Gerald Heere: Rede zum Gesetz über das Sondervermögen zur Bewältigung der Auswirkungen des Angriffskrieges gegen die Ukraine auf die Finanzlage, Sicherheit, Wirtschaft, Gesellschaft sowie Energiesicherheit des Landes Niedersachsen

Auszüge aus der Rede TOP 7: Entwurf eines Gesetzes über das Sondervermögen zur Bewältigung der Auswirkungen des Angriffskrieges gegen die Ukraine auf die Finanzlage, Sicherheit, Wirtschaft, Gesellschaft sowie Energiesicherheit des Landes Niedersachsen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist eine Zeitenwende und das einschneidendste Ereignis für Deutschland und Europa seit dem Ende des Kalten Krieges.

Der Krieg hat Folgen für die Sicherheit in Europa, die individuelle Bedrohungslage, er löst große Fluchtbewegungen aus und führt zu steigenden Energiekosten und erheblichen sozialen Härten in Folge einer Abhängigkeit von russischem Öl und Gas. Das Land muss diese Härten gemeinsam mit dem Bund abfedern und den Umbau zu einer unabhängigen und klimafreundlichen Energieversorgung massiv vorantreiben. Wir Grüne beantragen die Einrichtung eines 5-Milliarden schweren Sondervermögens zur Bewältigung dieser außergewöhnlichen Notsituation.

Mit diesem Sondervermögen kann gemeinsam mit dem Bund Hilfe geleistet werden. Kommunen müssen bei der Aufnahme der Flüchtlinge unterstützt werden, z.B. bei der Schaffung von Wohnraum. Unterstützung brauch die hiesige Bevölkerung, die wegen steigender Heiz- & Mobilitätskosten, sowie steigender Lebensmittelpreise zum Teil an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten kommt. Geholfen werden soll auch den kommunalen Unternehmen – z.B. dem ÖPNV, der die hohen Energiekosten stemmen muss. Und nicht zuletzt sollen aus dem Sondervermögen auch diejenigen Wirtschaftsunternehmen unterstützt werden, für die das Geschäft mit Russland und der Ukraine wegfällt und damit Arbeitsplätze in Gefahr geraten.

Finanziert werden soll auch der Zivil- und Katastrophenschutz, für den ja auch der Innenminister ein Sondervermögen gefordert hat.

Und besonders dringlich: für die Unabhängigkeit von Russlands fossilen Energieträgern geht an der Beschleunigung der Wärme- und Energiewende kein Weg vorbei. Denn unser täglicher Bedarf an Energie, v.a. für Wärme und Mobilität wird als Druckmittel gegen uns eingesetzt. Wir stehen vor der Wahl: Entweder finanzieren wir Putins Krieg weiter oder notwendige Energielieferungen bleiben aus. Die deutsche Politik der letzten zwei Jahrzehnte hat uns in eine enorme Abhängigkeit von russischen Energielieferungen gebracht.

Es gibt moralisch nur eine einzige akzeptable Reaktion: Wir brauchen jetzt den geforderten nationalen Kraftakt, um den Bedarf von Importen fossiler Energieträger zu reduzieren und so schnell wie möglich komplett unabhängig davon zu werden.

Wir sehen, dass die Bundesregierung diese Kraftanstrengung annimmt, insbesondere Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der alles für kurzfristige Versorgungssicherheit unternimmt. Gleichzeitig wird auf Bundesebene an einem Paket zur Beschleunigung der Energie- und Wärmewende gearbeitet.

Aber wo ist die Kraftanstrengung in Niedersachsen? Sie bemühen sich bei den LNG-Terminals, aber das war es auch. Wo ist der finanzielle Beitrag Niedersachsens für den nationalen Kraftakt, der gebraucht wird?

Für den skizzierten nationalen Kraftakt, für die vielfältigen Hilfen, für die Investitionen in Bevölkerungsschutz, und für unseren Beitrag zu einer beschleunigten der Energie- und Wärmewende, für all dies veranschlagen wir in unserem Gesetzentwurf zunächst 5 Mrd. Euro Finanzvolumen.

Unser Entschließungsantrag fordert von der Landesregierung einen Nachtragshaushalt einbringen, um diese Mittel bereitzustellen.

Wir Grüne wissen, dass diese Summe nicht mal eben auf der Straße liegt.

Wir schlagen daher vor, die Summe als Notfallkredite aufzunehmen.

Der Krieg in unserer europäischen Nachbarschaft; die Bedrohung unserer Sicherheit hierzulande; die Geflüchteten, denen wir helfen müssen; Preissteigerungen, die Teile der Bevölkerung vor existenzielle Fragen stellen; sowie unsere Energiesicherheit, die durch ausländische Mächte gefährdet ist. All dies zusammen führen zu dieser außergewöhnlichen Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt.

Für eine solche Notsituation sieht die grundgesetzliche Schuldenbremse und Art. 71 (4) Niedersächsischer Verfassung die Möglichkeit der Kreditaufnahme vor. Das ist jetzt der richtige Weg!

Der Ökonom Marcel Fratzscher wird in der Rheinischen Post (10.03.2022) zitiert: "Der Ukraine-Krieg ist für die deutsche Finanzpolitik ein Dammbruch, denn dadurch wird eine Einhaltung der Schuldenbremse für die kommenden Jahre unmöglich sein.“

Die Wirtschaftswissenschaft ist in der Erkenntnis also schon weiter. Und weiß, jetzt auf diesem Weg eine nationale Kraftanstrengung und wir werden kommenden Generationen einen echten Zukunftsdienst erweisen.

Herr Ministerpräsident, weil Sie sich vor der Presse kürzlich noch gefragt haben, was der Krieg in der Ukraine mit einem Sondervermögen zur Beschleunigung der Energiewende zu tun hat.

Ich hoffe, meine Ausführungen haben zu Ihrer Aufklärung beigetragen. Und wenn nicht, machen Sie es wie die Mehrheit der Bevölkerung: vertrauen Sie bei der Energiepolitik den Grünen. Wir haben den Zusammenhang verstanden und wir laden Sie ein, in schweren Zeiten gemeinsam aktiv zu werden.

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