Evrim Camuz: Rede zur Ersatzfreiheitsstrafe (Antrag SPD/GRÜNE)

Rede Evrim Camuz© Plenar TV

TOP 24 – Rot-grüner Antrag zu Ersatzfreiheitsstrafen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Mein geschätzter Kollege Calderone, dass Sie gefühlt die Hälfte Ihrer Redezeit damit vergeudet haben, zu sagen, was alles aktuell in der Justiz los ist, zeigt mir, dass Sie überhaupt gar keine Kritik mehr an unserem Antrag haben. Da mussten Sie diese aufgeblasene Redezeit irgendwie füllen, und dann kam das eben noch mal gelegen. Ich finde, es ist vielmehr eine Bestätigung für unseren Antrag selbst. Diejenigen, die wir in unserem Ausschuss angehört haben, haben unseren Antrag de facto auch unterstützt. Vielen Dank auch noch mal dafür.

Ich möchte noch mal kurz aufklären, über wen wir hier überhaupt reden. Es wurde sehr oft über Opfer und Täter gesprochen. Wer sind diese Täter? Wen wollen wir überhaupt adressieren? - Das sind ganz konkrete Fälle, beispielsweise hier in der Region Hannover. Das sind Menschen, die obdachlos sind, die kein geregeltes Leben haben, keine Unterkunft, die auch kein Geld verdienen, vielleicht sogar drogenabhängig sind, also eine ganz schwere Klientel, die bestimmte Traumata mit sich tragen und die dann öfter mal ticketlos mit der Üstra oder mit dem Regiobus fahren, und nicht nur einmal.

Sie werden erwischt – zum zweiten, zum dritten Mal, und beim dritten Mal landet der Fall dann bei der Staatsanwaltschaft hier in Hannover. Und der Richter oder die Richterin ist dann mit diesem Fall konfrontiert und überlegt sich: Okay, was mache ich denn jetzt mit diesem Menschen? Er ist ja keine Gefahr für die Gesellschaft.

Deswegen kriegt die Person bewusst keine Freiheitsstrafe, sondern eine Geldstrafe. Ein Obdachloser, der sich kein Ticket für drei, vier Euro leisten kann, wird erst recht keine Geldstrafe ableisten können. Und genau diese Menschen wollen wir abholen. Sie haben gerade viel von Ideologie gesprochen. Es hat mal jemand gesagt: Denkt an die Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen. Und das war kein Ideologe, sondern das war Paulus im Hebräerbrief, Kapitel 13, Vers 3. Mir ist gerade jetzt wichtig, dass wir in solchen Zeiten, in denen die CDU das christliche Menschenbild leider verloren hat, jetzt auch wieder deutlich zu machen.      

Deswegen ist es so wichtig, Sie noch mal daran zu erinnern, woher Sie wirklich kommen. „Denkt an die Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen.“

Aber zurück zum eigentlichen Thema! Wir wollen die Straffälligenhilfe stärken – und das haben wir als rot-grüne Landesregierung im letzten Haushalt auch gemeinsam mit unserer Justizministerin getan.

Es geht darum, dass bestimmte Menschen einer Strafe ausgesetzt sind, der sie sozusagen nicht entkommen können, weil es eine Klientel ist, die nicht einmal die entsprechenden Briefe öffnet. Oft wissen sie gar nicht, dass es überhaupt die Möglichkeit der Haftvermeidung gibt. Genau deswegen wollen wir eine proaktive Ansprache, sodass die Menschen face to face erfahren, woran sie sind, und sie gemeinsam - Hand in Hand - in ein straffreies, geregeltes Leben überführt werden können. Das ist die Realität.

Deswegen sollte es in unser aller Interesse sein, dass wir nicht solche Menschen, die selbst Opfer verschiedener Umstände sind, in unseren Gefängnissen haben, sondern dass wir ihnen ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen - und das macht die Straffälligenhilfe.

Vielen Dank für diese sehr wichtige Arbeit. Ich bin so froh, dass wir diese Arbeit über die politische Liste mit zusätzlichen 800.000 Euro würdigen. Da muss das Geld hin! Das ist nicht populistisch, das ist nicht ideologisch, das ist das Richtige, was wir jetzt machen.

Dank der Straffälligenhilfe wurden 30.000 Hafttage nicht vollstreckt. Dadurch konnten 5 Millionen Euro eingespart werden, 5 Millionen Euro! Das erfreut nicht nur unseren Finanzminister und unsere Justizministerin, sondern das erfreut uns alle, weil wir dieses Geld in wichtigere Dinge investieren können.

Ich möchte mich zudem für die konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss bedanken. Die Anhörung hat noch mal gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich freue mich darüber, dass wir jetzt auch nochmal gucken, welche Konzepte wie ausgearbeitet werden können. Es ist ja auch ein Prüfauftrag. Ich freue mich auf die Ergebnisse. Den Antrag werden wir heute gemeinsam beschließen, aber es bleibt nicht bei diesem einem Punkt. Wir begleiten dieses Thema auch in den nächsten zweieinhalb Jahren eng.

Vielen Dank.

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