Evrim Camuz: Rede zur Bekämpfung der Clan-Kriminalität (Antrag AfD)

Rede TOP 24: Effektive Bekämpfung der Clankriminalität in Niedersachsen installieren (Antrag AfD)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Präsident

meine sehr verehrten Kolleg*innen,

es scheint, dass sich die Antragsteller immer dann um die Sicherheit von Polizist*innen oder von Frauen sorgen, oder - wie hier - die Bekämpfung von organisierter Kriminalität dann von Bedeutung ist, wenn es in ihr Narrativ passt, das vielfach als rassistisch beschrieben wird.

Mit Ihrer Notstandsrhetorik greifen Sie bewusst ein emotional besetztes Thema - das der Kriminalität - auf, um Ängste und Ressentiments gegen Migrant*innen zu schüren, und das lehnen wir aufs schärfste ab.

Kurz vorab: Ja, es gibt organisierte Kriminalität in unserer Gesellschaft und ja es gibt sie auch in ausländischen Familien. Kein Kulturkreis ist davon ausgenommen.

Dabei findet die Kriminalität nicht innerhalb der Großfamilie, sondern in der Kernfamilie statt - so jüngst die Studie von Jarabas.

Und natürlich ist es die Aufgabe des Staates jede Straftat – sofern kein Antragsdelikt vorliegt – stets zu verfolgen und zu ahnden.

Eine Ethnisierung von Kriminalität– insbesondere vor dem Hintergrund unserer Geschichte - der Lehren aus der nationalsozialistischen Vergangenheit - lehnen wir von Bündnis 90/Die Grünen allerdings entschieden ab.

Der Antragsteller verwendet den Begriff der Clans, als sei es das selbstverständlichste der Welt. Dabei ist er kriminalpolitisch höchst umstritten. Dazu verweise ich auf die Arbeiten von Prof. Dr. Feltes, Kriminologe und Polizeiwissenschaftler.

Die Problematik möchte ich anhand eines einfachen Beispiels festmachen.
Nehmen wir einen typisch deutschen Nachnamen, weil sich viele in diesem Haus damit eher identifizieren können.
Müller mit Ü oder Mueller mit UE ist mit seinen diversen Varianten der häufigste deutsche Familienname.
Wenn wir jetzt eine Liste zusammenstellen würden, in denen wir sämtliche Vergehen und Verbrechen und darüber hinaus auch niemals vor Gericht verhandelte Vorwürfe zusammenstellen würden, von Menschen namens Müller, so würden wir zu dem Schluss kommen, dass Menschen mit besagten Nachnamen die Kriminellsten von allen seien.

Bestimmte Familiennamen dürfen niemals zum Synonym für Organisierte Kriminalität werden.

Ich möchte stattdessen von mafiösen Strukturen sprechen.

Und gleichwohl gibt es delinquentes Verhalten in vereinzelten Familien beispielsweise aus dem Libanon.

Warum ist das so?

Wenn eine marginalisierte Gruppe ausgegrenzt wird, wenn Sie einem Arbeitsverbot unterliegt, wenn sie perspektivlos ist, weil sie keinen sicheren Aufenthaltsstatus besitzt, natürlich verfestigen sich da auch innerhalb einiger Familien kriminelle Verhaltensweisen.
Das hat weniger mit dem kulturellen Hintergrund zu tun, als mit unserer misslungenen Integrationspolitik. Und gleichwohl rechtfertigt es nicht, straffällig zu werden.

In Ihrem Antrag fordern Sie, dass Polizeianwärter zukünftig vor der Einstellung auf etwaige Bezüge zu Clanstrukturen zu überprüfen sind.

Was genau wollen Sie damit bezwecken?

Dass eine Polizeianwärter*in, die sämtliche Voraussetzungen für die Einstellung in den Polizeidienst erfüllt, nicht eingestellt wird, weil irgendein fernverwandtes Familienmitglied eine Straftat begangen hat?
Die Polizeianwärter*in selbst sich aber nichts zu verschulden kommen lassen hat, ganz im Gegenteil sie sogar ihr Leben, ihre Erfahrungen, ihre sprachlichen Kompetenzen dem Staat zur Verfügung stellen will, diese Menschen wollen Sie unter Generalverdacht stellen und kriminalisieren aufgrund der Geburt in eine Familie, die einen bestimmten Namen trägt?

Der Grundsatz in dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten – ist ein elementarer und so wichtiger Grundsatz unseres Rechtsstaates. Aber genau genommen ist dieser Grundsatz hier nicht mal einschlägig, weil die besagte Polizeianwärter*in nicht vor Gericht steht, nicht angeklagt ist, sondern einfach einen Namen nach dem Namensrecht in die Wiege gelegt bekommen hat. Und dafür sollen sie nach Ansicht der AFD büßen.

Dabei bedeutet eine Verwandtschaft nicht mal, dass sich die Familienmitglieder untereinander auch tatsächlich kennen – so die Studie von Jarabas.

Ihr Antrag ist so durchschaubar, Sie wollen ethnische Gruppen in Sippenhaft nehmen, und das lassen wir nicht zu.
In Ihrer Begründung schreiben Sie, dass Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte und ich betone „schon aus nichtigem Anlass“ zunähmen,
sehr geehrte Abgeordnete: Widerstandshandlungen gegen unsere Vollstreckungsbeamte sind nach  § 113 StGB strafbar.

Eine Notwehr käme nur in Betracht, wenn das Handeln der Polizei offensichtlich rechtswidrig ist.

Aber bereits ein Tatverdacht, bzw die räumliche und zeitliche Nähe zu einem Tatgeschehen ermöglicht es Polizist*innen Menschen festzuhalten um zumindest Ihre Identität zu klären.
Sie suggerieren in Ihrem Antrag allerdings, dass Widerstandshandlungen gegen Polizist*innen ok wären. So viel zu Ihrer vermeintlichen Loyalität zu unseren Sicherheitskräften.

Als regierungstragende Fraktion haben wir Grüne uns gemeinsam mit der SPD dazu verpflichtet, in enger Zusammenarbeit mit den entsprechenden Häusern, alle Schwerpunktstaatsanwaltschaften auf ihre Effizienz bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität hin zu überprüfen.

Heute ist ein guter Anlass damit zu beginnen.

 

Seid Ihr interessiert und möchtet gerne mehr zu diesem Thema erfahren? Dann schaut hier rein:

Özvatan Özgür, Bastian Neuhauser, and Gökçe Yurdakul, The ‘Arab Clans’ Discourse: Narrating Racialization, Kinship, and Crime in the German Media. Social Sciences, 2023. 12: 104. Hier abrufbar https://mdpi-res.com/d_attachment/socsci/socsci-12-00104/article_deploy/socsci-12-00104.pdf?version=1676454763

Feltes, Thomas und Felix Rauls. 2020. Clankriminalität “Und Die” “German Angst: Rechtspolitische Und Kriminologische Anmerkungen Zur Beschäftigung Mit Sogenannter” Clankriminalität. Sozial Extra 44: 372–77.

Mohamed Amjahid, So schnell wird man zum Clan-Kriminellen, Zeitungsartikel vom 26. Mai 2020, hier abrufbar https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-05/diskriminierung-clan-kriminalitaet-razzien-polizei-rassismus

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