Christian Meyer: Rede zur Großen Anfrage "Moorschutz ist Klimaschutz"

 

TOP 19: Große Anfrage  Moorschutz ist Klimaschutz: Was tut das Land, um klimaschädliche Emissionen aus Mooren und Moorböden zu senken?

TOP 20: Moorschutz = Artenschutz + Klimaschutz. Moore als natürliche Kohlenstoffspeicher erhalten und eine nachhaltige Nutzung fördern

- Es gilt das gesprochene Wort -

(Anrede)

Niedersachsen ist Moorland Nr. 1. Bei uns liegen rund 73 Prozent aller Hochmoore und 18 Prozent der Niedermoore. Intakte, naturnahe Moore sind echte Multitalente der Natur:

  • Lebendige Moore sind Hotspots der Artenvielfalt und bieten Lebensraum für zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten.
  • Nasse Moore sind Klimaretter: Sie binden in ihrem Torfkörper große Mengen CO2 und wirken so als natürliche Kohlenstoffspeicher. In 30 cm Torf ist auf gleicher Fläche mehr CO2 gebunden wie in einem hundertjährigen Wald.
  • Zudem sind Moore riesige Wasserspeicher, die Niederschläge in der Fläche zurückhalten und unsere Grundwasserreserven auffüllen.

Also Moore sind unsere besten Klimaschützer und Wasserretter.

Aber in welchem Zustand sind die Niedersächsischen Moore? Wie ist ihre aktuelle Klimabilanz? Und was tut die Große Koalition, um das enorme Potential der Moore für den Klimaschutz zu nutzen? Dazu haben wir eine Große Anfrage an die Landesregierung gerichtet.

Das Fazit der Großen Anfrage ist ernüchternd. Das Potential der Moore als natürliche Klimaschützer wird in Niedersachsen bei weitem nicht ausgeschöpft. Die Zuständigkeiten sind zersplittert. Gerade mal eine halbe Stelle im MU kümmert sich um das Programm Niedersächsische Moorlandschaften.

Dabei bestehen rund 10 Prozent der Landesfläche Niedersachsens aus Hochmooren, Niedermooren und weiteren kohlenstoffhaltigen Böden. In manchen Landkreisen über 30 Prozent. Große Teile des Landes wurden erst durch die Entwässerung von Moor- und Marschgebieten urbar gemacht. Ein Beispiel ist der Emsland-Plan, mit dem seit den 1950er Jahren in einem Mega-Projekt Moore entwässert und somit Flächen für Landwirtschaft und Siedlungen gewonnen wurden. Damals hieß es: „Wasser muss weg“, Böden trockneten aus.

Und genau das ist aus Sicht des Klimaschutzes längst zu einem großen Problem geworden. Die niedersächsischen Moore und Moorböden sind in einem schlechten Zustand und deshalb eine massive Quelle für Klimaemissionen.

  • Die großflächige Entwässerung lässt die Moore trockenfallen. Moore bestehen aus Torf. Fällt der Torfkörper trocken, zersetzt er sich und dabei wird CO2 freigesetzt. In Niedersachsen entfallen insgesamt rd. 28 Mio. t CO2-Äquivalent und damit 28 Prozent der Treibhausgas-Emissionen pro Jahr auf die Landwirtschaft. Die Moorgebiete in Niedersachsen emittieren jährlich ca. 10,6 Mio. t CO2-Äquivalente (ohne Torfnutzung). Der Verwendung von Torf, die im Erwerbs- und Hobbygartenbau vor allem auch außerhalb Niedersachsens stattfindet, sind rd. 1,7 Mio. t CO2-Äquivalent zuzurechnen. Damit emittieren unsere Moore in Niedersachsen mit 11 Prozent der Treibhausgasemissionen fast 2/3 soviel CO2 wie der Verkehrssektor (17 Prozent). Man darf den Moorschutz daher nicht beim Klimaschutz vernachlässigen.
  • Auch ökologisch ist der Zustand unserer Moore fatal. Mehr als 80 Prozent sind zerstört, nur ein knappes Fünftel der niedersächsischen Moore befindet sich noch in einem naturnahmen Zustand, der größte Anteile dieser Flächen stehen heute unter Naturschutz.
  • Die Zersetzung wird dort noch beschleunigt, wo Moorböden bewirtschaftet werden. 79 Prozent der niedersächsischen Moorböden werden land- und forstwirtschaftlich genutzt.

