Detlev Schulz-Hendel: Rede zu Scheuers Straßenverkehrsordnung (Aktuelle Stunde GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

die Stadt Garbsen hat mit ihrem Shared Space-Modell des geteilten Verkehrsraums und dem damit verbundenen Tempolimit von 20 km/h ein vorbildliches Mobilitätskonzept auf den Weg gebracht und soll jetzt dafür nach dem Willen der Straßenbaubehörde auch noch bestraft werden, obwohl schon die jetzige Straßenverkehrsordnung (StVO) Spielräume zulässt.

Die Stadt Gartow in Lüchow-Dannenberg bekommt in einem sensiblen Bereich per Einzelfallentscheidung des Ministeriums eine Bedarfsampel für 30.000 Euro, während Tempo 30 mit Kosten von rund 500 € abgelehnt wird.

Die Samtgemeinde Amelinghausen kommt der Pflicht zur Aufstellung eines Lärmaktionsplanes nach und die Gutachter dort fordern Tempo 30, was wiederum von der Straßenbaubehörde abgelehnt wird. Ebenso die Einrichtung einer Bedarfsampel. Was anderswo in Gartow gefördert wird, geht hier nur auf eigene Kosten.

Einige Beispiele von vielen in Niedersachsen, die deutlich machen, dass wir uns dringend um eine zeitgemäße Straßenverkehrsordnung kümmern müssen. Eine StVO, die solche klugen Vorhaben ermöglicht.

Was aber im Bundesverkehrsministerium geschieht, steuert weiterhin auf der Autobahn mit voller Fahrt voraus. Minister Scheuers Flickwerk zur StVO dient einzig dem Zweck, dass sich alle weiterhin dem Primat des Autoverkehrs unterordnen.

Aber sowohl die StVO als auch dessen Ausführungsbestimmungen bedürfen jetzt einer grundlegenden Reform. Wir brauchen eine StVO, die den Fuß- und Radverkehr gegenüber dem motorisierten Verkehr nicht länger eklatant benachteiligt und die den Kommunen deutlich mehr eigenen Gestaltungsspielraum gibt und gute Mobilitätskonzepte der Kommunen nicht im Keim erstickt.

Niemand kann die Verkehrssituationen vor Ort besser einschätzen und bewerten als unsere Kommunen in Niedersachsen.  Kommunen müssen die Möglichkeit haben Verkehrssicherheitszonen einzurichten, in die LKWs ohne Abbiegeassistenten nicht einfahren dürfen. Die Einführung von Tempo 30 oder wie in Garbsen Tempo 20 muss eigenständig durch die Kommune entschieden werden können. Erleichterungen bei der Einrichtung von Fahrradstraßen, Querungshilfen oder das Öffnen von Einbahnstraßen für Radfahrende in die Gegenrichtung sind dringend geboten.

Anrede,

stattdessen denkt sich Scheuer wirklich irrwitzige Dinge aus: Da sollen künftig Busspuren geöffnet werden für Autos mit mindestens drei Personen. Das ist eine ziemlich bescheuerte Idee zur Novellierung der StVO.

Das ist nicht nur hochgefährlich, das torpediert den Sinn von Busspuren – und ist darüber hinaus kaum kontrollierbar. Sollen sich da Leute an die Busspuren stellen und nachzählen, ob in den Pkw drei Menschen sitzen?

Auch die geplanten Änderungen im Bereich der Bußgeldverordnung sind unzureichend. Das Falschparken auf Rad- und Fußwegen sowie in Kreuzungsbereichen ist kein Kavaliersdelikt. Hier werden Menschen dadurch in Gefahr gebracht, dass andere Verkehrsregeln grob missachten. Weiterhin mangelhaft sind beispielsweise die angedachten Regelungen zu Fahrradzonen und zur Ausweitung des Parkverbotes an Kreuzungen.

Herr Ministerpräsident Weil und Herr Verkehrsminister Althusmann, verstehen Sie unsere Aktuelle Stunde als freundliche aber nachdrückliche Aufforderung: Machen Sie bei der bevorstehenden Bundesratssitzung Druck, bringen Sie Scheuer auf Kurs für eine wirklich grundlegende Novellierung der StVO. Zeigen Sie, dass die Landesregierung die Kommunen für die notwendigen Gestaltungsspielräume auch in Niedersachsen unterstützen. Niedersachsen muss im Bundesrat eine starke Stimme für Gesundheits- und Klimaschutz sowie Verkehrssicherheit sein – gerade bei der Reformierung StVO. Wir brauchen endlich eine StVO, die Fahrrad- und Fußverkehrs-freundlich ist. Die StVO darf sich nicht länger dem Primat der Leichtigkeit und der Flüssigkeit des Autoverkehrs unterordnen.

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