Detlev Schulz-Hendel: Rede zu den Haushaltsberatungen 2020 – Schwerpunkt Wirtschaft, Verkehr und Digitalisierung

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

400.000 mehr Autos in 2019 gegenüber 2018, also rund 4,8 Millionen Autos in Niedersachsen, die unsere Straßen zunehmend verstopfen. Dass es mit dem Verkehr so nicht weiter gehen kann wie bisher, ist nicht erst seit dem Klimanotfall in Europa klar.

Wir brauchen weniger Verkehr, weniger Autos und weniger Autostraßen. Wir brauchen keine ökologisch und ökonomisch unsinnigen Autobahnneubauten wie die A 39, die A 20 oder die A 33 Nord.

Mumford, ein US-Amerikanischer Wissenschaftler, hat es mal auf den Punkt gebracht: „Mehr Straßen bauen, um mit den Staus fertig zu werden, ist wie den Gürtel zu lockern, um die Gewichtszunahme zu bekämpfen.“

Anrede,

auch Ihr dritter Haushalt in Folge ist weit von einer echten Mobilitätswende entfernt, auch wenn Sie immer wieder mal gerne darüber reden.

Wir haben Ihnen viele wichtige Impulse gegeben, die Sie leider bis heute ungenutzt liegen lassen haben.

So haben wir bereits im Januar einen Antrag auf die Einführung eines Schülertickets für 365 €, auch für FSJler*innen, Bufdis und Auszubildende pro Jahr gefordert, um jungen Menschen ein ökologisch sinnvolles Angebot zu machen und auf ihre Mobilitätsbedürfnisse einzugehen. Doch während in Hessen genau dieses Angebot ein Erfolgsmodell ist und obwohl sich ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Handwerk und Anderen sich hinter unserem Antrag versammelt haben, wird es von der GroKo weiter verschleppt, verzögert und blockiert.

Wir haben Ihnen vorgeschlagen zunächst mit 20 Mio. Euro in 2020 endlich zu beginnen. Und auch mit unserer zweiten Forderung der kostenlosen Schülerbeförderung für Alle haben Sie offensichtlich nichts am Hut. Auch hier haben wir vorgeschlagen in 2020 zunächst rund 31 Mio. Euro bereit zu stellen.

Auch bei der Fortsetzung zur Reaktivierung von Bahnstrecken stehen Sie nun seit 2 Jahren auf der Bremse und haben keinen Plan.

Und auch wenn nun endlich der Bund plant für die Reaktivierung Mittel bereitzustellen, befreit Sie das nicht von der Eigeninitiative seitens der Landesregierung, denn Streckenreaktivierungen sind gerade in ländlichen Räumen ein wichtiger Baustein zur nachhaltigen Mobilität.

Streckenreaktivierungen sind auch ein Beitrag zur Entlastung unserer Städte vom individuellen motorisierten Individualverkehr. Wir fordern hierfür in den nächsten 3 Jahren 220 Mio. Euro. 

Anrede,

Die Mobilitätswende beginnt in den Kommunen. Das Land ist in der Pflicht die Kommunen bei der Umsetzung stärker als bisher zu unterstützen. Wir fordern ein neues ÖPNV-Sonderprogramm mit zusätzlich 50 Mio. Euro. Denn die Kommunen als Aufgabenträger des ÖPNV brauchen deutlich mehr Mittel für Qualitätsverbesserungen und Verlässlichkeit im ÖPNV.  Dazu zählen Bushaltestellen, Bike and Ride Anlagen, der barrierefreie Ausbau, die Schaffung von Mobilitätszentralen ebenso wie die Vernetzung von Bürgerbusmodellen in den ÖPNV dazu.

Der Modal Split Anteil – also die Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel – beträgt für den ÖPNV nur 7 Prozent.

Das müssen wir deutlich steigern. Der Anteil des Radverkehrs am Modal Split beträgt nicht zuletzt dank der grünen Impulse in der vorherigen Rot-Grünen Koalition immerhin 15 Prozent. Leider wurden Förderprogramme ausnahmslos kurzerhand durch CDU und SPD eingestampft, gekürzt und zusammengeschrumpft. 

Dabei gibt es ein riesiges Potenzial für ein weiteres Wachstum des Radverkehrs. Das bedarf aber zeitgemäße und attraktive Rahmenbedingungen, die Sie, liebe CDU und SPD, leider zugunsten des Straßenbaus nicht setzen.

