Detlev Schulz-Hendel: Rede zum Radwegebaubeschleunigungskonzept (Antrag SPD/CDU)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede

Ein Antrag der GroKo in Niedersachsen zum Radverkehr - das hat Seltenheitswert. Und man könnte den Eindruck gewinnen, dass die GroKo ist endlich aus ihrem langen verkehrspolitischen Winterschlaf erwacht. Aber ein genauer kritischer Blick lässt leider nur einen Schluss zu:  SPD und CDU gelingt der nahtlose Übergang vom Winterschlaf direkt in eine bleierne Frühjahrsmüdigkeit: Denn die Radpolitik von SPD und CDU geht weiterhin nur in Tippelschritten voran.

In Ihrem Entschließungstext beschreiben Sie durchaus die richtigen Probleme und die Rückstände Ihrer eigenen Radinfrastrukturpolitik. Sie erkennen auch die Handlungsnotwendigkeiten - und trotz alledem zeigen Sie einmal mehr keinen Gestaltungswillen, sondern wollen munter weiter immer neue Konzepte entwickeln lassen und neue Prüfauftrage vergeben.  Dabei haben wir doch ein Radverkehrsmobilitätskonzept, das Expert*innen über Monate erarbeitet haben und das die Grundlage für zukunftsgewandte Radverkehrspolitik bildet!

Jetzt ist nicht noch mehr Theorie gefragt, sondern Praxis! Wir haben keinen Mangel an Erkenntnis, sondern einen Mangel an der Umsetzung.

Ihr Antrag heute ist ein Feigenblatt! Soll dieser Antrag darüber hinwegtäuschen, dass Sie und insbesondere die CDU gar kein Interesse haben, sich für eine zukunftstaugliche Radpolitik einzusetzen? Das würde auch erklären, warum der Kollege Heineken bei der Podiumsdiskussion der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen lapidar erklärt hat, dass die Kommunen die Radpolitik selbst machen und allein zukunftsfähige Konzepte entwickeln sollen. Es ist unverantwortlich, wie Sie sich aus der Verantwortung für eine gute Radpolitik stehlen wollen.

Anrede,

Gebetsmühlenartig loben Sie sich selbst dafür, dass Sie die Mittel für die Sanierung von Radwegen an Landesstraßen einmalig um 5 Millionen Euro erhöht haben. Das ist zum einen noch lange nicht ausreichend. Und zum anderen ist fraglich, ob Sie diese zusätzlichen Mittel in 2019 auch tatsächlich für Radwege ausgeben werden. Die 5 Millionen können beliebig verschoben und damit auch in den Bau von Landesstraßen enden. Wo das Geld wirklich geblieben ist, dazu werden Sie dem Landtag noch Rede und Antwort stehen müssen.

Ähnlich verhält es sich mit Ihrem Verweis auf die Erhöhung der Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsmittelgesetz: Richtig ist, dass Sie die jährlichen Mittel auf unseren Druck hin von ehemals 123 Millionen Euro auf 150 Millionen Euro erhöht haben. Aber auch hier ist fraglich, ob denn auch nur ein Euro zusätzlich in den Bau neuer Radwege fließen wird oder doch in den Bau neuer Straßen. Wir wollten verbindlich Geld für kommunale Radwege einstellen - 10 Prozent der NGVFG-Mittel, also 15 Millionen Euro im Jahr, sollten allein für Radwege zweckgebunden werden. Das aber haben Sie abgelehnt! Damit Sie weiter so tun können, als ob Sie Radverkehrspolitik betreiben.

Das Fahrradmobilitätskonzept, welches unter Beteiligung von Fachleuten entstanden ist und seit Langem vorliegt, enthält eine Reihe von Maßnahmen, die kurzfristig umzusetzen wären.        Allein der Wille und das Geld fehlen hier! Die Verbände wie auch der ADFC fordern zu recht, dass für jedes Jahr jetzt konkret Vorhaben aus dem Mobilitätskonzept festgeschrieben und mit ausreichend Mittel im Landeshaushalt hinterlegt werden. Aber das wollen Sie vermutlich gar nicht! Sie wollen weiter untätig bleiben. Sie verstecken sich hinter der Forderung nach immer neuen Konzepten und Untersuchungen - und hoffen, so die praktische Radverkehrspolitik auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben zu können. Ich kann Ihnen hier und heute versichern: Nicht mit uns!

Ihre Verkehrsleidenschaft gehört ökologisch und ökonomisch unsinnigen Autobahnneubauten, denen Sie immer mehr an Planungsmitteln zukommen lassen. Ihnen fehlt der Gestaltungswille für eine gute Radpolitik, denn an den Finanzmitteln mangelt es nicht.

Es ist für uns besonders erschreckend, wie schnell auch insbesondere die SPD sich dem Koalitionspartner CDU in Sachen Radverkehr untergeordnet hat. War die SPD noch unter Rot-Grün mit uns gemeinsam proaktiv die Radverkehrspolitik in Niedersachsen voranzubringen, haben Sie sich nun leider sehr schnell aus der konstruktiven Fahrradpolitik verabschiedet.  Da muss man sich schon die Frage stellen, wer in dieser Koalition eigentlich Koch ist und wer Kellner. Der Radverkehr braucht mehr Platz, mehr Geld und mehr Sicherheit. Radverkehrspolitik braucht mehr als eine Shownummer.

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