Dringliche Anfrage: Trotz Fukushima: Blockiert Niedersachsen die Aktualisierung des Kerntechnischen Regelwerks zur Sicherheit von Atomkraftwerken?

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag Niedersachsen

Hannover, den 05.11.12

Das kerntechnische Regelwerk in Deutschland ist nach Ansicht vieler Experten veraltet. Die wesentlichen übergeordneten Regelungen bestehen noch heute aus den Leitlinien der Reaktorsicherheitskommission (RSK) von 1977 und den Sicherheitskriterien des Bundesinnenministeriums (BMI) von 1983. Im Jahr 2003 hat die damalige Bundesregierung daher eine umfassende Initiative zur Überarbeitung des kerntechnischen Regelwerkes veranlasst. Die Grundlagen für eine Aktualisierung der Sicherheitsanforderungen hat die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) in Abstimmung mit internationalen Empfehlungen erarbeitet. In den Verhandlungen zur Implementierung eines neuen Regelwerks haben sich von CDU und FDP regierte Bundesländer insbesondere gegen Verschärfungen der geltenden Sicherheitsanforderungen gewehrt. Zwischenzeitlich hat es schon sieben offizielle Revisionen gegeben. Trotzdem war kein Konsens erreichbar. Im Jahr 2009 wurde vereinbart, dass das neue Regelwerk in einer Erprobungsphase bis Oktober 2010 geprüft werden sollte, um es dann endgültig zu verabschieden.

Nunmehr war vorgesehen nach einer weiteren umfangreichen Überarbeitung der „Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke“ eine Beschlussfassung im zuständigen Bund-Länder-Ausschuss vom 20.11.2012 zu fassen. Zwischenzeitlich hat das Umweltministerium für das Land Niedersachsen offenbar angekündigt dem neuen Regelwerk wiederum nicht zuzustimmen, weil es zu „erheblichen Verschärfungen der bestehenden Anforderungen“ führen würde. Diese seien mit dem geltenden Atomrecht nicht durchsetzbar.

Nach Ansicht von Experten widerspricht diese Auffassung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverwaltungsgericht hat 2008 – entgegen der Rechtsauffassung des niedersächsischen Umweltministers – festgestellt, dass weit über die bisherige Anlagenauslegung hinaus Vorsorge zu treffen ist, auf die die Bevölkerung einen einklagbaren Anspruch habe.

Auch nach dem so genannten europäischen „Stresstest“ sah das niedersächsische Umweltministerium keinen Anlass zur Nachrüstung von niedersächsischen Atomanlagen. Dieter Majer, Technischer Leiter der deutschen Atomaufsicht a.D. erklärte dazu am 18.10.2012 in der ARD Sendung Monitor: „Der Stresstest ist ein Minimalprogramm, das nur einige wenige Prozente der gesamten notwendigen Sicherheitsüberprüfung ausmacht. Nämlich nur Einrichtungen und Maßnahmen, die dann wichtig sind, wenn der Unfall schon passiert ist. Verglichen möglicherweise mit dem Auto bedeutet das, man hat den Airbag untersucht, dessen Funktionsweise untersucht, aber man hat nicht untersucht, ob die Bremsen funktionieren, ob das Licht funktioniert, etc.“

Auch nach den Erfahrungen in Fukushima plant die Landesregierung in der anstehenden Gesetzesnovelle zum Katastrophenschutz keinerlei Änderungen zum Schutz der Bevölkerung bei
Katastrophenfällen in Atomanlagen oder bei Transporten.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche Verschärfungen der bisher geltenden Sicherheitsanforderungen sind in  dem letzten vorliegenden Entwurf der modernisierten „Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke“ vorgesehen und bis wann sollen diese Sicherheitsanforderungen umgesetzt werden?

2. Will die Niedersächsische Landesregierung dem letzten vorliegenden Entwurf der modernisierten „Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke“  in der Sitzung des Länderausschusses für Atomkernenergie (LAA) am 20.11.2012 zustimmen?

3. Wenn die Antwort auf die 2. Frage nein lautet: Welche Änderungen will die Landesregierung an dem vorliegenden Entwurf vornehmen und wie werden sie begründet?

 

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

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