Detlev Schulz-Hendel: Rede zum Vergabegesetz (Gesetzentwurf FDP)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist leider ein erneuter Versuch, wichtige Rahmenbedingungen auszuhebeln, die für einen fairen Wettbewerb der Betriebe, für anständige Bezahlung der Beschäftigten und für ökologische und soziale Standards sorgen. Dafür haben wir unter Rot-Grün gesorgt und wir brauchen an dieser Stelle alles andere als den Rückschritt und den Kahlschlag des Vergabegesetzes.

Gleich beim §1 „Zweck des Gesetzes“ haben Sie dann unverblümt den Passus „umweltverträgliche und soziale Beschaffung durch die öffentliche Hand fördern“ gestrichen. Ihr Gesetzesentwurf spricht dann auch nur noch von einem Vergabegesetz und nicht mehr von einem Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetz.

Das ist mit uns nicht zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir haben mit dem geltenden Gesetz garantiert, dass öffentliche Auftragsgeber mit Ihrer Marktkraft Einfluss auf einen fairen Wettbewerb und auf faire Arbeitsbedingungen nehmen können und auch müssen.

Ihr Gesetzesentwurf, liebe FDP, geht unter dem Deckmantel einer gewollten Verschlankung gleich mehrere Schritte zurück. Wichtige Auswahlkriterien werden in Ihrem Entwurf aufgeweicht und wichtige Teile sogar ganz gestrichen. So haben Sie beispielsweise die Anforderungen nach dem Mindestlohngesetz kurzerhand gestrichen.

Die Tariftreue spielt im FDP-Gesetzesentwurf dann auch keine Rolle mehr - so, als ob wir nie ein Problem mit Lohndumping bei der öffentlichen Vergabe in diesem Land gehabt hätten. Ich erinnere die Vergesslichen unter uns gern noch einmal an die unsäglichen Vorgänge rund um den Gefängnisbau in Rosdorf/Göttingen im Jahr 2004 - zutiefst menschenverachtende, sogenannte „Löhne“ von drei Euro wurden den Menschen damals gezahlt, die im Auftrag des Landes Niedersachsen ein Gebäude errichteten. Die Arbeiter, die gegen die sittenwidrigen Stundenlöhne aufbegehrten, wurden entlassen und nach Hause geschickt. So etwas wollen wir nicht in Niedersachsen! Mit der Reform des Vergabegesetzes in 2013 haben wir uns deswegen für „Gute Arbeit“ stark gemacht.

Anrede,

wir brauchen nicht weniger, sondern wir brauchen mehr Tarifbindung. So, wie es Bremen gerade vorgemacht hat - dort ist zum Beispiel die Vergabe öffentlicher Bauaufträge seit Ende 2017 wieder an repräsentative Tarifverträge gebunden. Diesem Beispiel sollte Niedersachsen folgen. Es ist unsere politische Aufgabe und Verpflichtung, Menschen vor Ausbeutung und gefährlichen Arbeitsbedingungen zu schützen. Und wir meinen, dass Politik auch dafür zu sorgen hat, dass die Betriebe, die ihre Leute fair und gerecht bezahlen, dadurch keinen Wettbewerbsnachteil erleiden dürfen.

Anrede,

die FDP lehnt mit ihrem Entwurf auch die neue EU-Vergaberichtlinie ab, die wir aber in nationales Recht umzusetzen haben. Bei der Ausführung öffentlicher Aufträge sind laut der Richtlinie 2014/24/EU „umwelt-, sozial- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen“ einzuhalten (Artikel 18 Abs. 2 der Richtlinie). Die Zäsur auf EU-Ebene, dass die Einhaltung von Umwelt-, Sozial- und Arbeitsrecht fester Bestandteil öffentlicher Auftragsvergabe zu sein hat, berücksichtigt die FDP in ihrem Entwurf zur Abschaffung des niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetz nicht.

Anrede,

Wir haben aus guten Gründen dafür gekämpft, dass auch hierzulande keine Produkte oder Materialen verwendet werden, die z.B. mithilfe von Kinderarbeit produziert werden. Wir halten es heute für wichtiger als jemals zuvor, dass die Beschaffung des Landes umweltbewusst aufgestellt sein muss. Weil Sie diese wichtigen Errungenschaften nicht wertschätzen, ist für uns klar, diesen Gesetzesentwurf auch in Gänze abzulehnen.

Vielen Dank.

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