·       Geschädigte Moore schaden dem Klima: Die Emissionen aus Mooren und Moorböden machen in Niedersachsen 11Prozent der landesweiten Klimaemissionen aus. Ein Rückgang konnte bislang nur minimal erreicht werden.

Das Problem bei Mooren: „Weg ist weg“. Selbst nach einer erfolgreichen Wiedervernässung wachsen Moore nur extrem langsam: Pro Jahr nur um einen Millimeter. Ein 2 Meter dicker Torfkörper braucht also 2000 Jahre bis er wieder soviel CO2 gebunden hat, wie vorher.

Wo Moore durch Bewirtschaftung degenerieren oder durch Torfabbau abgetragen werden, sind sie als Klimaspeicher verloren.

Die Lösung: „Moor muss nass“. Die Klimaemissionen aus Mooren und Moorböden können nur gestoppt werden, wenn der Torfköper dauerhaft nass ist. Bislang tut die Landesregierung jedoch viel zu wenig für einen natürlichen Klimaschutz durch Moorschutz.

1.       Das Moormanagement von SPD und CDU genügt bei Weitem nicht, um schnell die Klimaneutralität erreichen. Es gibt keinerlei verbindlichen Ziele für den Klimaschutz in niedersächsischen Mooren. Im Landesklimagesetz wird die Bedeutung der Moore als CO2-Senke zwar erwähnt, konkrete Zielzahlen fehlen jedoch.

Einziges Positivbeispiel: Die von Rot-Grün eigeführte Maßnahme „Flächenmanagement für Klima und Umwelt“ konnte bislang durch Moorflurbereinigung mehr als 1.365 ha für die Wiedervernässung gewinnen. Die gegenüber der EU-Kommission als Zielindikator festgelegte Einsparung von 3 750 t CO2 pro Jahr wird um ein Mehrfaches überschritten und voraussichtlich 10 000 t CO2 pro Jahr betragen. Dies zeigt, dass gerade mit Moorflächenmanagement und Wiedervernässung erhebliche Klimaschutzpotentiale in Niedersachsen möglich sind, wenn man will.

2.       Seit der Aufstellung des Programms Niedersächsische Moorlandschaften 2016 ist konzeptionell nichts mehr passiert. Die GroKo schmückt sich mit der Arbeit von Rot-Grün. Doch die Umsetzung des Programms Moorlandschaften kommt nicht voran:

  • Die Wiedervernässung naturnaher Moore verzögert sich oft wie beim Projekt Hannoversche Moorgeest in der Region Hannover am mangelnden Willen des Landes und am Verzicht auf Enteignungen beim Flächentausch.
  • Der Nutzungsdruck auf Moorböden hat weiter zugenommen. Obwohl nach guter fachlicher Praxis Moorböden als reine Grünlandstandorte gelten, stieg der Anteil der Ackerbau-Flächen im Moor in den vergangenen Jahren weiter an. 10 Prozent der Hochmoore und 16Prozent der Niedermoore werden als Ackerland bewirtschaftet.
  • Eine klimaverträgliche Bewirtschaftung von Moorböden ist möglich – erfolgt bislang aber nur in Pilot- und Demonstrationsprojekten. Ein Weg ist zum Beispiel die Haltung von Wasserbüffeln auf wiedervernässtem Grünland. Oder der Anbau von Schilfrohr auf Nassstandorten – zur Nutzung als Dachreet oder Dämmmaterial. Auch der Anbau von Torfmoosen als nachhaltige Alternative für den Gartenbau ist möglich. Doch klimafreundliche Paludikulturen werden in Niedersachsen bislang nur auf 0,006Prozent der bewirtschafteten Flächen angebaut. Vermarktungs- und Vertriebsstrukturen für die Produkte der Paludikulturen fehlen weitgehend.

3.       Der Torfabbau geht ungebremst weiter – und befeuert damit den Klimawandel. Denn der abgebaute Weißtorf landet überwiegend in Erden für Hobbygärtner und den Landschaftsbau. Doch auch im Gemüsegarten und im Blumenbeet wird der Torf nach und nach aufgezehrt – und damit CO2 freigesetzt.

