Dringliche Anfrage: Schlachthöfe und Sammelunterkünfte – Ein rechtsfreier Raum in Niedersachsen?

 

Am 19.06.2019 hat der Niedersächsische Landtag auf Initiative der Grünen und der FDP unter der Überschrift „Arbeitnehmerschutz und Tierschutz in Schlachthöfen verbessern“ (Drs. 18/4019) weitreichende Verbesserungen für die Arbeitenden in der Schlachtindustrie und für den Tierschutz beschlossen. Aus der Antwort der Landesregierung vom 07.02.2020 zu diesem Beschluss (Drs. 18/5836) geht hervor, dass davon außer der Bundesratsinitiative zu Videoüberwachung wenig umgesetzt wurde:

  • Eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel im Tierschutzrecht „Einschränkungen für Akkordarbeit in bestimmten Bereichen der Schlachtung“ einzufügen ist bisher nur angekündigt worden.
  • Der zum Thema Arbeits- und Wohnbedingungen der Beschäftigten beschlossene runde Tisch mit der Schlachtwirtschaft, ist bisher nicht über eine Planungsphase hinausgekommen. Auch „entsprechende Gespräche“ befänden sich noch in Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium.
  • Die Aufforderung des Landtages, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene für die rechtliche Verankerung verpflichtender und wiederkehrender Schulungen von Schlachthofmitarbeiter*innen im Bereich des Tierschutzes und des Umgangs mit den Tieren einsetzen soll, werde „aktuell noch in den Fachgremien auf Länderebene diskutiert“.
  • Die Forderung, dass sich die Landesregierung „gegenüber dem Bund für die Anpassung des Bußgeldkatalogs im Bereich Tiertransport und Tierschlachtung“ einsetzen soll, wird mit der Antwort beschieden, dass die Ordnungswidrigkeitentatbestände in diesen Bereichen geprüft wurden und eine Anpassung „gegenwärtig nicht erforderlich“ sei.
  • Die von der Landesregierung angekündigte Bundesratsinitiative zur Änderung der Tierschutz-Schlachtverordnung die eine verpflichtende Mindestwartezeit von 3 Minuten zwischen Entblutung und weiteren Schlachtarbeiten bundesweit verbindlich schreibt, liegt bislang nicht vor.

Mit Verweis auf den Erwägungsgrund Nr. 28 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009, schreibt die Landesregierung, „dass sich die Bedingungen, unter denen Tiere behandelt werden, durch gut geschultes und qualifiziertes Personal verbessern.“ Gleichzeitig erklärt sie, dass bei den bisher vom LAVES durchgeführten Kontrollen „regelmäßig Mängel bei der Sachkunde der zuständigen Schlachthofmitarbeiter festgestellt“ wurden. „Daher kann von einem erhöhten Schulungsbedarf ausgegangen werden.“

Laut einem Medienbericht vom 04.05.2020 wurden bei unangekündigten Kontrollen niedersächsischer Schlachthöfe gravierende Mängel festgestellt.  In über 93% der Fälle stießen die Kontrolleur*innen auf mangelnde Betriebshygiene oder „ernsthafte technischen Schwierigkeiten bei der Betäubung der Tiere“. Auf Medienanfrage teilte der Verband der Fleischwirtschaft (VdF) zudem mit, dass die Anfang 2019 mit dem Landwirtschaftsministerium vereinbarte freiwillige Kameraüberwachung der Betriebe in fast allen Schlachthöfen aus datenschutzrechtlichen Gründen abgeschaltet werden musste. (NOZ, 04.05.2020)

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie oft wurden seit März welche Schlachthöfe durch wen unangekündigt und anlasslos auf die Umsetzung der Corona-Hygieneschutzmaßnahmen kontrolliert?
  2. Wie oft wurden seit März welche Unterkünfte für Beschäftigte im Bereich der Erntehilfe und der Schlachthöfe unangekündigt und anlasslos auf die Umsetzung der Corona-Hygieneschutzmaßnahmen kontrolliert?
  3. Wie gedenkt die Landesregierung vor dem Hintergrund der beendeten Videoüberwachung eine effektive Überwachung und Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zum Tierschutz seitens der Schlachtbetriebe zu gewährleisten?

  

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