Gerald Heere: Rede zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung (Gesetzentwurf FDP)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Opposition ist nicht Mist. Natürlich ist Regieren besser. Das ist völlig klar; wenn man selber etwas durchsetzen kann, ist das zunächst einmal der wünschenswerte Zustand. Aber wir wissen auch, dass unsere Demokratie auch davongetragen wird, dass es Oppositionsfraktionen gibt, die die Regierung stellen und kontrollieren. Deshalb ist die Opposition hier im Parlament die Kontrollinstanz. Auch wir Grüne sagen deshalb ganz klar: Zwei kleine Oppositionsfraktionen müssen die Möglichkeit haben, den Staatsgerichtshof zur Überprüfung von Gesetzen der Regierung anzurufen.

Wir haben im Jahr 2018 die Initiative gemeinsam mit der FDP aufgegriffen, auch um andere Gesetze zu ändern. Wir begrüßen auch diese Initiative jetzt. Die alte Initiative ist ja bislang im Rechtsausschuss versandet.

Sie haben hier Ihre Ablehnungsargumente vorgetragen, Frau Schröder-Ehlers und Herr Calderone. Sie haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2016 zitiert. Alles das geht von einem Idealtyp aus, von Parlament versus Regierung, Parlament kontrolliert Regierung. Es ist völlig egal, welche Fraktionen es gibt; alle Abgeordneten sind gleich. Natürlich, das sagt das Bundesverfassungsgericht. Es hebt damit diesen Wert hoch. Das verstehe ich sogar ein Stück weit. Aber das ist doch eine romantisierende Verklärung der Realität, die nichts mit der Verfassungsrealität hier in den Parlamenten zu tun hat!

Herr Nacke, jetzt lachen Sie. Natürlich - das wissen Sie, die Sie in Regierung und Opposition schon tätig waren, genauso wie ich, der ich das auch war - haben wir eine Unterschiedlichkeit zwischen Abgeordneten, die einen privilegierten Zugang zur Regierung haben, und den Abgeordneten der Opposition. Das muss man an dieser Stelle klar sagen. Deshalb muss man auch dieses Gesetz ändern und an die Verfassungslage herangehen.

Natürlich üben - das will ich gar nicht bestreiten - auch die Abgeordneten der regierungstragenden Fraktionen Kontrollfunktionen aus. Absolut, das tun  sie. Nur, sie tun es ganz anders. Sie tun es überwiegend hinter den Kulissen in wichtigen Runden mit Ministerien, wo sie Grenzen ausloten und rote Linien benennen, wo sie nicht weitergehen wollen, und ermahnen, nur in bestimmte Richtungen zu gehen. Das geschieht auch in Koalitionsausschüssen. Auch das sind nicht öffentlich tagende Gremien. Das heißt, die Kontrolle, die auch Sie ausüben, findet nicht öffentlich statt. Die Kontrolle, die öffentlich stattfindet, ist die, die die Oppositionsfraktionen machen. Deshalb ist es wichtig, deren Rechte zu stärken. Dafür streiten wir heute.

Ihre Aussage, man könnte uns ja in solchen Anliegen unterstützen, ist eine unrealistische Offerte, weil völlig klar ist, dass einzelne Abgeordnete der regierungstragenden Fraktionen nicht hingehen werden und die Oppositionsfraktionen unterstützen, damit sie die Gesetze der Regierung beklagen. Das wird einfach   nicht stattfinden. Wir haben das ja auch gesehen. Anders, als Herr Thiele es im Haushaltsausschuss behauptet hat, gab es z. B. bei dem Polizeigesetz eine Initiative von FDP und Grünen in Richtung der  beiden großen Fraktionen zu sagen: Liebe Große Koalition, wir haben Zweifel - Herr Genthe hat eben die Zweifel an diesem Gesetz noch einmal dargestellt -, dann unterstützt uns doch bitte, diese Zweifel vor den Staatsgerichtshof zu bringen! – Das  haben Sie nicht gemacht. Deshalb müssen wir die Verfassung ändern, um die Rechte der Opposition hier möglich zu machen.

Zwei kleine Oppositionsfraktionen haben dieses zentrale Kontrollinstrument nicht. Eine große Oppositionsfraktion hätte dies, sowohl Sie in der letzten Legislaturperiode oder Sie in der vorletzten Legislaturperiode hatten immer alleine die Größe der Fraktion, um dieses zentrale Instrument anwenden zu können. Wir können das mit zwei Fraktionen nicht. Auch das ist eine Ungleichbehandlung, die endlich abgestellt werden muss.

Jetzt kommen wir zu dem Punkt mit dem Quorum. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil  auch gesagt, dass der Gesetzgeber das Quorum klar deutlich gemacht: Der Gesetzgeber ist gefordert, ein faires Quorum zu finden.

Länder wie Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein haben dieses faire, niedrige Quorum. Niedersachsen wäre gut beraten, dieses niedrigere Quorum auch endlich in die Verfassung einzuführen.

Ein letzter Punkt. Letzte Woche Mittwoch im Haushaltsausschuss saß Herr Dr. Smollich, der Präsident des Staatsgerichtshofs. Es ist eigentlich ein kleiner Etat von 200 000 Euro, den er einbringt. Er hat dabei aber einen interessanten Satz gesagt: Warum gibt es so wenig Staatsgerichtshofverfahren in dieser Legislaturperiode?

Ganz einfach: Weil den kleinen Oppositionsfraktionen die Rechte fehlen, an dieser Stelle ein abstraktes Normenkontrollverfahren in die Wege zu leiten. Wenn selbst der oberste Verfassungsjurist dieses Landes diesen Hinweis gibt, dann sollten wir alle dazu bemüßigt sein, diese Verfassung zu ändern und in unserer Ausschussberatung, auf die ich mich sehr freue, diesen Weg zu gehen. Ich bitte dabei um Unterstützung.

Vielen Dank.

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