Asse: Beschlussvorschlag des Ältestenrates zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss

 

Hannover, den 10. Juni 2009

Einsetzung eines 21. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

Beschlussvorschlag des Ältestenrates

"Der Landtag wolle beschließen:

Nach Artikel 27 der Niedersächsischen Verfassung wird der 21. Parlamentarische Untersuchungsausschuss eingesetzt, um die nachfolgend unter I. beschriebenen komplexen Vorgänge in der Schachtanlage Asse II aufzuklären.

I.     Der Untersuchungsauftrag erstreckt sich auf Folgendes:

1.    Alle Vorgänge um die Einlagerungen in der Schachtanlage Asse II bei gleichzeitiger Erfassung des gesamten eingelagerten Inventars seit Inbetriebnahme als Forschungsbergwerk und die Organisations- und Verantwortungsstruktur für den Betrieb und in Bezug auf außergewöhnliche Ereignisse in der Anlage. Weiterhin ist zu klären, wer die politische,
juristische und wissenschaftliche Verantwortung für die Vorgänge in der Schachtanlage Asse II trägt und wer für die Folgen und Kosten haftbar gemacht werden kann.

2.    Die Vorgänge um die Auswahl und die Feststellung der Eignung der Schachtanlage
Asse II als Forschungsstandort zur Einlagerung radioaktiver Stoffe in Salzgestein, ins­besondere die Frage, ob es dabei "kritische Stimmen" gegeben hat und wie der Abwägungsprozess strukturiert war, sowie die zugrunde gelegten Rechtsvorschriften und die Kosten für Planung, Bau und Betrieb eines Forschungsstandortes in Salzgestein am Beispiel der Schachtanlage Asse II.

3.    Die Hintergründe der Beendigung der Einlagerung, etwaige Umlagerungen und besondere Vorkommnisse sowie die Überlegungen in Bezug auf die sichere Schließung des Bergwerks.

4.    Der Status der Gesundheits- und Arbeitssicherheit für das Personal, insbesondere, ob es im Verlauf des Betriebes insoweit zu besonderen Vorkommnissen gekommen ist und wie diese behandelt wurden.

5.    Die Feststellung, welche Folgen die Ereignisse in der Schachtanlage Asse II hinsichtlich der Schließung der Anlage, der Rückholbarkeit der eingelagerten Stoffe und der Sicherheit der Bevölkerung in der Region hatten, haben oder haben können.

II.     Dabei sind insbesondere die nachfolgenden Fragen zu beantworten:

Zu 1.:

a)    Wie hat sich im Einzelnen das Einlagern des Inventars dargestellt? Hierbei ist insbesondere detailliert zu untersuchen, um welche Mengen es sich jeweils handelt, zu welchem Zeitpunkt was und wo in der Schachtanlage Asse II eingelagert worden ist, welche Umlagerungen erfolgten und aktuell noch erfolgen, welche Genehmigungen dafür erforderlich waren, ob diese Genehmigungen vorgelegen haben und von wo welches Inventar auf welchem Weg angeliefert worden ist, darunter auch, welche Stoffe von Dritten wie etwa der Bundeswehr oder verbündeten Streitkräften stammen, welche Stoffe aus dem Ausland stammen und welche Stoffe aus Beständen der ehemaligen DDR eingelagert wurden.

b)    Wurde die jeweils gültige Rechtslage bei den Genehmigungen und anderen Entscheidungen für alle Bereiche des Betriebs der Schachtanlage Asse II berücksichtigt und umgesetzt, wie ist dieses ggf. erfolgt und wer trug jeweils die Verantwortung?

c)    Inwieweit waren andere als niedersächsische fachlich zuständige staatliche, europäische und internationale Stellen in diese Entscheidungen eingebunden oder hätten eingebunden werden müssen?

d)    Auf welchem Wege und von welchen Lieferanten und Verursachern wurden die eingelagerten Stoffe jeweils angeliefert, wo sind diese Stoffe tatsächlich entstanden und wie waren sie jeweils klassifiziert?

