Detlev Schulz Hendel: Rede "Durch Zukunftsplan Öffentlichen Personennahverkehr sichern" (TOP 26)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede

Die Corona Pandemie hat alle Pläne für eine nachhaltige Mobilitätswende auf den Kopf gestellt. Die negativen Auswirkungen sind bereits jetzt spürbar und werden sich auch in den nächsten Jahren auf den ÖPNV auswirken. Im besten Fall sind es zwei verlorene Jahre, aber im schlimmsten Fall verlieren wir ein halbes Jahrzehnt. Deshalb bedarf es jetzt Strategien und Maßnahmen, um auch über die Krise hinaus den ÖPNV zu stärken und das mehr als bisher.

Unser Antrag ist auch heute so wichtig und aktuell wie bei der Einbringung im Mai. Es ist richtig, dass Bundesmittel in Höhe von 220 Millionen Euro in Niedersachsen zur Verfügung stehen und es ist auch richtig, dass diese Mittel um weitere 190 Millionen aus Landesmitteln aufgestockt worden sind. Und natürlich begrüßen wir ausdrücklich, dass die Landesregierung die entstandenen aktuellen Schäden in der Krise mit vorgezogenen Zahlungen an die kommunalen Aufgabenträger versucht hat auszugleichen. Aber es verbleiben erhebliche Zweifel, ob diese Ausgleichsmittel ausreichen werden, um die Ausfälle der Verkehrsunternehmen zu kompensieren.

Allein die Üstra beklagt in Hannover Corona bedingte Ausfälle in Höhe von 80 Millionen Euro, von denen laut HAZ bisher nur 30 Millionen Euro abgedeckt worden sind. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass hier ein 100 Prozent Ausgleich erfolgt, zumal auch andere Kommunen in Niedersachsen erhebliche Ausnahmeausfälle im ÖPNV beklagen.

Schon jetzt berichten Kommunen als Aufgabenträger, aber auch Eisenbahnverkehrsunternehmen von einer schwierigen Lage, die nicht nur aktuell in der Krise Antworten fordert, sondern auch darüber hinaus. Und da reicht es nicht, Herr Minister Althusmann, am Jahresende mal zu gucken, wie entwickelt sich die Situation im nächsten Jahr. Wir brauchen jetzt einen ÖPNV-Zukunftsplan, der Antworten auf die Krise jetzt im ÖPNV, aber auch für die Zeit nach der Krise gibt. Wenn wir jetzt nicht handeln, fallen wir zurück in eine alte überholte aufs Auto ausgerichtete Verkehrspolitik und wenn wir jetzt nicht handeln, wird das gesamte ÖPNV-System fragil. Leistungsabbestellungen und Einschränkungen der Angebote wären die Folge.

Anrede

Was braucht es also für einen ÖPNV-Zukunftsplan: Natürlich an erster Stelle einen bestmöglichen Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter*innen und für die Fahrgäste.

Eine umfassende Mobilisierungskampagne ist unerlässlich. Die Imagekampagnen „besser weiter“ von Bund und Ländern sowie „Wir tragen Maske“ in Zusammenarbeit mit dem VDV sind gut, aber eben auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir brauchen dauerhafte Gesundheitsschutz und Hygienekonzepte in Bus und Bahn, zum Beispiel durch bessere Filteranlagen. Schon vor der Krise war klar, dass der ÖPNV deutlich attraktiver werden muss, dieses verstärkt sich nun durch die Krise. Und da genügt es nicht, Herr Minister Althusmann, sich ständig selbst zu loben und Ankündigungen zu machen. Da brauchen wir mehr als die Lippenbekenntnisse aus dem Ministerium. Es nützt nichts, wenn Sie im Ausschuss berichten lassen, dass Sie das längst auf Ihrer To-do-Liste stehen haben, wenn von einer Umsetzung auch drei Jahre nach Ihrem Amtsantritt wenig im Alltag und in der Praxis zu sehen ist.  Attraktiver wird der ÖPNV u.a. durch eine niedersachsenweite App zur digitalen Information und zum Online-Ticket-Kauf für alle ÖPNV-Angebote. Der Flickenteppich an Tarif- und Vertriebsstrukturen, den wir uns in Niedersachsen leisten, ist höchst unattraktiv für Fahrgäste, und verhindert die Notwendigkeit, mehr Menschen für den ÖPNV zu gewinnen. Sie haben aber nun jüngst im Ausschuss ankündigen lassen, dass Sie diese Aufgabe in dieser Legislaturperiode gar nicht angehen wollen.

Von einem innovativen Schülerticket haben Sie sich quasi komplett verabschiedet, auch wenn Sie nun ab Dezember ein U 21 Freizeitticket einführen, das aber nicht die Probleme von Schüler*innen, Auszubildenden sowie jungen Menschen in den freiwilligen sozialen Diensten löst. In einer Unterrichtung hat Ihr Ministerium sogar von der Ablehnung einer Vollkasko-Mentalität gesprochen. Mit dieser Argumentation verhindern Sie komplett, dass auch mehr junge Menschen den ÖPNV nutzen. Bessere Taktungen, Comfort-Check-in - wie im ICE - auch im Nahverkehr, Reaktivierung von Bahnstrecken, bei allen diesen notwendigen Maßnahmen stehen Sie aktuell mit beiden Füßen auf der Bremse. Ihr Steckenpferd bleibt ausschließlich der Straßenneubau. So, Herr Minister gestalten Sie keine Zukunft.

Und dass der ÖPNV trotz aller Widrigkeiten irgendwie noch ein bisschen funktioniert, ist dem außerordentlichen Engagement der Kommunen, der Verbände und der Verkehrsunternehmen und hier vor allem der Beschäftigten zu verdanken. Herr Minister, nehmen Sie sich das Lied „in der Spur“ des Kabarettisten Matthias Brodowy in Zusammenarbeit mit der LNVG zu Herzen und fangen Sie an, für die Zukunft des ÖPNV zu handeln.

 

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