Detlev Schulz-Hendel: Rede zum Tempolimit auf Autobahnen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede

Mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger sprechen sich für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen aus. Bei den Frauen sind es sogar 70 Prozent - und bei den über 55-Jährigen sind es mehr als Zweidrittel der befragten Menschen. Die Deutsche Umwelthilfe spricht sich genauso für ein Tempolimit aus wie die Kirchen als auch die Polizeigewerkschaft in Niedersachsen. Wir haben es mit einem breiten Bündnis verschiedener Akteure für ein Tempolimit zu tun.

Zeit also, dass sich endlich etwas bewegt, auch in Niedersachsen. Aus diesem Grund fordern wir eine starke Bunderatsinitiative aus Niedersachsen für eine bundesweite Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 120 km/h. Leider hat Bundesverkehrsminister Scheuer bisher alle Vorschläge für ein Tempolimit ohne nähere eingehende Prüfung als „gegen den gesunden Menschenverstand“ abgetan. Und auch der Ministerpräsident Weil und sein Verkehrsminister Althusmann sträuben sich immer noch.

Das ist ein Verhaltensmuster, welches wir schon aus den Auseinandersetzungen um die Hardware-Umrüstung schmutziger Diesel kennen. Wir fordern die GroKo in Niedersachsen nun auf, sich endlich am gesunden Menschenverstand unserer europäischen Nachbarn und der ganzen Welt zu orientieren, denn dieser Menschenverstand hat den allermeisten Ländern sinnvolle Höchstgeschwindigkeiten zwischen 100 und 140km/h gebracht.  Setzen Sie gemeinsam mit uns endlich ein deutliches Signal für mehr Verkehrssicherheit, aber auch für mehr Klimaschutz. Deutschland ist nicht nur der einzige Staat in Europa, sondern auch die einzige Industrienation in der Welt ohne ein durchgehendes Tempolimit.

Ein Tempolimit rettet Leben: Von den 417 Menschen, die im Jahr 2018 auf niedersächsischen Straßen ums Leben kamen, wurden 59 Personen auf Autobahnen getötet. Leider sind die Zahlen wieder ansteigend - im Jahr 2017 waren es 38 Menschen, die auf niedersächsischen Autobahnabschnitten tödlich verunglückt sind.

Ein Blick in die Unfallstatistik anderer Länder wie beispielsweise der Schweiz zeigt sehr deutlich, dass ein Tempolimit zu weniger Verkehrstoten führt und somit Leben rettet. Aber auch hierzulande zeigen Tempolimits positive Wirkung auf die Unfallzahlen, wie Modellversuche in NRW und Brandenburg belegen.

So starben auf der A 4 zwischen Köln und Aachen innerhalb weniger Monate neun Menschen. Nachdem im September 2017 testweise ein Tempolimit eingeführt worden war, gab es seither keinen einzigen Unfall mehr mit Todesfolge.

In Brandenburg hat man mit einem Tempolimit in einer Testphase ähnlich gute Erfahrung gemacht: Die Zahl der Unfälle konnte mithilfe eines Tempolimits von 654 Unfällen innerhalb von nur drei Jahren auf 337 halbiert werden, wie die Studie des zuständigen Ministeriums in Brandenburg zeigt.

Ohne ein Tempolimit in Deutschland wird diese Bundesregierung auch ihr verpflichtend festgelegtes Ziel zur Verringerung der Verkehrstoten bis 2020 nicht erreichen. Von der Vision Zero, also die Verkehrsunfallopfer mittelfristig auf null zu reduzieren, sind wir ohne ein Tempolimit meilenweit entfernt.

Anrede

Darüber hinaus führt ein Tempolimit zu weniger Staus, zu einem Fahren mit weniger Stress und zu einer Absenkung des Kraftstoffverbrauches. Tempo 120 reduziert nachweislich die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Fahrzeugen auf allen Spuren und verbessert den Verkehrsfluss insgesamt. Überholmanöver mit hohen Geschwindigkeiten erzeugen nicht nur beim Überholenden Stress, sondern auch beim Überholten. Somit gibt ein Tempolimit nachweislich allen Verkehrsteilnehmer*innen mehr Sicherheit. Und klar ist doch auch, dass ein geringeres Tempo die Kapazitäten auf den Autobahnen erhöht.

Für die Verkehrssituation in Deutschland und in Niedersachsen ist es doch bezeichnend, dass man fünf Minuten mit Tempo 200 rasen kann, um anschließend zwei Stunden im Stau zu stehen. Die Testfahrt eines „Rasers“ und eines „Schleichers“ von Füssen nach Flensburg auf rund 1.000 Kilometer hat ergeben: Der Testfahrer mit Bleifuß war 13 Minuten schneller als sein Kollege, der sich an bestehende Tempolimits gehalten hat und auf den freien Abschnitten mit besonnener Geschwindigkeit seine Fahrt fortgesetzt hat. Der Schnellfahrer hat einen wesentlich höheren Kraftstoffverbrauch verursacht.

Doch trotz aller Sachargumente ignorieren Ministerpräsident Weil, sein Stellvertreter Althusmann und die gesamte GroKo die Notwendigkeit eines Tempolimits. Und schlimmer noch: Sie haben keinerlei Sachargumente. Das ist eine schallende Ohrfeige für die Schwerverletzten und für die Angehörigen von Menschen, die ihr Leben durch Geschwindigkeitsbedingte Unfälle verloren haben.

Herr Ministerpräsident, Sie halten ein Tempolimit für überflüssig, weil Ihrer Meinung nach ohnehin keiner mehr schnell fahren kann auf Autobahnen. Ich empfehle Ihnen dann mal einen Blick auf die Realität zu werfen: Laut Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) gilt lediglich auf rund 21 Prozent der Autobahnen ein statisches Tempolimit (dauerhaft oder stationär). Gleichzeitig darf auf mehr als 70 Prozent der Autobahnen grenzenlos geheizt werden. Wir haben in Niedersachsen rund 1.400 Kilometer Autobahn. Laut Anfrage/HAZ-Artikel aus 04/2010 (Anfrage B90/Grüne) und Artikel der WELT aus 09/2012 gibt es auf 290 bzw. 350 Kilometer davon ein Tempolimit. Anteil liegt damit über dem Bundesdurchschnitt bei rund 25 Prozent.

Anrede

Neben den wichtigen Aspekten der Verkehrssicherheit ist das Tempolimit ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und zwar ein Beitrag, der nicht nur weitgehend kostenfrei ist, sondern einfach einzuführen ist und der sofort wirkt. Und genau diese Chance sollten wir nicht leichtfertig vertun. Keine andere Maßnahme im Verkehrsbereich birgt ein so großes CO2-Einsparpotenzial wie ein Tempolimit, dass so schnell einzuführen ist. Ein Tempolimit auf 120 km/h führt zu einer CO2-Minderung von 2,1 bis 2,9 Prozent im Straßenverkehr, was etwa durchschnittlich 3 Millionen Tonnen CO2-Einsparung entspricht. Damit ist die CO2-Einsparung deutlich höher als bei einem Tempolimit mit einer Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h.

Nutzen Sie nun heute Ihre Chance, einen Meilenstein für Verkehrssicherheit und Klimaschutz zu setzen! Senden Sie an die Schülerinnen und Schüler, die Freitag für Freitag für mehr Klimaschutz demonstrieren, und auch an die Bundesregierung ein starkes Signal aus Niedersachsen! Unterstützen Sie unseren Antrag!

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