Eva Viehoff: Rede zu Chancengerechtigkeit durch Erwachsenenbildung sichern (Antrag SPD/GRÜNE)

Rede Eva Viehoff© Plenar TV

Rede Top 23: Chancengerechtigkeit durch Erwachsenenbildung sichern - Umsatzsteuerbefreiung erhalten (Antr. SPD/Grüne)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

als ich Mitte der 90er Jahre meinen Wiedereinstieg ins Berufsleben plante, habe ich an meiner regionalen Heimvolkshochschule eine Kursreihe besucht mit dem Titel: „Mit Schwung, Spaß und Kompetenz“.

Die Kursreihe diente dazu eigene Interessen zu hinterfragen, gegebenenfalls neue zu finden und im Großen und Ganzen sich sechs Wochenenden mit verschiedenen Ansätzen der eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen. Ziel war nicht die Qualifikation für ein bestimmtes Berufsfeld! Dieser Kurs hat mich jedoch nachhaltig geprägt und mit dazu beigetragen, mich selbstbewusst beruflich zu orientieren.

Ob ein solches Kursangebot auch nach 2024 noch so erschwinglich wäre, dass ich - wäre ich in der gleichen Situation wie damals - mir dieses Angebot leisten wollen würde? Ich weiß es nicht; denn genau ein solches Angebot, müsste wohl spätestens ab 2025 darauf geprüft werden, ob es gemäß Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuerpflichtig ist. Und wenn ja, erheblich teurer oder eben auch gar nicht angeboten werden.

Warum ist das so?

Stein des Anstoßes ist die Novellierung des Umsatzsteuergesetzes, das deutlich einen Unterschied macht zwischen schulischer, hochschulischer, Berufsbildung – auch Fort- und Weiterbildung und dem Bildungsangebot der Erwachsenenbildung. Dieses mag – doch auch sind die Jurist*innen da uneins – der europäischen Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechen. Es entspricht aber in keinster Weise einem dem – so bin ich überzeugt – von uns allen getragenen breiten Bildungsbegriff.

Doch genau vor dem Hintergrund dieses breiten Bildungsbegriffs werden die Programme von VHSen, freien Bildungsträgern etc. jährlich aufgestellt; denn fit für Beruf und Privatleben, für gesellschaftliches Engagement werde ich nur mit einer Vielzahl von Fähigkeiten. Mit einem breiten Bildungskanon und nicht allein mit einer Qualifikation.

Und wir alle, die wir auch kommunal aktiv sind loben doch regelmäßig bei Veröffentlichung der Programme der Erwachsenenbildung deren Vielfalt. Wir erkennen immer wieder, dass es für die Bekämpfung von Vorurteilen, Fakenews, Rassismus und besonders heute und aktuell Antisemitismus Bildung braucht eben auch und wie ich finde ganz besonders Erwachsenenbildung.

Eine solche Erwachsenenbildung darf nicht am Geldbeutel scheitern. Sie muss niederschwellig und bezahlbar sein. Nur wird das mit der Änderung des §4 Absatz 22 a nicht erreicht; denn jetzt muss im Worst Case jeder Kurs geprüft werden, inwieweit er der beruflichen Qualifikation oder der reinen „Freizeitgestaltung“ (im Rahmen der Erwachsenenbildung ein ganz schwieriger Begriff) dient.

Eine solche umfassende Prüfung ist mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden, der zusätzliche Kosten verursacht. Und führt dann bei Feststellung der Umsatzsteuerpflicht zu weiteren Kosten, die alle an die Kursteilnehmer*innen weitergegeben werden. Das Ergebnis: die Angebote der gemeinwohlorientierten Bildung werden in Teilen erheblich teurer für Interessierte. Und das gilt dann eben auch für Angebote, die sich mit gesellschaftspolitischen Themen oder unserer Demokratie beschäftigen. Es gilt für Jugendbildung und Senior*innenangebote.

Doch gemeinwohlorientierte Bildung muss vor allem bezahlbar bleiben und sie darf nicht diskriminieren. Deshalb müssen die Angebote der Erwachsenenbildung weiterhin pauschal von der Umsatzsteuer befreit bleiben!

Mit unserem Antrag unterstützen wir die Landesregierung darin, sich beim Bund dafür stark zu machen, dass die Erwachsenenbildung in Gänze weiterhin von der Umsatzsteuer befreit bleibt; denn die Erwachsenenbildung in Niedersachsen hat nach § 1 des NEBG die Aufgabe, allen Bürgerinnen und Bürgern die Chance zu bieten, sich die für die freie Entfaltung der Persönlichkeit und sich die für die Mitgestaltung der Gesellschaft erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten anzueignen. Das darf am Ende nicht am Geldbeutel scheitern.

Und möchte schließen mit einem Zitat von Johann Wolfgang Goethe:

„Alles, was uns begegnet, lässt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei; doch es ist gefährlich, sich davon Rechenschaft geben zu wollen. Wir werden dabei entweder stolz und lässig oder niedergeschlagen und kleinmütig.“

Ich freue mich auf die Beratung im Fachausschuss und hoffe auf eine breite Unterstützung.

Vielen Dank.

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