Evrim Camuz: Rede zu kindgerechteren Vernehmungen im Strafverfahren

TOP 25: Antrag (SPD/GRÜNE) Vernehmungen im Strafverfahren kindgerechter gestalten

- Es gilt das gesproche Wort -

Sehr geehrter Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete

Kinder können in Strafprozessen, insbesondere als Opfer und Zeug*innen, in gleichem Maße wie Erwachsene betroffen sein. Gerade dann, wenn es sexuelle Gewalt geht, kann die Begegnung mit den Angeklagten sehr belastend und traumatisierend oder auch retraumatisierend wirken.

Wir wollen Kinder deshalb bestmöglich schützen und ihrem Alter entsprechend behandeln.

Es gibt bereits Regelungen im Strafprozessrecht zum Schutz von Zeug*innen und Opfern vor den Angeklagten, die auch das Interesse der Angeklagten an einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts wahren.

So eröffnet § 247 StPO die Möglichkeit, der/die Angeklagte*n während der Vernehmung von Zeug*innen aus dem Sitzungszimmer zu entfernen, wenn bei der Vernehmung einer minderjährigen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl dieser Person zu befürchten ist

oder

wenn bei der Vernehmung einer erwachsenen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht.

Im Gegensatz dazu ermöglicht der § 247a StPO die Vernehmung von Zeug*innen über audiovisuelle Methoden, allerdings unter höheren Voraussetzungen, und es fehlt dort die in § 247 StPO angelegte Differenzierung zwischen minderjährigen und volljährigen Zeug*innen.

Zahlreiche Studien zeigen, dass der Kinder- und Jugendschutz im deutschen Justizapparat nicht den internationalen menschenrechtlichen Anforderungen oder den Leitlinien des Europarates für eine kindgerechte Justiz entspricht.

Die Enquetekommission der Landesregierung zur Verbesserung des Kinderschutzes und zur Verhinderung von Missbrauch und sexueller Gewalt an Kindern kam in ihrem Abschlussbericht 2022 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Senkung der Hürden für die Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung in § 247a StPO zur Förderung einer kindgerechten Justiz beiträgt.

 

Aus der Vielzahl der Empfehlungen der Enquetekommission greifen wir mit unserem Antrag zunächst Eine heraus, um hier auf Bundesebene kurzfristig einen Wertungswiederspruch aufzuheben.

 

Die mit unserem Antrag angestrebte Senkung der Hürden für die Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung von minderjährigen Zeug*innen in § 247a StPO trägt nach unserer Überzeugung zur Förderung einer kindgerechteren Justiz bei, indem sie ein Gleichgewicht zu der Regelung in § 247 StPO schafft, wo das Kindeswohl eine stärkere Berücksichtigung findet.

Solche Vernehmungen sollen künftig bereits dann zulässig sein, wenn ein erheblicher Nachteil für das Wohl der Zeug*innen zu befürchten ist.

Dabei ist uns bewusst, dass es sich lediglich um einen von vielen weiteren zu gehenden Schritten handelt, auf dem Weg zu einer kindgerechten Justiz.

Diesen ersten Schritt wollen wir hier und heute gemeinsam gehen.

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