Gesetzentwurf Konnexitätsprinzip - Änderung der Nds. Verfassung

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 11.02.2004

Der Landtag wolle das folgende Gesetz beschließen:
Drittes Gesetz
zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung

Artikel 1
Artikel 57 der Niedersächsische Verfassung vom 19. Mai 1993 (Nds. GVBl. S. 107), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 1997 (Nds. GVBl. S. 480) wird wie folgt geändert:
1. Absatz 4 erhält folgende Fassung:
"(4) 1Den Gemeinden und Landkreisen und den sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften können durch Gesetz staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden (übertragener Wirkungskreis). 2Überträgt das Land den Gemeinden und Landkreisen neue Aufgaben (Satz 1), verpflichtet er sie zur Erfüllung von neuen Aufgaben im eigenen Wirkungskreis oder stellt er zusätzliche Anforderungen an die Erfüllung bestehender Aufgaben und führt die Wahrnehmung dieser Aufgaben zu einer finanziellen Mehrbelastung der Gemeinden und Landkreise, so ist ein entsprechender Ausgleich zu schaffen."
2. Absatz 6 wird wie folgt geändert:
a) Der bisherige Wortlaut wird Satz 1 und wie folgt geändert::
Nach dem Wort "Spitzenverbände" wird das Wort "rechtzeitig" eingefügt.
b) Es wird der folgende Satz 2 angefügt.
"2Die Landesregierung vereinbart zur Umsetzung des Konnexitätsprinzips (Absatz 4 Satz 2) ein Konsultationsverfahren mit den kommunalen Spitzenverbänden."

Begründung
Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen - dieser populärwissenschaftliche Grundsatz ist im Umgang zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen bzw. zwischen staatlichen Ebenen und Kommunen mittlerweile unumstritten. Übersetzt auf verfassungsrechtliche Prinzipien wird hier vom Konnexitätsprinzip gesprochen.
Die neue Landesregierung hat sich zwar wiederholt zum Konnexitätsprinzip bekannt, u. a. in der Regierungserklärung vom 04.03.2004, sie hat es aber bislang versäumt, eine verfassungsrechtliche Grundlage zur Durchsetzung des Konnexitätsprinzips zu schaffen. Gleichzeitig hat sie Gesetze auf den Weg gebracht, die das Konnexitätsprinzip eindeutig verletzten. Zu nennen ist hier beispielsweise die Novelle des Schulgesetzes. Seit einem Jahr gibt es für die Kommunen nur leere Versprechungen und Sonntagsreden. Zur Zeit verdichtet sich der Eindruck, dass die Landesregierung erst die Verwaltungsreform auf den Weg bringen will und erst im Anschluss über eine Änderung der Verfassung entscheiden will. Aktuelle Brisanz liegt beispielsweise auch in der Umsetzung der Hartz IV Gesetzgebung. Um weiteren Eingriffen in die kommunale Selbstverwaltung vorzubeugen, soll daher Artikel 57, der in Verbindung mit Artikel 58 NV die Selbstverwaltungsgarantie von Artikel 28 Grundgesetz umsetzt, novelliert werden, bevor weitere umfangreiche Gesetze zur Beschlussfassung anstehen.
Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung soll sichergestellt werden, dass die Landesregierung von CDU und FDP keine weiteren einseitigen Verschiebungen von finanziellen Lasten vornimmt. In Artikel 57 (4) NV wird klargestellt, dass die Deckung zusätzlicher Kosten tatsächlich zu erfolgen hat. Ferner soll ein Konsultationsmechanismus eingerichtet werden, der Artikel 57 (6) NV konkretisiert. Durch die Einfügung des Wortes "rechtzeitig" in Artikel 57 (6) soll zudem ausgeschlossen werden, dass eine Ladung der kommunalen Spitzenverbände - wie bei der Beratung des Niedersächsischen Finanzverteilungsgesetzes (NFVG) und des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich (NFAG) im Februar 1999 - mit einer Frist von nur zwei Tagen erfolgt.
Diese Regelung impliziert auch, dass eine Zustimmung der Landesregierung zu bundesgesetzlichen - oder europarechtlichen Regelungen im Bundesrat ggfls. eine Ausgleichsverpflichtung gegenüber den Kommunen nach sich zieht. Die neue Regelung ermöglicht zwar keine direkte Durchgriffshaftung bei Änderungen von Bundes- oder EU-Recht. Da zustimmungspflichtige Bundesratsvorlagen aber häufig eine Änderung von Ausführungsgesetzen des Landes zur Folge haben, könnte sich hieraus eine Handlungsverpflichtung für das Land ergeben. Die Verankerung der Konnexität in der niedersächsischen Verfassung hätte daher auch hier eine disziplinierende Wirkung. Weitergehende Regelungen blieben einer eindeutigen Konnexitätsregelung im Grundgesetz vorbehalten. Mit der neuen Regelung könnten sich Verfassungsbeschwerden der Kommunen nach Artikel 54 Nr. 5 NV künftig eindeutiger als bislang auch aus einer Verletzung der finanziellen Ausgleichspflicht ergeben.
Die Landesregierung verwendet den Begriff Konnexitätsprinzip bislang sehr selektiv. Während bei den kommunalen Frauenbeauftragten mit Hinweis auf das Konnexitätsprinzip einer teilweisen Abschaffung oder Einschränkung der hauptamtlichen Frauenbeauftragten das Wort geredet wird, wurde bei der Novelle des Schulgesetzes jeder Zusammenhang in Abrede gestellt. Dabei wird
übersehen, dass das Urteil des Staatsgerichtshofes vom 16.5.2001 deutlich macht, dass die Ermittlung und Festsetzung der nach Artikel 57 (4) NV in Verbindung mit Artikel 58 NV zu erstattenden Kosten über den kommunalen Finanzausgleich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden war.
Die Überlegungen der Landesregierung zur Verwaltungsreform sehen erhebliche Aufgabenverlagerungen auf die Kommunen vor. Bisher haben die Kommunen aber keinerlei Garantie dafür, dass ihr berechtigtes Anliegen, Aufgaben nur bei voller Kostenerstattung vom Land auf die kommunale Ebene zu verlagern, auch berücksichtigt wird.
Andere Bundesländer haben bereits begonnen das Konnexitätsprinzip in der Verfassung zu verankern und Umsetzungsvorschriften zu verabschieden die gewährleisten, dass die Kommunen vor einer Lastenübertragung durch das Land ohne eine Übernahme der entsprechenden Kosten geschützt sind. So wurde im letzen Jahr das Konnexitätsprinzip in Bayern in die Verfassung aufgenommen. Die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelungen greifen im Wesentlichen auf die geänderte Bayerische Verfassung zurück.

Rebecca Harms
Fraktionsvorsitzende

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