  • Die Vorranggebiete Torfabbau wurden von Rot-Grün mit dem LROP 2017 von 21.350 ha auf 3.370 ha mit verpflichtender Klimakompensation reduziert. Aufgrund der umfangreichen Alt-Genehmigungen liegt die Torfproduktion dennoch seit 2010 auf stabilem Niveau mit leicht ansteigendem Trend. Aktuell liegen 12 neue Anträge für Moorabbauflächen in Niedersachsen vor.
  • Die Torfindustrie ist verpflichtet, abgetorfte Flächen nach dem Ende des Abbaus wiederzuvernässen. Doch es gibt kein Monitoring, ob die geforderten Maßnahmen tatsächlich im Sinne von Klima- und Naturschutz umgesetzt werden. Viele Landkreise konnten gar keine Aussage machen, welcher Anteil der Abbauflächen bislang wiedervernässt ist und wo sich auf alten Abbauflächen wieder eine wachsende Torfmoosvegetation entwickeln konnte.
  • Bei Torfersatzstoffen hat die Groko die Fördermittel erheblich reduziert obwohl hier viele niedersächsische Firmen etwa torffreie Blumenerden anbieten.
  • Im Vergleich zu 2014 ist der Anteil an Torfersatzstoffen 2019 bei den Hobbyerden von 28 Prozent auf 40 Prozent und bei den Kultursubstraten von 8 Prozent auf 16 Prozent gestiegen. Das zeigt, das wir Torf im Gartenbau ersetzen können, niemand braucht Blumen gezüchtet auf Torf…

Niedersachsen hat zwar vor knapp drei Wochen eine Bund-Ländervereinbarung zum Moorschutz unterschrieben. Den ursprünglichen Plan, die Moorschutz-Vereinbarung noch als Erfolg der Ministerinnen Schulze und Klöckner vor der Bundestagswahl zu verkünden, hat das niedersächsische Agrarministerium durch eine verzögerte Unterschrift verhindert.  Das erklärte Ziel ist eine Minderung moorbedingter Emissionen um jährlich 5 Mio Tonnen pro Jahr bis 2030. Die Vereinbarung sieht vor, künftig keine neuen Genehmigungen für den Torfabbau mehr zu erteilen und den nötigen Rechtsrahmen für ein Abbauverbot zu schaffen. Zur Umsetzung schweigt die Landesregierung bislang.  Die Große Koalition verweigert jede Festlegung, wie das Land dieses Ziel erreichen will.

Moorschutz ist eine Investition in unsere die Zukunft – für Artenvielfalt und Klimaschutz. Niedersachsen hat hier als Moorland Nr. 1 eine besondere Verantwortung. Bislang fällt die Große Koalition hier allerdings durch maximale Ambitionslosigkeit auf.

Wir GRÜNE wollen daher ein ambitioniertes Moorschutzprogramm umsetzen. Der Bund stellt in der Bund-Länder-Vereinbarung mindestens 330 Mio. Euro bis 2025 für die Wiedervernässung von Mooren bereit. Davon wollen wir einen Großteil nach Niedersachsen lenken und auch für Klimaschutz in Niedersachsen investieren. Mit weiteren Umschichtungen aus EU_Förderprogrammen wollen wir in den nächsten Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro in den Moorschutz in Niedersachsen investieren. Ziel ist die Halbierung der klimaschädlichen Emissionen aus Mooren bis 2030 und dies konkret im Landesklimagesetz als Beitrag zum 1,5 Grad Ziel zu verankern.

Dazu braucht es auch jemanden der das umsetzen kann.

Das Moormanagement des Landes ist behördlich zersplittert: Die Staatliche Moorverwaltung ist angesiedelt beim ArL Weser-Ems, die Domänenverwaltung beim ArL Braunschweig. Die Landesforsten bewirtschaften Moorwälder und auch der NLWKN führt Wiedervernässungsprojekte durch. Mit einer neuen Landesgesellschaft für Moorschutz wollen die zersplitterten Zuständigkeiten bündeln und schaffen einen Ansprechpartner für alle praktischen Fragen des nachhaltigen Moormanagements. Die neue Moorschutzgesellschaft könnte auch die Fördermittel von Bund und EU effektiv nutzen und kompetent auf landeseigenenen Flächen die Wiedervernässung vorantreiben. Auch könnten Partnerschaften mit Umweltverbänden, Kommunen und Unternehmen für sogenannte „MoorFutures“ entstehen, wie sie andere Bundesländer schon anbieten. So wollen wir die Renaturierung von Mooren beschleunigen und den flächendeckenden Roll-Out torferhaltender Bewirtschaftungsformen anstoßen. Die Moorgesellschaft könnte auch Kooperationsprojekte mit Landwirten zur klimaschonenden Bewirtschaftung von Moorflächen durchführen.

