Dringliche Anfrage: Versenkt Stuttgart 21 die Hinterlandanbindung der großen norddeutschen Häfen?

 

Die letzte Kostenschätzung für den unterirdischen Bahnhof Stuttgart 21 kam auf eine Summe von bis zu 11 Milliarden Euro. Sie stammt vom Umweltbundesamt. Das ist mehr als das 2,5 - fache der ursprünglichen Kostenschätzung. Dabei soll der Bau gerade erst beginnen. Auf einer Strecke, die länger ist als der Ärmelkanal sollen die Gleise in den schwäbischen Untergrund gelegt werden. Dabei werden auch geologische Störzonen durchschnitten, die starke Scher- und Quellkräfte erwarten lassen. Der Bahnhof von Stuttgart soll von 16 auf 8 Gleise zurückgebaut werden, obwohl die Bahn klimabedingt künftig wesentlich größere Verkehrsmengen aufnehmen muss als heute.

Die Hinterlandanbindung der großen norddeutschen Häfen kommt seit Jahren nicht voran. Bald ist der Tiefwasserhafen an der Jade fertig, aber die zweigleisige elektrifizierte Bahnstrecke fehlt. Auch der Ausbau der Amerikalinie nach Osten über Bremen und Uelzen stockt seit Jahren. Der 3–gleisige Ausbau von Hamburg nach Süden müsste viel schneller gehen. Die Bahn plant stattdessen noch immer eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke die irgendwann in den zwanziger Jahren fertig sein soll. Diese so genannte Y-Trasse sollte den Verkehr nach Süden um 10-12 Minuten beschleunigen, war aber nicht auf die wachsenden Güterverkehre ausgelegt, die breitere Trassenabstände erfordern und Mischverkehr nur sehr bedingt zulassen.

Jetzt bedroht das dilettantisch geplante Projekt im Süden der Republik auch die Hinterlandanbindungen der großen norddeutschen Häfen. Je mehr Geld das Unternehmen Bahn für das Prestigeprojekt im Süden zurücklegen muss, desto größer die Gefahr, dass die rasche Anbindung der Häfen versenkt wird. Die Landesregierung in Hannover hat nicht viel mehr als lauwarme Versprechen von der Bundesregierung in der Tasche. Zudem erschwert sie die Debatte mit Forderungen nach neuen tangentialen Autobahntrassen im demografisch schrumpfenden Land. Eine A 22 könnte die Hinterlandverbindungen der Bahn nicht entlasten. Zu fürchten ist eher eine Rollbahn für Rotterdam. Zusätzlich schwächen sich die norddeutschen Küstenländer, weil sie nicht an einem Strang ziehen.

Hinzu kommt das Zusammentreffen des gesetzlich verankerten Neuverschuldungsverbotes für Bund und Länder mit den enormen zusätzlichen Finanzaufwendungen zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Das hat weitreichende Folgen für die Finanzplanung in Bund und Ländern. Laut Pressemeldungen von Anfang August sollen vom Bundesverkehrsministerium zukünftig jährlich nur noch 10 Milliarden Euro für Bau und Erhalt von Verkehrswegen in allen Bundesländern zur Verfügung gestellt werden. Das Geld würde zudem, aufgrund des stetig wachsenden Bedarfes beim Substanzerhalt der vorhandenen Infrastruktur, weitgehend nur noch für Reparaturen ausgegeben werden können. Dort wurde in den vergangenen Jahren zunächst noch gespart, aber die Straßen, Schienenwege und Brücken sind bundesweit inzwischen in einem so schlechten Zustand, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Dieses Problem hat sich durch das starke Anwachsen der Autobahnen in jüngster Vergangenheit noch weiter verschärft. Allein in den vergangenen 10 Jahren kamen 1.300 Kilometer Autobahnen zu dem inzwischen auf 13.000 km angewachsenen deutschen Autobahnnetz hinzu.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Kann die Landesregierung ein definitives Datum für die zweigleisige Elektrifizierung der Bahnstrecke einschließlich Lärmschutz zum Tiefwasserhafen an der Jade nennen?
  2. Welche Folgen haben Kostensteigerungen auf 11 Milliarden Euro und mehr beim Bahnhof Stuttgart 21 auf die Finanzierung der Hinterlandanbindung der großen norddeutschen Häfen?
  3. Welche Gesamtinvestitionssummen für Verkehrsinfrastruktur des Bundes sind für die Jahre 2010 bis 2013 von Bundesverkehrsminister Ramsauer jeweils für die Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Bremen verbindlich zugesagt?

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

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