Dringliche Anfrage: Gefahr aus dem Stall: Immer mehr Menschen erkranken an resistenten Keimen – was tut die Landesregierung?

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen                                                                    

Hannover, den 05.12.2011

Gefahr aus dem Stall: Immer mehr Menschen erkranken an resistenten Keimen – was tut die Landesregierung?

In Deutschland erkranken jährlich schätzungsweise 500.000 bis 1.000.000 Menschen im Krankenhaus an Infektionen. Schätzungen gehen davon aus, dass 7.500 bis 40.000 Menschen an diesen Infektionen sterben. Insbesondere für Ältere oder schwerkranke Patientinnen und Patienten verdoppelt sich das Sterberisiko durch eine solche nosokomiale Infektion. Insgesamt verursachen diese Infektionen – neben dem Leid für die Betroffenen – jährlich rund 2,5 Mio. an zusätzlichen Kosten und 1 Mio. zusätzlicher Krankenhaustage.

Dreiviertel der Erreger werden vom Patienten bereits bei der Aufnahme ins Krankenhaus mitgebracht, aber oft nicht erkannt. Andere Erreger werden innerhalb des Krankenhauses – oft durch unzureichende Hygienemaßnahmen – übertragen. Die Weltgesundheitsorganisation und das Robert-Koch-Institut gehen davon aus, dass sich rund ein Drittel dieser erworbenen Infektion durch bessere Präventionsmaßnahmen verhindern ließe.

Nosokomiale Infektionen werden häufig durch Bakterien verursacht die gegen die meisten Antibiotika resistent sind. Der häufigste dieser multiresistenten Keime ist der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)der lebensgefährliche Infektionen auslösen kann.  Daneben gibt es weitere muliresistente Erreger wie Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) oder extended-spectrum-beta-lactamasebildende Darmbakterien (ESBL), die in den letzten Jahren stark zugenommen haben und lebensgefährliche Infektionen auslösen können ohne dass es eine wirksame Behandlungsmöglichkeit gibt.

Grund für die starke Zunahme der Erreger sind einerseits unzureichende Präventionsmaßnahmen und die Nichtbeachtung von Hygienestandards. Das in den Richtlinien der KRINKO empfohlene Screening von Risikopatienten und –patientinnen wird ebenso wenig konsequent durchgeführt wie die Isolierung von Patienten oder anderer Schutzmaßnahmen. Zudem gibt es keine einheitlichen Richtlinien zur MRSA-Therapie.

Eine Ursache für die Zunahme multi-resistenter Erreger ist der übermäßige und falsche Gebrauch von Antibiotika, sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung. In Deutschland werden jährlich 250 bis 300 Tonnen verschrieben - 75 % davon im ambulanten Bereich. Oft liegt eine Indikation nicht vor, z. B. bei virusbedingten Erkältungskrankheiten. Die Zahl der wenigen Reserveantibiotika die auch bei resistenten Erregern noch wirken sinkt. Bereits heute werden sie in 50 % der Behandlungsfälle eingesetzt.

Ein Zusammenhang mit der Massentierhaltung ist seit langem evident. So werden bei der Hühner-, Schweine-, Puten- oder Rindermast flächendeckend Antibiotika eingesetzt. Laut einer Untersuchung des Landesgesundheitsamtes in 34 niedersächsischen Krankenhäusern stammten im Mai 22 Prozent der resistenten Keime aus dem Veterinärbereich.

Laut einer neueren Studie der Universität Utrecht treten antibiotikaresistente Bakterienstämme noch in einem Kilometer Entfernung von Mastanlagen in der Außenluft auf und gefährden damit Anlieger und Mitarbeiter erheblich.

Sowohl die Bundesärztekammer als auch der Europäische Kommissar für  Gesundheit und Verbraucherschutz John Dalli fordern eine massive Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes in der Massentierhaltung.

  1. Wie beurteilt die Landesregierung die Gefahren, die von multiresistenten Keimen in Krankenhäusern ausgehen und welche Daten, auch speziell aus Niedersachsen, liegen ihr dazu vor?
  1. Welche Maßnahmen hält die Landesregierung für angezeigt um die Ausbreitung multiresistenter Keime einzudämmen?
  1. Welche Bedeutung misst die Landesregierung in diesem Zusammenhang dem ungezielten Einsatz von Antibiotika, insbesondere in der Massentierhaltung in Niedersachsen bei?

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

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