung

  • Die Landesregierung hat zu Beginn der Legislatur angekündigt bis 2008 1000 Polizeianwärter und Polizeianwärterinnen einzustellen. Wie viele Einstellungen wurden insgesamt landesweit bei der Polizei zu den Stichtagen  01.04.2004 / 01.10.2004 / 01.04.2005 / 01.10.2005 und 01.04.2006 vorgenommen? Wie viele Einstellungen werden zum 01.10.2006 vorgenommen?
  • Wie viele Polizeibeamtinnen/-beamte verließen bis zu den jeweils unter 1. angegebenen Stichtagen den aktiven Polizeivollzugsdienst durch Zurruhesetzung, Altersteilzeit oder vorzeitiges Ausscheiden?
  • In welchen Städten bzw. Gemeinden sind als Folge der Neueinstellungen die Ist-Stärken von Dienststellen erhöht worden? Wo und in welcher Stärke wurden die Neueinstellungen vorgenommen? Bitte um vergleichende Darstellung der Stärken zum 01.10.2004 / 01.10.2005  /  01.10.2006 bezogen auf
  • Polizeidirektionen,
  • Polizeiinspektionen und
  • Polizeistationen
  • Durch wie viele Neueinstellungen wurde der Einsatz- und Streifendienst verstärkt? Bitte um Gegenüberstellung der Stärken zum 01.10.2004 / 01.10.2005 / 01.10.2006.
  • In welcher Stärke wurde die Anzahl der Stellen
  • bei welchen Polizeidirektionen,
  • bei welchen Polizeiinspektionen und
  • bei welchen Polizeistationen reduziert?
  • Wie viele freigewordene Stellen der Schutzpolizei, der Kriminalpolizei und der Polizeiverwaltung sind zum 01.10.2006 nicht besetzt? Aus welchen Gründen ist eine Besetzung unterblieben?
  • Welche Personalverlagerungen (+/-) hat es zwischen dem Stichtag 01.04.2004 (Basiszahl vergleichbarer Bezirksregierungsorganisation auf neue Struktur umgerechnet) sowie 01.04.2005 und dem Stichtag 01.04.2006 für
  • die sieben Polizeidirektionen als Gesamtzahl
  • sowie speziell das Personal in dem Behördenstab der jeweiligen Polizeidirektionen im Vergleich zur Stabsorganisation der ehemals zuständigen Bezirksregierung
  • die einzelnen Polizeiinspektionen im Vergleich zur vorherigen Organisationsstruktur auf Basis der Landkreiszahlen (alte Polizeiinspektionen)
  • innerhalb der einzelnen Polizeiinspektionen, sofern ein Zusammenschluss mehrerer Landkreise erfolgt ist, auf Basis der Dienststärkenzahlen auf Landkreisebene gegeben?
  • Bei welchen Polizeidirektionen, Polizeiinspektionen oder Polizeistationen sollen die 250 Polizeianwärter eingesetzt werden, die im Oktober 2006 ihre Ausbildung beenden werden?
  • Wohin wurden die aus den Stäben freigesetzten 248 Polizeivollzugsbeamten versetzt, und mit welchen Aufgaben wurden sie betraut?
  • Wie viele Polizeivollzugsbeamte, die entgegen ihrer Ausbildung mit Aufgaben der Verwaltung und Technik beschäftigt sind bzw. waren, wurden seit dem 01.10.2004 unter anderem auch auf Empfehlung des Landesrechnungshofs in den originären Vollzugsdienst umgesetzt und wohin?
  • Für das Jahr 2005 sollten 200 Polizeivollzugsbeamte freigesetzt werden. Wo hat es konkret welche Freistellungen gegeben und ggf. warum konnte die angestrebte Zahl für das Jahr 2005 nicht erreicht werden? Gibt es weitere Freisetzungen aus dem Jahre 2006?
  • Welche dieser freigesetzten Polizeivollzugsbeamtenstellen wurden nach der Freisetzung durch von der Verwaltungsmodernisierung betroffene Landesbedienstete besetzt und welche Polizeidirektion, Polizeiinspektion oder Polizeistation erhielten dadurch zusätzliches Verwaltungspersonal?
  • Wurden zusätzlich zu den 143 Vermittlungen (aus der Antwort der Landesregierung zur Großen Anfrage zur Verwaltungsreform vom 03.05.06) durch die Job-Börse noch weitere Verwaltungsmitarbeiter in die Polizei versetzt? Mit welchen Einsparverpflichtungen wurden diese Stellen belegt?

