Detlev Schulz-Hendel: Rede zum Klimaschutz im Bundesverkehrswegeplan (Antrag GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

der Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) weckte bei manchen damals großen Hoffnungen, als er im Jahr 2016 von der GroKo im Bund beschlossen wurde. Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass wir es auch in Niedersachsen mit einem überdimensionierten Straßenbauprogramm zu tun haben, welches unsere Verkehrs- und Stauprobleme nicht lösen wird. Es ist eine Menge passiert seit Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans, zu dem in Niedersachsen die ökologisch und ökonomisch unsinnigen Straßenbauprojekte wie die A 20, die A 39, die A 33 Nord, die Bundesfernstraßen B 65, B 210, B 212 sowie die E 233 gehören. All diese beispielhaft aufgeführten Projekte im vordringlichen Bedarf des BVWP haben eins gemeinsam: Sie führen zu steigenden Treibhausgasen, zu höheren Schadstoffemissionen, sie erhöhen den Flächen- und Landschaftsverbrauch massiv und sind aufgrund ihrer Kostenexplosionen weder umweltpolitisch noch volkswirtschaftlich zu vertreten!

Autobahnneubauten wie die A 20, die A 39 und die A 33 Nord haben bei genauer Kostenbetrachtung einen schlechten Nutzen-Kosten-Wert. Alleine die Kosten für die A 39 liegen nach jetzigem Stand mittlerweile bei rund 1,6 Milliarden Euro und für die A 20 bei rund 3,2 Milliarden Euro, hier kommen nochmal mindestens 1, 5 Milliarden Euro für die Elbquerung hinzu. Ein Ende der Kostenspirale nach oben ist nicht absehbar. Auch für die geplante B 210 neu bei Aurich gehen Experten von mittlerweile 256 Millionen Euro für rund 26 Kilometer aus. Dabei sind auch hier Teuerungsraten noch gar nicht berücksichtigt. Das sind nur drei Beispiele die zeigen, dass die Nutzen-Kosten-Rechnung für alle Straßenbaumaßnahmen in Niedersachsen, die sich im vordringlichen Bedarf befinden, korrigiert werden muss. Das betrifft sowohl die Frage der Baukosten, die Berücksichtigung der Planungskosten, den negativen Nutzen für die Landwirtschaft als auch die Monetarisierung der Eingriffe in Natur und Landschaft.

Wir sollten hier in Niedersachsen die Realitäten endlich anerkennen: Der Bundesverkehrswegeplan ist ein Relikt einer veralteten Denkweise. In den letzten fünf Jahren haben sich Veränderungen ergeben, die auf breiter Ebene eine Bedarfsplanüberprüfung erfordern, die sich an den Klimazielen von Paris, dem Klimapaket der Bundesregierung ebenso orientieren wie an den volkswirtschaftlichen Kosten für gestiegene Lohn-, Energie- und Materialpreise. Diese Landesregierung wäre in der Pflicht gewesen seit ihrem Amtsantritt die Emissionsbelastungen, den Flächenverbrauch sowie Eingriffe in den Wasser- und Naturhaushalt nachzurechnen. Das haben Sie, Herr Minister Althusmann nicht getan, denn ansonsten hätte das Ergebnis die negative Bilanz der steigenden Emissionen und des dramatischen Versiegelungseffektes bestärkt.

Und gerade deshalb ist es so wichtig, dass Niedersachsen jetzt bei der verpflichtenden Bedarfsplanüberprüfung im Bundesverkehrsministerium darauf drängt, dass angesichts des Klimanotfalls in Europa alle Fakten Bestandteil einer Überprüfung werden. Sie, Herr Minister Althusmann, sind jetzt gefordert, Ihren Kollegen Herrn Minister Scheuer aufzufordern, alle Kriterien und Unzulänglichkeiten bei der Bedarfsplanüberprüfung entsprechend zu korrigieren. Bis das geschehen ist erwarten wir von der Landesregierung ein Planungsmoratorium für alle geplanten Straßenneubauten in Niedersachsen, die im vordringlichen Bedarf des BVWP aufgeführt sind. Außerdem erwarten wir eine erneute Prüfung der Alternativen.

Anrede,

wenn Sie den Klimaschutz ernst nehmen und nicht nur darüber reden wollen, dann muss das Ergebnis eine Neuausrichtung des Bundesverkehrswegeplans sein. Wir brauchen einen BVWP, der dem Klimaschutz, dem Gesundheitsschutz und der Unfallvermeidung dient. Der BVWP muss ein Mobilitätsplan werden, der angesichts des Klimanotfalls eine Verkehrswende auch in Niedersachsen in den Vordergrund rückt. Die geplanten Milliarden für die Autobahnneubauten sowie für Bundesfernstraßen in Niedersachsen müssen in wirklich nachhaltige Verkehrsprojekte in Niedersachsen fließen. Dazu zählen verstärkte Investitionen in die Bahn und in den Regionalbahnverkehr ebenso wie bei Bedarf der Ausbau bereits bestehender Verkehrswege. Als Beispiel sei hier der vollständige Ausbau der Bundesstraße 4 zu einer 2 plus 1 Straße genannt. Der Ausbau der Bundesstraße 4 wäre eine überzeugende Alternative zum Neubau der A 39. Doch bevor der Eindruck entsteht, wir lehnen alles im Bundesverkehrswegeplan pauschal ab: Ich kann Sie beruhigen, dem ist nicht so! Wir begrüßen beispielsweise den Ersatzbau der Schleuse in Scharnebeck, die Realisierung des Schienenprojektes Alpha E zwischen Hamburg, Bremen und Hannover sowie den Ausbau der Bahnstrecke Hannover-Bielefeld im Bestand. Auch die Inbetriebnahme stillgelegter Bahnstrecken in Niedersachsen sind gute Alternativen gegenüber dem Neubau von Straßen.

Herr Minister Althusmann, die verpflichtenden Bedarfsplanüberprüfungen geben Ihnen die Chance hier eine mit einer starken Initiative aus Niedersachsen auf die Bundesregierung einzuwirken, mit einer Neuausrichtung des Bundesverkehrswegeplan eine echte Mobilitätswende einzuleiten. Nutzen Sie diese Chance, zeigen Sie Verantwortung und beenden Sie somit endlich Ihre verkehrspolitische Geisterfahrt. Mit unserem Antrag geben wir Ihnen Gelegenheit Ihre stark auf die Straße ausgerichtete Verkehrspolitik zu korrigieren. Herr Toepffer hatte ja erst jüngst für die CDU reklamiert, dass auch die CDU Klimaschutzpolitik betreibt. Herr Toepffer, unser Antrag bietet ihnen nun die Gelegenheit zu beweisen, ob Ihren Ankündigungen nun auch Taten folgen, denn Ihre Regierungsbilanz ist zur Halbzeit in Sachen Klimaschutz bisher erschreckend inhaltsleer.

Vielen Dank.

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