Evrim Camuz: Rede zum Antrag (CDU) zu beschleunigten Verfahren nach §§ 417 ff. StPO

Rede Evrim Camuz© Plenar TV

TOP 7: Vertrauen in den Rechtsstaat stärken - Strafjustiz entlasten! Möglichkeiten des beschleunigten Verfahrens nach §§ 417 ff. StPO besser  nutzen (Antrag CDU)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Auf den ersten Blick mag es überzeugend klingen: Strafverfahren sollen schneller abgeschlossen werden, um Gerichte und Staatsanwaltschaften zu entlasten. Straftäter sollen rasch verurteilt und das Vertrauen in den Rechtsstaat gestärkt werden.
Und in einfach gelagerten Fällen ist es auch eine gute Möglichkeit schnell für Rechtsfrieden zu sorgen.

Was hier allerdings als Effizienzgewinn verkauft wird, bedeutet in Wahrheit eine massive Einschränkung rechtsstaatlicher Prinzipien. Das beschleunigte Verfahren ist kein Allheilmittel gegen überlastete Justizbehörden. Es wurde bewusst vom Bundesgesetzgeber als Ausnahmefall für einfach gelagerte Sachverhalte mit eindeutiger Beweislage geschaffen.
Es soll nach dem Willen des Bundesgesetzgebers gerade nicht die Regel sein. Der vorliegende Antrag strebt hingegen nichts Geringeres an als die systematische Ausweitung dieses Ausnahmeverfahrens – auf breiter Front, mit landesweiten Vorgaben, verpflichtenden Kriterien und organisatorischem Umbau der Strafjustiz.

Das halte ich für gefährlich. Denn Beschleunigung darf niemals auf Kosten von rechtsstaatlichen Prinzipien erfolgen. In einem Verfahren, das unter dem Deckmantel der Effizienz geführt wird, drohen die Rechte von Beschuldigten ausgehöhlt zu werden. Und das lassen wir nicht zu, sehr geehrte Abgeordnete.

Unter anderem entfällt das Zwischenverfahren – das bedeutet ganz konkret, dass keine unabhängige gerichtliche Prüfung mehr erfolgt, ob tatsächlich ein hinreichender Tatverdacht besteht.

Auch die Anklageschrift, die dem oder der Beschuldigten normalerweise eine präzise Orientierung über die konkreten Vorwürfe gibt, ist nicht erforderlich. Gerade weil diese Verfahrensschritte zentrale rechtsstaatliche Funktionen erfüllen, muss das beschleunigte Verfahren die Ausnahme bleiben – und darf nicht zur Regel gemacht werden.

Vor allem lehne ich auch den Versuch ab, die Anwendung des beschleunigten Verfahrens etwa bei sog. „Klima-Klebern“ oder bei politischen Straftaten auszuweiten. Wer hier auf schnelle Verurteilungen drängt, schürt den Eindruck, dass die Strafjustiz zur Durchsetzung politischer Interessen instrumentalisiert wird. Das beschädigt das Vertrauen in den Rechtsstaat. Gerade in politisch aufgeladenen Fällen brauchen wir sorgfältige Verfahren, in denen alle Seiten gehört werden.

Wenn wir das Vertrauen in den Rechtsstaat wirklich stärken wollen, müssen wir bei den Ursachen ansetzen und das kostet eben auch. Das heißt: mehr Personal, bessere Ausstattung und mehr Digitalisierung. Kostengünstige Schnellschüsse, wie hier von der CDU, helfen niemandem.

In diesem Sinne: Nein zu einer voreiligen Ausweitung beschleunigter Verfahren – ja zu einer starken, unabhängigen und sorgfältig arbeitenden Justiz.

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