Gleichwohl soll natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass ich Ihnen durchaus dankbar dafür bin, dass Sie immerhin mit 4 Mio. zusätzlich für Radwege an Landesstraßen über ihre politische Liste einen kleinen Teil der fahrradunfreundlichen Politik Ihres Verkehrsministers korrigiert haben. Und wir bleiben dabei: Radschnellwege müssen wir als Landesaufgabe verankern und mit jährlich 10 Mio. Euro verstetigen.

Nehmen Sie den Klimawandel endlich ernst und sorgen Sie für eine nachhaltige Stärkung des ökologischen Verkehrsmittel Rad. Angebote dazu haben wir Ihnen reichlich gemacht:

100.000 € für Maßnahmen, die der Sicherheit von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen dienen

5 Mio. Euro für die Umsetzung von Projekten aus dem Fahrradmobilitätskonzept

15 Mio. Euro zweckgebunden für die Verbesserung der Radinfrastruktur in den Kommunen

zusätzlich 25 Mio. Euro für den Neubau, den Ausbau und die Sanierung von Radwegen an den Landesstraßen.

Ihre Verkehrspolitik bleibt dagegen schlichte Magerkost ebenso wie Ihre Digitalisierungspolitik. Jüngstes Beispiel ist der Antrag der GroKo zur Netzausbauoffensive im ländlichen Raum, der einer Realsatire gleicht. Klaglos und ohne erkennbares Engagement nimmt Minister Althusmann das Versagen von Scheuer beim Breitbandausbau und beim Ausbau des Mobilfunknetzes hin. Dabei haben wir Ihnen mit unserem Antrag die Chance eröffnet, bei der Frequenzversteigerung der 5G Netze die richtigen Impulse zu setzen.

Zu nennen wären da ein verpflichtendes Inlands Roaming oder der Rechtsanspruch auf schnelles Internet für alle. Seit der Erstellung des Masterplans Digitalisierung ist in Niedersachsen aber nichts passiert.

Die Funklöcher sind gezählt, doch kein einziges ist beseitigt, der Breitbandausbau geht nur schleppend voran und die GroKo agiert wie in einer Selbsthilfegruppe, die verzweifelt nach einem Ausweg sucht, während man das Versagen im CSU geführten Ministerium in Berlin klaglos zur Kenntnis nimmt, anstatt mit starken Bundesratsinitiativen aktiv zu werden.  Wir fordern für die nächsten 3 Jahre jeweils rund 113 Mio. Euro aus den Versteigerungserlösen der 5G Netze. Denn beim Breitbandausbau und beim Ausbau des Mobilfunknetzes handelt es sich prinzipiell um eine Bundesausgabe.

Ihr jetziger Antrag ist schon nach 2 Jahren das Eingeständnis mit der Digitalisierungsaufgabe gescheitert zu sein. Gerade zu verheerend für die Menschen und Unternehmen in den ländlichen Räumen.

Anrede,

In der Wirtschaftspolitik ist ein Umdenken erforderlich, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden.

Wirtschaftswachstum steht nicht über allem, insbesondere, wenn die Kosten für Mensch und Umwelt angesichts des Klimawandels nicht eingepreist sind. Wir wollen dieses Umdenken mit 150.000 Euro im Haushalt fördern und stärken, indem wir Kommunen aber auch klein- und mittelständische Unternehmen bei der Aufstellung von Gemeinwohlbilanzen unterstützen.

Es ist wichtig und richtig, dass Unternehmen sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt sowie Klimafolgen analysieren.

Und auch bei der Wirtschaftsförderung bleibt Niedersachsen deutlich hinter den Notwendigkeiten zurück. Der Frauenanteil bei Gründungen und Startups liegt bei nur 27 Prozent. Dem Wirtschaftsministerium fehlt komplett der Überblick, welche Startups und Gründungen dem nachhaltigen Bereich zuzuordnen sind.

Gezielte Förderungen gerade in diesem Bereich leider nur Fehlanzeige. Förderung von Taxenunternehmen bei der Umstellung auf E-Mobilität ebenfalls Fehlanzeige.

Alles in allem bleibt festzustellen, dass Ihr Haushalt einmal mehr altbackene Betonpolitik ist, ohne neue Akzente für den Klimaschutz. Bei der Wirtschaftsförderung setzen Sie falsche Schwerpunkte und bei der Breitbandversorgung und dem Mobilfunkausbau haben Sie einen Offenbarungseid abgeliefert.

Vielen Dank.

Zurück zum Pressearchiv