Es ist höchste Zeit, das Aktionsprogramm Niedersächsische Moorlandschaften weiterzuentwickeln und den aktuellen Herausforderungen und Erkenntnissen anzupassen. Dazu gehört u.a.:

  • Ein Moor-Monitoring zu etablieren, um den ökologischen Zustand sowie die Klimawirkung der Moorflächen regelmäßig zu erfassen.
  • Die Industrie in die Pflicht zu nehmen, vormalige Torfabbauflächen so zu restaurieren, dass wieder eine torfbildende Vegetation entsteht,
  • Die Finanzierung des Moorschutzes zu verbessern und die EU-Agrarförderung so auszugestalten, dass wirksame Anreize für eine klimaschonende Landwirtschaft auf Moorböden entstehen
  • Gemeinsam mit den moorreichen Nachbarländern mit „MoorFutures“ zusätzliche Mittel für den Moorschutz zu generieren. Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Schleswig-Holstein zeigen wie es geht: Dort können Privatpersonen und Unternehmen bereits auf freiwilliger Basis CO2-Emissionen kompensieren durch die Finanzierung von Moorschutzprojekten

Niedersachsen braucht ein Konzept für die Transformation der Bewirtschaftung der Moore. Im Dialog mit allen Stakeholdern ist ein Weg zu zeichnen, um Land- und Forstwirtschaft auf Moorböden klimaneutral zu gestalten und den Betrieben ein verlässliches Einkommen und eine Zukunftsperspektive zu sichern.

Klar muss sein: Ackerbau auf Moorstandorten hat keine Zukunft. Aber auch die Grünlandbewirtschaftung im Moor muss nasser und extensiver werden. Paludikultur muss in der Zukunft so normal werden, wie es heute der Kartoffelanbau ist.

Dafür braucht es Beratung und Umstiegshilfe für die landwirtschaftlichen Betriebe. Wasserstandserhöhungen sind jedoch in aller Regeln nicht als Alleingang für Einzelflächen möglich. Daher müssen Gebietskooperationen in bislang entwässerten Regionen gefördert werden.

Eine Umstellung auf torferhaltende Bewirtschaftungsformen erfordern teils erhebliche Investionen – hierfür brauchen die Betriebe Planungssicherheit. Dazu gehört auch der Aufbau von Vermarktungs- und Vertriebsketten für die Produkte der Nassstandorte.

Die Öffentliche Hand muss hier mit gutem Beispiel vorangehen und den Einsatz von torfhaltigen Erden auf landeseigenen Flächen und in Landesbetrieben sowie bei Auftragsvergaben etwa der Straßenbauverwaltung verbieten – und den Einsatz nachhaltiger Baustoffe beispielsweise aus Paludikulturen bei Landesbauprojekten zum Standard machen. So entstehen langfristig gesicherte Absatzmärkte.

Wir fordern einen Ausstiegsplan für die Verwendung von Torf – und einen Genehmigungsstopp für alle neuen Torfabbauprojekte, die derzeit noch in der Pipeline sind.

Bislang ist für Verbraucher*innen oft nur schwer erkennbar, ob Torf in der Gartenerde enthalten ist. Selbst sogenannte Bio-Blumenerde kann Torf enthalten, da Bio bei Erden anders als bei Lebensmitteln nicht geschützt ist. Für mehr Transparenz im Baumarkt und Gartencenter wollen wir daher ein Label „Torffrei aus Niedersachsen“ schaffen.

Und auch im Erwerbsgartenbau gibt es bereits gute Projekte für den Einsatz von Torfersatzstoffen, die es nun in die Fläche zu tragen gilt.

Wichtig ist uns, Verlagerungseffekte zu vermeiden. Wir wollen hier in Niedersachsen aus dem Torfabbau aussteigen und für Alternativen sorgen, damit es nicht zu erhöhten Importen beispielsweise aus dem Baltikum kommt.

Wir wollen, dass das Moorland Nr. 1 vom Klima- und Natursünder zum Klimaschützer Nr. 1 wird.

 

 

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