II. Verwaltungsdienst der Polizei

  • Wie viele Mehreinstellungen gab es seit dem 01.10.2004  in den Verwaltungsdienst der Polizei und für welche Funktionen erfolgten diese Einstellungen?
  • Wie viele Angestelltenstellen wurden im Verwaltungsdienst der Polizei seit dem 01.10.2004  gestrichen, wie viele Zeitverträge sind nicht wieder verlängert worden, wie viele Beschäftigte mit Zeitverträgen sind noch vorhanden und wie viele davon sollen noch wegfallen?
  • Wie viele Neueinstellungen im Bereich des Tarifpersonals (Arbeiter und Angestellte) wurden zu den Stichtagen 01.04.2004 / 01.10.2004 / 01.04.2005 / 01.10.2005 und 01.04.2006 vorgenommen?
  • Kann die Landesregierung ausschließen, dass mit der Streichung von Stellen in der Verwaltung immer mehr Polizeibeamte reine Verwaltungsaufgaben übernehmen müssen und für ihre eigentliche Arbeit im Streifendienst nicht mehr zur Verfügung stehen, so dass das Ziel der Polizeireform "ein mehr an Bürgernähe" konterkariert wird?

III.            Bürgernähe und Fläche stärken

  • Welche konkreten Vorteile und ggf. Nachteile – bezogen auf die einzelnen Polizeidirektionen – haben sich durch den Zuschnitt der neuen Polizeidirektionen ergeben?
  • Wo liegen aus Sicht der Landesregierung praktische Erfahrungen vor, dass sich die landkreisübergreifende Zusammenlegung mehrerer ehemaliger Polizeiinspektionen zu zentralisierten Großdienststellen bewährt hat?
  • Welche konkreten Vorteile bzw. Nachteile haben sich durch die Integrierung der Polizeikommissariate am Sitz einer Polizeiinspektion im Hinblick auf die breitere Führungsspanne und die Vermehrung der koordinierenden Aufgaben ergeben?
  • In welchen Dienststellen wird im Vergleich zum 01.10.2004 eine Besetzung rund um die Uhr nicht mehr geleistet? Widerspricht nach Auffassung der Landesregierung die Tatsache, dass in den zu Polizeistationen degradierten Kommissariaten nachts keine Polizisten mehr arbeiten und nur noch Notrufsäulen anzutreffen sind, nicht dem Ziel der Reform, die Polizei in der Fläche zu stärken und mehr Bürgernähe zu schaffen?
  • Führte die Umbenennung von ehemals selbständigen Polizeikommissariaten in Polizeistationen in der Praxis zu einer Personalverlagerung zum Nachteil dieser Dienststellen? Bitte die Personalverlagerungszahlen zwischen den Stichtagen 01.04.2004 und 01.04.2006 am Beispiel der von dieser Organisationsänderung betroffenen Polizeikommissariate – jetzt Polizeistationen – benennen. 
  • Glaubt die Landesregierung, dass die Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Bereich die Polizei grundsätzlich durch persönlichen und schnellen Kontakt erreichen können oder hat die Polizeireform in vielen Bereichen zu einer "Polizei mit Sprechzeiten" geführt?
  • Mit der Reform sollte der Einsatz- und Streifendienst gestärkt werden. Durch welche konkreten Maßnahmen ist dies geschehen und in welchem Umfang haben sich konkrete Anforderungsprofile des Einsatz- und Streifendienstes verändert?
  • Welche Personalverstärkung in den Spätdiensten z.B. des Monates Mai 2004 im Vergleich zum Monat Mai 2006 in den Dienststellen des Einsatz- und Streifendienstes in Göttingen, Hameln, Wolfsburg, Peine, Lüneburg, Celle sowie Vechta und Aurich sind anhand der tatsächlichen durchschnittlichen Dienststärken erfolgt?

