Detlev Schulz-Hendel: Rede zu Perspektiven von Innenstädten nach Corona

- Es gilt das gesprochene Wort -

TOP 3a: „Innenstädten nach Corona eine Perspektive bieten!“ (Aktuelle Stunde SPD)

 

Anrede,

richtig ist, dass sich unsere Innenstädte in einer tiefen Krise befinden. Viele Einzelhändler mussten bereits ihre Innenstadtlage aufgeben, andere werden folgen. Die Ursachen dafür sind älter als Corona und vielschichtiger: Es trifft mittlerweile nicht mehr nur die Kleinen - mit der Karstadt-Filiale in Hannover zum Beispiel machte ein Kaufhaus zu, das es hier über 100 Jahre gab. Steigende Mieten, die harte Konkurrenz durch den wettbewerbsverzerrenden Handel der Online-Giganten, fehlende Anschlüsse ans schnelle Netz und unattraktive Innenstädte, die zu reinen Konsummeilen ausgebaut worden sind, die wenig zum Verweilen einladen, und zuletzt jetzt eben auch noch die Corona-Pandemie machen den Innenstädten schwer zu schaffen.

Deshalb ist es grundsätzlich richtig, die Kommunen und Städte zu unterstützen. Das Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ geht in die richtige Richtung, wie auch die EU-Fördermittel für Innenstädte die Ministerin Honé verkündet hat. Das sind im Kern gute Ansätze, die wir Grüne schon lange einfordern.

Anrede,

aber uns allen sollte auch klar sein, dass die komplexe und schwierige Frage der Belebung der Innenstädte mit Geld alleine nicht gelöst wird. Wir brauchen ein ganzes Bündel an Maßnahmen: Wir brauchen ein neues Leitbild in den Städten, das auf Vielfalt setzt und das Innenstädte in Räume verwandelt, wo sich Menschen gern aufhalten. Einkaufsmeilen werden attraktiver, wenn wir sie mit Kunst, Kultur und konsumfreien Aufenthaltsplätzen, vor allem auch für Kinder, verbinden. Ohne Wohnen haben unsere Innenstädte keine Zukunft. Deswegen müssen wir die seit Jahren ständig weiter steigenden Mieten stoppen.  Wir brauchen ein Umdenken bei der Mobilität – so wie andere erfolgreiche Städte, die immer mehr auf Rad- und Fußverkehr setzen. Je weniger Autos in den Innenstädten unterwegs sind, desto besser sind Lebens- und Aufenthaltsqualität. Wir müssen aber auch die Wettbewerbsnachteile für den stationären Handel beseitigen, indem alle endlich Anschluss ans Glasfasernetz haben und indem wir die Bevorzugung der großen Digitalgiganten mit einer Digitalsteuer beenden.

Und da ist es mir doch etwas zu durchsichtig, dass die SPD mit dieser Aktuellen Stunde bei diesem wichtigen Thema offenbar den Termin der Bundestagswahl im Kopf hat. Auf der Seite des Bundesinnenministeriums liest man, dass die Antragsfrist für das Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ am 17.09. endet. Also in drei Tagen!

Das ist nicht seriös, da hätte ich etwas mehr Fingerspitzengefühl von erwartet.

Das führt mich zu der Frage, was das Land eigentlich in der wichtigen Frage, wie beleben wir unsere Innenstädte und machen sie lebenswerter, eigentlich in der letzten Zeit so tut?

Bis auf das Loben von EU- und Bundesmitteln leider reichlich wenig:

Erstens: Grundlegende Ansätze fehlen weiterhin, wie bspw. eine Landeswohnungsbaugesellschaft für mehr bezahlbaren Wohnraum. Denn hier kommt der alte Streit in der GroKo zum Vorschein: Für sinnvolle Zukunftsinvestitionen in unsere Städte ist kein Geld da, da macht Sparminister Hilbers die Kasse zu. Wir haben es hier im Parlament schon häufig erlebt, bei der Frage prallen zwei völlig unterschiedliche Ideen von Investition und Sparen aufeinander. Ein Gegensatz, der diese Landesregierung im Kern spaltet.

Zweitens: bei den wichtigen Fragen zur Mobilität in den Städten durften wir in den letzten Wochen erleben, wie rückwärtsgewandt Verkehrsminister Althusmann denkt und handelt. Sei es beim Thema Tempo-30-Zonen, wo es seit über einem halben Jahr in Hannover keine Bewegung gibt, oder sei es beim angeordneten Rückbau des Pop-up-Radweges in Hannover am Schiffgraben, der ausdrücklich von der neuen Straßenverkehrsordnung zugelassen ist. Gleich zweimal eine Rolle rückwärts bei der Verkehrspolitik. Verhindern statt gestalten, scheint das Motto dieser Landesregierung zu sein.

Und drittens die Frage der autofreien oder autoarmen Innenstadt. Wie aufgeregt wurden hier in Hannover die Experimentierräume vor der Kommunalwahl kritisiert. Es geht doch darum zu erfahren, welcher Zugewinn sich für den Erlebnisraum Innenstadt ergibt und damit auch für den Handel in den Innenstädten. In vielen Städten wie Hannover, Göttingen oder Osnabrück, aber auch in Städten wie Lüneburg, Goslar oder anderswo in Niedersachsen gibt es immer weniger reine Versorgungseinkäufe, vielmehr geht es zunehmend um das Erlebnis Einkaufen. Dabei geht es darum, dass Projekte und Bühnen beispielsweise für kulturelle Angebote im städtischen Raum geschaffen werden sollten.  Wir brauchen also deutlich mehr Platz für das Rad und den Fußverkehr. Darüber sollten wir uns ernsthaft unterhalten, und zwar nicht nur vor Wahlen.

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