Detlev Schulz-Hendel: Rede "Gemeinwohlbilanz-Pilotprojekte als Niedersächsisches Markenzeichen etablieren" (Antrag GRÜNE - TOP 10)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

im November letzten Jahres haben wir unseren Antrag „Gemeinwohlbilanz-Pilotprojekte als Niedersächsisches Markenzeichen etablieren“ in den Landtag eingebracht. Und so schnell kann es manchmal gehen, heute haben wir bereits die abschließende Beratung, und ich verrate kein Geheimnis, die GroKo und die FDP werden unseren Antrag ablehnen. Leider wurden die drei Monate keineswegs für eine notwendige vertiefte Debatte zur Sache genutzt, vielmehr sollte das unliebsame Thema mit dem heutigen Tage schnell abgeräumt werden. Und wenn ich ehrlich bin, meine Erwartungen was die Haltung von FDP und CDU zum Thema anging waren von Beginn gering, auch wenn es immer wieder progressive Kommunalpolitiker*innen bei der CDU gibt, die sich für die Idee der Gemeinwohlökonomie erwärmen können. Aber in der Landespolitik dominiert das Festhalten an überholten Strukturen, die Wirtschaft ist da oft viel weiter, als die Rhetorik und Programmatik der CDU in diesem Hohen Hause.

Anrede,

die Ignoranz der SPD, wie sie unseren Antrag in Bausch und Bogen mit einer Vehemenz abgelehnt haben, hat mich schon etwas überrascht. Sie haben doch in Ihrer Partei etliche Politikerinnen, die sich für das Thema Gemeinwohlökonomie einsetzen. Nehmen wir z.B. Matthias Miersch, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion. Er schreibt in seinem Thesenpapier zur Erneuerung der SPD: „Die planetaren Grenzen müssen wir akzeptieren und daran unsere politischen Instrumente ausrichten, um angesichts endlicher Ressourcen Verteilungsgerechtigkeit zu garantieren. […] Wir ziehen die richtigen Lehren aus dem neoliberalen Zeitalter und werden auf dem Feld der Wirtschaftspolitik einen Gegenentwurf zu neoliberalen Konzepten formulieren. Es ist bezeichnend, dass die Berichterstattung über Aktienkurse regelmäßig in den Medien einen breiten Raum einnimmt, ohne andere Werte zu berücksichtigen. Unternehmen sollen in die Lage versetzt werden, neben monetären Unternehmenszielen auch gesellschaftliche Gemeinwohlinteressen zu verfolgen. Wir brauchen eine Debatte über alternative Wirtschaftsmodelle, nachhaltige Gesellschaftsformen und über die Beschränkung der Marktmacht bestimmter Unternehmen.“

(Quelle: Zwölf Thesen für die inhaltliche Weiterentwicklung

der SPD: Zusammenhalt und Zukunftsfähigkeit von Nov. 2017)

 

Das klingt anders als die SPD hier im Landtag, Herr Pantazis. Noch ein Beispiel gefällig, lieber Kollege Pantazis?  Der Koalitionsvertrag in Hamburg von Grünen und SPD:

 

„Die Bewertung des Unternehmenserfolgs von öffentlichen Unternehmen geht über die bilanzielle

Entwicklung hinaus. […] Bei einem öffentlichen Unternehmen soll darüber hinaus ein Pilotprojekt einer Gemeinwohlbilanzierung gestartet werden. Diese Ansätze unserer gemeinwohlorientierten und nachhaltigen Beteiligungspolitik wollen wir konsequent weiterentwickeln. […] Nach positiver Evaluation wollen wir das auf alle öffentlichen Unternehmen ausdehnen.“ (S.21)

Anrede,

Das klingt fast genauso wie unser Entschließungsantrag, in Hamburg scheinen die Genossinnen und Genossen schon weiter zu sein.

Denn es ist weiten Teilen der Gesellschaft klar, ein Weiter-So in der Wirtschaftspolitik kann und darf es nicht geben. Gerade in der derzeitigen Wirtschaftskrise zeigt sich, Rendite ist nicht alles. Es wird gerade sehr deutlich, dass die Resilienz der Wirtschaft gegenüber globalen Krisen gestärkt werden muss. Dafür kann die Gemeinwohlökonomie (GWÖ) einen wichtigen Beitrag leisten. Jetzt besteht die Chance auf eine Neuausrichtung der Wirtschaft, die krisenfester, klimabewusster und sozialer agiert.

Das Ziel der GWÖ ist genau das abzubilden, damit eine möglichst verantwortungsvolle Wertschöpfung in der Wirtschaft möglich wird, die soziale und ökologische Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeit in die Unternehmensbilanz einbezieht. Wir wollen Unternehmen in Niedersachsen auf diesem Weg finanziell im Rahmen von Pilotprojekten unterstützen. Ebenso wollen wir vier Unternehmen mit Landesbeteiligung im Rahmen eines Gemeinwohl-Auditoriums bilanzieren. Das Land muss hier mit gutem Beispiel vorangehen und den innovativen Ansatz der Gemeinwohlbilanz unterstützen. Es ist ja nicht so, dass hier in Niedersachsen nicht viel passiert. Ortsgruppen der GWÖ-Initiativen entstehen und wachsen und immer mehr Unternehmen interessieren sich für die Gemeinwohlökonomie. Ich will beispielhaft die Voelkel GmbH aus Lüchow-Dannenberg nennen. Mit 350 Mitarbeiter*innen und einem Jahresumsatz von fast 90 Millionen Euro in Jahr 2020 ist der Getränkehersteller ein Großunternehmen und der erste Getränkehersteller in Deutschland, der sich einer GWÖ-Bilanzierung unterzogen hat. Wie man an diesem und anderen Trendsetter-Unternehmen sehen kann, wie auch der Sparda Bank in München, drängt die Gemeinwohlökonomie in die Mitte der Gesellschaft. Deshalb wollen wir Grüne diesen Ansatz weiter stärken und unterstützen. Ich bedaure es sehr, dass wir im Ausschuss, aber auch in Plenum fast in Endlosschleife die Debatten von vor zwanzig Jahren wiederholen müssen.

Rendite ist kein Selbstzweck, die Wirtschaft muss den Menschen dienen und nicht anders herum. Und langfristig bedeutet das, dass Klimaschutz und der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen essentiell für das Fortbestehen der Menschen ist! Hier muss die Wirtschaft ihren Teil beitragen, dafür ist die GWÖ ein wichtiger Ansatz.

 

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