IV.           Aufgabenwahrnehmung

  • Durch die Verringerung der Anzahl der Polizeiinspektionen von 50 auf 33 erfolgte eine Aufgabenkonzentrierung. Ist der Aufgabenzuwachs in den neuen Polizeiinspektionen durch eine Mehreinstellung von Personal und/oder durch Versetzungen kompensiert worden oder durch Konzentration der Arbeit der Polizeibeamten?
  • Durch die Neuorganisation sollten die Stabsstärken reduziert werden. Wo ist dies in welchem Umfang erfolgt? Bitte eine vergleichende Darstellung zum 01.10.2004 und 01.10.2006 bezogen auf die neuen Polizeidirektionen einschließlich jeweils aller zugehörigen Dienststellen (Polizeidirektion, Polizeiinspektion, Polizeikommissariat, ZKI).
  • Im Zuge der Neuorganisation ist zum 01.05.2004 das Landespolizeipräsidium (LPP) als Abteilung im Innenministerium eingerichtet worden. Zugleich wurden die ehemaligen Polizeireferate 21 - 24 der Abt. 2 des MI aufgelöst. Über wie viele Stellen verfügten diese Polizeireferate und über wie viele Stellen verfügt das LPP (bitte jeweils differenziert nach Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppen einschl. aller abgeordneten Beschäftigten). Wie erklärt sich ggf. die Notwendigkeit für den Zuwachs an Stellen im LPP?
  • Ist die Übernahme von Mehraufgaben wie Katastrophen- und Brandschutz bei den Polizeidirektionen durch Mehreinstellungen ausgeglichen worden? Wenn nicht, wie erfolgte ein Ausgleich?
  • Wodurch hat sich nach Auffassung der Landesregierung die Aufgabenverlagerung von den Kriminalermittlungsdiensten der kleineren Polizeidienststellen in Richtung Zentraler Kriminaldienst der Polizeiinspektionen bewährt?
  • Wie schätzt die Landesregierung den Effekt ein, dass das Personal in den Außendienststellen bei der Aufklärung von Straftaten wie z.B. Einbruchdiebstählen bis zum Eintreffen der zuständigen Ermittler aus den weit entfernten Polizeiinspektionen zur Untätigkeit gezwungen ist und dadurch wertvolle Ermittlungszeit verloren geht? Wurde hier qualifiziertes Personal demotiviert und Mehrkosten durch lange Anfahrtszeiten produziert?
  • Gibt es Anweisungen des Innenministeriums an die Polizeistationen, künftig weniger Streifenfahrten durchzuführen, um Kraftstoffkosten einzusparen?
  • Welche konkreten Ergebnisse hat die Anfrage zu Einsparvorschlägen des Innenministeriums an einzelne Polizeidirektionen  und -inspektionen ergeben?
  • Welche Erfahrungen wurden seit der Reform mit der zentralen Tatortaufnahme gemacht?
  • Warum hat sich nach Auffassung der Landesregierung die Zentralisierung der Notrufe auf PI-Ebene bewährt?
  • Ist es in der Vergangenheit aufgrund der Notrufzusammenschaltung mehrerer Landkreise zu konkreten Problemen in der polizeilichen Einsatzabwicklung (Orts-/ Personenkenntnis) gekommen?
  • Welche konkreten Aufgaben machen die Anforderung von Ermittlern aus den entfernt gelegenen Polizeiinspektionen erforderlich, die nicht von den örtlichen durch dreijährige Ausbildung qualifizierten Polizeivollzugsbeamten durchgeführt werden können?
  • Ist es richtig, dass z.B. die Aufnahme von Zeugenaussagen zu diesen Aufgaben gehört?
  • In welchem Umfang ist es zu einem personellen und materiellen Mehraufwand gekommen, weil das Personal für die Tatortaufnahme vom entfernten Sitz der Polizeiinspektion den Tatort anfahren musste? Lässt sich der möglicherweise erwartete Qualitätsgewinn durch ggf. gestiegene Aufklärungsquoten belegen?
  • Ist die Landesregierung der Auffassung, dass ein durch dreijährige Ausbildung qualifizierter Polizeivollzugsbeamter im Tätigkeitsbereich der Kriminalitätsbekämpfung mit Aufgaben, die über die Aufnahme von Personalien und die Absicherung des Tatorts hinausgehen, überfordert ist?

