Evrim Camuz: Rede zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung (Gesetzentwurf AfD)
TOP 10 – AfD-Gesetzentwurf zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung
- Es gilt das gesprochene Wort -
Es gibt Momente, in denen wir innehalten müssen. Am 9 Oktober 2022 haben wir alle, die hier sitzen, das Vertrauen der Niedersachsen ausgesprochen bekommen. Jetzt ist ein guter Moment, sich daran zu erinnern, wem wir hier eigentlich dienen.
An die Kolleg*innen der AfD: Wir sind nicht hier, um uns selbst zu schützen. Wir sind nicht hier, um uns Sonderrechte zu erweitern.
Wir sind gewählt, weil uns Menschen ihr Vertrauen geschenkt haben, weil sie wollen, dass wir die Herausforderungen unserer Zeit mit Zuversicht angehen – und dieses Vertrauen ist kein Freibrief. Es ist ein Auftrag.
Die AfD möchte nun die Indemnität auf Pressearbeit, öffentliche Auftritte und Parteiveranstaltungen erweitern. Also jede rechtlich problematische Meinungsäußerung auf Social Media und außerhalb des Parlaments ausdehnen.
Auch wenn das Austesten der Grenzen des Sagbaren oft politisches Kalkül ist, muss sich dieses auf die Tätigkeit hier im Landtag und den dazugehörigen Einrichtungen begrenzen. Wo landen wir denn, wenn jeder öffentlichkeitswirksame Auftritt in der Funktion als Abgeordnete den Mitteln des Rechtsstaats verwehrt bleibt; und nicht verfolgt werden kann. Einen solchen Freifahrtschein darf es und wird es nicht geben!
Die Immunität schützt uns zu Recht für das, was wir im Parlament sagen – damit wir frei debattieren können, ohne Furcht vor Strafverfolgung. Ja. Das ist richtig.
So sind wir vor politischer Willkür sicher, unabhängig davon welche politischen Strömungen mehrheitlich vertreten werden. Die Indemnität ist ein fundamentaler Schutz und ein wichtiges Abgeordnetenrecht.
Aber was jetzt zur Debatte steht, ist keine Verteidigung der Demokratie – es ist ihre Verzerrung.
Eine Ausweitung der Indemnität bedeutet in Wahrheit: weniger Verantwortung von Abgeordneten, weniger Rechenschaft, mehr Abstand zur Realität.
Und genau das ist es, was so viele Menschen an der Politik zweifeln lässt.
Wenn da draußen jemand Verantwortung übernimmt, im Beruf, im Ehrenamt, im Alltag – dann wird er oder sie auch zur Rechenschaft gezogen. Nur wir sollen uns einen Mantel der Unantastbarkeit umhängen? Ist das Ihr Ernst?
Das ist nicht Freiheit, das ist Abgehobenheit, und rechtsstaatlich höchst problematisch.
Die AfD argumentiert in Ihrem Gesetzesentwurf damit, dass Abgeordnete nur nach ihrem Gewissen handeln und das stimmt – aber wenn ihr Gewissen Ihnen andauernd sagt, dass sie strafrechtlich relevante Aussagen treffen und Ihr Gewissen im Widerspruch mit der Verfassungstreue steht, dann würde ich an ihrer Stelle Ihr Gewissen überdenken!
Wenn wir jetzt die Tür weiter öffnen – öffnen wir sie für Misstrauen, für Politikverdrossenheit, für die, die sagen: „Die da oben machen eh, was sie wollen.“
Nein. Das dürfen wir nicht zulassen.
Ich sage es klar: Wer Macht hat, muss sich verantworten. Wer Mandat trägt, trägt auch Last.
Die Forderung der AFD passt eindeutig zur Opferrolle, in der sie sich gerne suhlt. „Sie dürfen nichts mehr sagen und würden immer an den Pranger gestellt.“ Auch die Behauptung, dass der § 130 StGB – Volksverhetzung! – angeblich ausgeweitet herangezogen würde, um Strafverfahren gegen AfD Abgeordnete einzuleiten kommt nicht von ungefähr. Wenn sie sich in ihren eigenen Reihen umgucken, dann wundert es mich nicht, wie sie genau auf diesen einen Paragraphen gekommen sind.
Sie sind die einzigen, die etwas daran tun können, dass sie nicht länger von der Staatsanwaltschaft strafverfolgt werden. Hören Sie auf Menschen auf Grund Ihrer Individualität herabzuwürdigen. Dann klappt es auch mit der Staatsanwaltschaft.