Christian Meyer: Rede zur Standortsuche eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle

- Es gilt das gesprochene Wort -

Rede TOP 27: Standortsuche eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle – die Rolle Niedersachsens im Auswahlverfahren (Antrag SPD, CDU, Grüne, FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Grüne Spinner“, „unappetitliches Pack“ das sind die Begriffe, mit denen wir Grünen und Atomkraftgegner bezeichnet wurden. Letzteres anlässlich des Castor-Transports 1996 von niemand geringerem als dem damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther, der später übrigens wegen der Spendenaffäre der hessischen CDU sein Amt niederlegen musste.

Am 28.September 2020, wenn die Teilgebiete für die Endlager-Suche veröffentlicht werden, werden wohl in den ausgewählten Gebieten auch die Letzten vielleicht keine AtomKRAFTgegner, aber zumindest AtomMÜLL-Gegner sein. Und das ist auch verständlich. Kein Mensch will ein Atommüllendlager in seiner Nähe haben. Diese simple Erkenntnis wäre Grund genug gewesen, auf Atomkraft zu verzichten. Hat man aber nicht, und nun muss für den Müll aus 1900 Castoren bundesweit ein Endlagerstandort gesucht werden. Und zwar in nationaler Verantwortung und das ist richtig so. Wir können den deutschen Atommüll nämlich nicht in ärmere Staaten verschicken oder in Diktaturen, in denen Kritiker mundtot gemacht werden.

Allzu schnell könnte der Atommüll zum Bespiel in Form einer schmutzigen Bombe wieder auf unseren Köpfen landen.

Also: Was tun?

Es richtig, dass ein Neustart der Standortsuche begonnen wurde. Es ist richtig, dass dieses Verfahren transparent und partizipativ sein soll. Es soll ein „lernendes Verfahren“ sein. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen einfließen können, Rücksprünge im Verfahren sollen möglich sein.

Aber all das ist noch nicht gewährleistet, das muss bei der Umsetzung des Gesetzes erstritten werden.

Die Betroffenen in den Regionen werden mit ihrer kritischen Haltung und dem Wunsch kein Endlagerstandort zu werden, die wahren Wächter des Verfahrens sein. Sie werden jede Studie lesen, jeden geologischen Bericht von Wissenschaftlern gegenprüfen lassen. Und das ist richtig so:

Denn bislang gilt bei der Endlagersuche:

Nur Misstrauen hat bisher zu Sicherheitsgewinnen geführt und nicht blindes Vertrauen. Sonst läge der Atommüll schon längst im Salzstock Gorleben, über den die Elbe fließt, der ohne Deckgebirge, keinen Schutz vor dem Austritt der Radioaktivität bietet. Der durchzogen ist mit Laugennestern und unter dem Gasvorkommen liegen.  Ohne diesen ungeeigneten Standort wäre es leichter, Vertrauen in den Neustart zu haben.

Aber damit die anderen Bundesländer überhaupt mitmachen, musste Gorleben zunächst im Verfahren bleiben. Wir betonen im Antrag: Gorleben kann in jeder Phase des Verfahrens ausscheiden, denn es ist laut Gesetz kein Referenzstandort.

Wir brauchen auch mehr Ehrlichkeit in der Endlagerdebatte: Das Standort-Auswahl-Gesetz (StandAG) ist vielleicht wissenschaftsbasiert, aber nicht rein wissenschaftlich. Es gab ein politisches Ringen bei den Formulierungen zu fast jedem Satz. Und ob wir Transparenz bekommen, wird sich in der Ausführung des Verfahren zeigen. Nehmen wir das Geologiedatengesetz: Im Juli 2020 erst beschlossen, doch leider ein Kompromiss dahingehend, dass nur Daten in öffentlicher Hand veröffentlicht werden, die der Unternehmen erst 30 Jahre nach Erhebung. Das hat mit Transparenz nicht mehr zu tun. Und ich bin sicher, dass die betroffenen Regionen das nicht hinnehmen werden und wie wir in dem Antrag eine Novelle des GeoDatengesetzes fordern.

Transparenz von Anfang an ist nämlich die Garantie dafür, dass ganz zum Schluss eine Nachvollziehbarkeit der Auswahl gegeben ist. Und die ist Grundvoraussetzung für Akzeptanz oder zumindest Toleranz der Entscheidung.

Ein kleines Beispiel warum man das Verfahren jetzt nicht einfach so laufen lassen kann, sondern sich einmischen muss:

Die Teilgebiete sollten ursprünglich am 30.September verkündet werden und knapp drei Wochen später sollte schon die erste Teilgebietskonferenz stattfinden. Nur durch den Druck der Bürgerinitiative Umweltschutz aus Lüchow-Dannenberg, die sich nicht nur gegen Gorleben, sondern auch für ein taugliches Verfahren einsetzt, ist über den Sommer erstritten worden, dass an diesem Termin zunächst nur eine Auftaktveranstaltung stattfinden soll. Denn wie sollen sich Menschen, die sich noch nie mit dem Thema Endlagerung befasst haben, in drei Wochen durch einen mehrere Seiten starken Bericht gearbeitet haben, um sich dann zu beteiligen?

Und so muss vieles an diesem Verfahren verbessert werden, denn nur mit dem bestmöglichen Verfahren, kann man den bestmöglichen Standort finden.

Ich freue mich, dass es uns gelungen ist mit allen demokratischen Fraktionen ein Bekenntnis zu dem neuen Verfahren abzugeben und gleichzeitig Verbesserungen im Sinne eines lernenden Verfahrens zu fordern.

Jetzt in der Coronazeit muss zum Beispiel das ganze Thema Partizipation neu gedacht werden. Wir brauchen mehr Zeit, um Veranstaltungen durchzuführen. Wir können nicht auf Räume für den Austausch und die Diskussion verzichten. Partizipation ist nämlich nicht Menschen mit Daten zuzuschütten, sondern sie gemeinsam durchzuarbeiten.

Einen Satz hört man immer wieder:

„Irgendwo muss der Müll ja hin.“ Er muss nicht „Irgendwo hin“, sondern an den am besten geeigneten Standort. Und deswegen sagen wir: „Mischt euch ein vor Ort, helft, damit das Auswahlverfahren besser wird. Aber blockiert das Verfahren nicht einfach.“

Die Betroffenen müssen echte Beteiligungsmöglichkeiten haben, damit sie nicht im Nachhinein feststellen müssen: Das war eine Scheinbeteiligung, unsere Anliegen wurden missachtet. Nur so, kann ein erneuter, Jahrzehnte dauernder, gesellschaftlicher Konflikt wie in Gorleben vermieden werden.

Wir werden das Thema hier weiter diskutieren müssen.

 

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