V.            Zufriedenheit der Polizeibeamtinnen und -beamte

  • Wie schätzt die Landesregierung derzeit die Motivation und Stimmungslage der Polizeivollzugsbeamten ein?
  • Erkennt die Landesregierung das Problem, dass es für die Motivation der Polizeivollzugsbeamten hinderlich ist, wenn sie Aufgaben, die sie bislang mit gutem Ergebnis ausgeführt haben, mit Einführung der Polizeireform nicht mehr übernehmen dürfen?
  • Wie beurteilt die Landesregierung, dass eine Stimmungsbildumfrage in der Polizeidirektion Göttingen – durchgeführt von der GdP im Jahr 2005 – zu dem Ergebnis geführt hat, dass 59 Prozent der Befragten die Organisationsänderung durch die Polizeireform als eher nachteilig einschätzen (nur 7 Prozent sehen eher Vorteile) und somit zu der Aussage des Innenministers, der die Polizeireform als erfolgreich bewertet, im krassen Gegensatz steht?  
  • Rechnet die Landesregierung mittlerweile mit einer höheren Akzeptanz bei den betroffenen Beschäftigten und wodurch ist diese ggf. entstanden?
  • Wie beurteilt die Landesregierung die anlässlich der Ministerbesuche in diesem Jahr durch die Polizeibeschäftigten teilweise sogar massiv in der Öffentlichkeit vorgetragene Unzufriedenheit innerhalb der Polizei?
  • Welchen Schluss zieht die Landesregierung aus der Aussage der Umfrage, dass die Polizeibeamten gerne mehr Dienst am Bürger leisten würde, zum Zeitpunkt der Befragung jedoch 80 Prozent ihrer Dienstzeit mit Sachbearbeitung verbringen mussten?
  • Seit wann ist der Landesregierung bekannt, dass bisher ca. 1,5 Millionen Überstunden geleistet wurden, die noch nicht ausgeglichen sind?
  • Wie beabsichtigt die Landesregierung diese Überstunden auszugleichen?
  • Teilweise sollen Beamte über bis zu 500 Überstunden verfügen. Glaubt die Landesregierung, dass eine so hohe Anzahl von Überstunden in einem angemessenen Zeitraum durch Freizeitausgleich abzugelten ist?
  • Zieht die Landesregierung in Erwägung, die Überstunden verstärkt finanziell auszugleichen?
  • Wie viele Fortbildungsmaßnahmen für den Polizeibereich waren für das Jahr 2006 geplant und wie viele werden tatsächlich durchgeführt?
  • In welchem Umfang sind Fortbildungsmaßnahmen auf Grund fehlender Haushaltsmittel abgesagt worden?
  • Hält die Landesregierung aus solchen Gründen abgesagte Fortbildungen für entbehrlich?
  • Beabsichtigt die Landesregierung, Fortbildungsmaßnahmen im Bereich der präventiven Gesundheitsförderung einzustellen?
  • Aus welchen Gründen führt die Landesregierung keine Umfrage zur Zufriedenheit der Polizeibeamten durch, obwohl doch durch eine solche Umfrage zu erwarten ist, dass wichtige Hinweise gegeben werden, in welchen Bereichen die Reform korrekturbedürftig ist?
  • Wird es noch bis zum Ende der Legislaturperiode eine Änderung der Beurteilungsrichtlinien geben? Wenn ja, welche Änderungen sind bisher geplant?
  • Wachsende Standzeiten bei Beförderungsmaßnahmen führen derzeit zu großer Unzufriedenheit bei den Betroffenen. Beabsichtigt die Landesregierung den Beförderungsstau bis zum Ende der Legislaturperiode abzubauen?

VI.           Kosten der Polizeireform

  • Welche Kosten sind dem Land Niedersachsen insgesamt durch die Polizeireform im Bereich Liegenschaften, IUK und Personal von 2004 bis zum heutigen Zeitpunkt entstanden und mit welchen weiteren Kosten muss noch gerechnet werden?
  • Welche Kosten sind durch die Neuausstattung der Polizeipräsidenten (Büroausstattung, Personal, Dienstwagen etc.) entstanden?
  • Welche Kosten sind durch die Errichtung von fünf neuen und den Aus-/ Umbau der bestehenden P
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