Christian Meyer: Rede zu Corona-Verordnungen (Aktuelle Stunde FDP)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

jeder Leserin und jedem Leser der Corona Verordnung der niedersächsischen Landesregierung braucht Nerven, Textmarker und idealerweise umfassende Vorkenntnisse in Verwaltungdeutsch um das zu verstehen, was uns die Landesregierung in regelmäßigen Abständen präsentiert.

Bürgerinnennähe? Fehlanzeige!

Der Niedersächsische Städtetag fordert im Hinblick auf eine mögliche zweite Welle die Einrichtung einer Behörden-Hotline, damit kommunale Verwaltungen rechtssichere und kurzfristige Auskünfte über die Verordnungsregelungen erhalten. Also Aktion Sorgentelefon für die Kommunen. Nur wenn schon die geschulten Juristen in den Kommunalverwaltungen die Corona-Verordnungen verstehen, wie soll das erst Ottilie Normalbürgerin? Oder verstehen sie als Landtagsabgeordnete die neuesten Regelungen?

„Es reicht nicht, im Wochentakt die völlig unübersichtliche Coronaverordnung fortzuschreiben. Das Land Niedersachsen muss endlich die versprochene radikale Vereinfachung der Rechtsverordnung auf den Weg bringen und beginnen, sich konkret auf eine mögliche zweite Welle im Coronageschehen vorzubereiten“, fordert Präsident des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), Landrat Klaus Wiswe.

Nicht einmal die Verwaltungsprofis in den Kommunen können in letzter Konsequenz nachvollziehen, was die Landesregierung mit ihren Corona-Verordnungen fabriziert.

Was bedeuten Formulierungen wie „Jede Person hat physische Kontakte zu anderen Menschen, die nicht zu den Mitgliedern des eigenen Hausstandes gehören, auf das Notwendige zu beschränken?“

Was bedeutet es für junge Menschen, die sich spontan mit Abstand im Park oder Strand treffen und einen schönen Abend verleben?

Apropos junge Menschen. In keinem Bundesland war es so lange verboten, dass durch JULEICA-Card qualifizierte Ehrenamtliche Jugendarbeit betreiben. Eine Pfadfindergruppe durfte sich nicht draußen treffen- ohne einen Hauptamtlichen. Und nur ganz kurze Zeit später sind Gruppenangebote für Kinder und Jugendlichen in Jugendherbergen, Familienfreizeitstätten etc. in Gruppen bis zu 50 Personen wieder möglich. Veranstaltungen mit bis zu 50 Personen waren schon früher möglich.

Wenn die Pfadfinder sich also zu einer Veranstaltung trafen, bei der keine Jugendarbeit stattfand, war das erlaubt.

Auch bei Hochzeiten sind 50 Personen möglich. Aber wie weit geht sie, nur im Standesamt oder auch auf der Feier oder draußen.

Der NSGB kritisiert unterschiedliche Regelungen für Schiffsreisen, Busreisen und Pferdekutschen. Wenn nun das Hochzeitspaar mit der Pferdekutsche abgeholt wird, gilt dann auch 1,50 Meter Abstand und darf man sich überhaupt schon küssen, solange man nicht in einem Haushalt zusammenlebt? Neue Fragen über Fragen?

Anrede,

und Pannen gibt es ebenfalls eine ganze Menge. Da wird in der aktuellen Verordnung mal eben der Bezug zum Bussgeldkatalog vergessen und außer Kraft gesetzt. Das kann bei der ersten Verordnung mal passieren. Aber mittlerweile müssten doch die Jurist*innen in den verschiedenen Ministerien mal ein Verfahren haben, dass die Regierung weiß was sie tut. Und wenn der Staatssekretär erklärt bei der Unterzeichnung der Verordnung durch die Ministerin war der Bussgeldkatalog noch da, dann muss er sich auch mal bemühen was da alles schief läuft. Kann mir jedenfalls gut vorstellen, was die CDU in der letzten Legislaturperiode gesagt hätte, wenn Rot-Grün nur einen Kommafehler im Ministerialblatt gehabt hätte. Und hier geht es schließlich um die massivsten Grundrechtseingriffe der letzten Jahre.

Erste Kommunen sind verzweifelt. Der Landkreis Hildesheim twitterte: „Aus gegebenem Anlass sehen wir uns leider gezwungen, zukünftig die chaotischen Regelungen des Landes weder zu kommunizieren noch zu kommentieren. Bitte wenden Sie sich bei allen Fragen direkt an das zuständige Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung.“

Und je nachdem wen sie fragen, bekommen sie unterschiedliche Antworten.

Herr Althusmann prescht vor, erklärt die Maskenpflicht als etwas, was dringend überprüft werden sollte. Dann behauptet er, sein Ministerium wolle die Corona-Verordnungen in Zukunft formulieren. Dann wird er bei beiden Themen schon wieder wie bei den Werkverträgen in der Fleischindustrie von Ministerpräsident Weil zurückgepfiffen.

Die Konflikte und Fehler innerhalb der Landesregierung verunsichern unsere Niedersächsinnen und Niedersachsen. Das verunsichert Unternehmerinnen und Unternehmer.

Der Göttinger Staatsrechtler Heinig bezeichnete die Corona Verordnung als Zitat "unglaublichen Murks" und "bemerkenswert schlecht gemacht". "Grundregeln des Gesetzemachens werden hier nicht beherrscht." Im Text fänden sich "verschwurbelte Formulierungen", die mehr Fragen als nötig aufwürfen. "Das ist angesichts der tiefgreifenden flächendeckenden Grundrechtseingriffe problematisch und auch ganz unnötig."

"In den ersten Tagen einer so gravierenden Krise sind handwerklichen Fehler entschuldbar", sagte Prof. Heinig. "Aber so langsam werden sie Ausdruck schlechten Regierens", Herr Ministerpräsident Weil. (NOZ vom 5.4.2020)

Anrede,

und auch die vorzeitige Information der Regierungsabgeordneten über Corona-Verordnungen trägt zur Verwirrung bei. So verkündete der Landtagsabgeordnete Uwe Schünemann schon per Pressemitteilung bevor die Corona-Verordnung den Landtag überhaupt erreicht hat, das einzige Kino in Holzminden mache Montag wieder auf. Dumm nur das die Kinobetreiberin davon nichts wusste. „Unmöglich“ findet sie das Vorgehen von Herrn Schünemann, die Veröffentlichung sei nicht abgesprochen gewesen. Sie müsse auch erstmal neue Filme und nicht alte Kamellen bestellen, so schnell gehe das gar nicht, erklärte sie unzufrieden der Lokalzeitung.

Die Landesregierung sollte also lieber gute Arbeit machen, statt sich ständig mit den Regierungsabgeordneten abzustimmen.

Oder um Ex-Bundesinnenminister Thomas de Maziere zu zitieren: „Ein Teil dieser Antworten wie Verordnungen zustande kommen würde die Bevölkerung verunsichern.“

Vielen Dank.

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