e)    Gab es kritische Hinweise zu beabsichtigten Einlagerungen, wenn ja, von welcher Stelle und um welche Hinweise handelte es sich, wer hatte davon Kenntnis und wurden daraus Konsequenzen gezogen? Dabei ist ebenfalls die Verantwortung für jedwede dieser Entscheidungen zu untersuchen.

f)     Wer war für die Entscheidungen über die erforderlichen Schritte bis zur Einlagerung zuständig, wer hat die Entscheidungen vorbereitet, wurden dabei entscheidungserhebliche Informationen "ausgefiltert" und wer hat letztendlich schlussgezeichnet, wer war also auf welcher Ebene verantwortlich und wer hatte letztendlich die politische Verantwortung auf welcher Informationsgrundlage?

g)    Wer hat wann über die Einlagerung von toxischen, chemisch-toxischen, organischen und sonstigen nicht radioaktiven Stoffen befunden, wer war hierfür letztlich verantwortlich und
waren hierfür Genehmigungen erforderlich, wenn ja, lagen diese vor und wurde hierfür etwas gezahlt, wenn ja, wie waren die Finanzströme?

h)    Welche Qualifikationen hatten die jeweils verantwortlichen Personen, die mit der Rechtssituation und fachlichen Empfehlungen, Hinweisen, Berichten, Gutachten im Gesamtzusammenhang mit der Schachtanlage Asse II betraut waren, inne?

i)     Wie haben sich in diesem Zusammenhang die Zuständigkeiten aller beteiligten und verantwortlichen Ministerien, Behörden und Vertragspartner seit Inbetriebnahme der Schachtanlage Asse II als Forschungsbergwerk dargestellt und verändert, wie stellte sich der vollständige Ablauf der Geschäftsgänge dar und wem oblag zu welchen Zeitpunkten die Schlusszeichnung für Vorgänge und Vorkommnisse in der Schachtanlage Asse II?

j)     An welchen Stellen sind zu welchen Zeitpunkten personelle und organisatorische Veränderungen eingetreten, insbesondere Zuständigkeitswechsel und Personalwechsel in den zuständigen Verwaltungen und bei den involvierten Organisationen und Vertragspartnern? Dazu gehört auch die Frage, welche Personen an welchen Positionen und Funktionen in den verschiedenen Organisationseinheiten der Ministerien, anderen Behörden und Vertragspartnern in welchen Zeiträumen gearbeitet haben.

k)    Welche Personen haben zu welchen Zeitpunkten Kenntnis von Vorfällen und Abweichungen jedweder Art gehabt, die nicht zum Regelbetrieb der Schachtanlage Asse II gehörten, wie z. B. radioaktive Laugenzuflüsse, und wie sind diese Personen damit umgegangen?

l)     Welche Verstöße gegen rechtliche Vorschriften und den jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik waren in der Schachtanlage Asse II zu verzeichnen und wer trug dafür jeweils die Verantwortung?

m)   Wie ist mit Informationen zu l) umgegangen worden, wer war mit welcher Qualifikation letztlich für diesen Umgang verantwortlich und welche Konsequenzen sind letztlich erfolgt?

Zu 2.:

a)    Welche wissenschaftlichen und politischen Aussagen und Einschätzungen zur Sicherheit der Schachtanlage Asse II als "Versuchs-", "Forschungs-" und "Endlager" für radioaktive Stoffe haben sich als unzutreffend erwiesen?

b)    Wer hat zu welchem Zeitpunkt den Salzstock der Schachtanlage Asse II als Forschungsstandort für die Einlagerung von radioaktiven Stoffen vorgeschlagen, hat es dabei Einwände gegeben, wie sind sie ggf. in den Abwägungsprozess eingeflossen und wer hat letztendlich und mit welcher Begründung und nach welchen Parametern den Standort für geeignet erklärt?

c)    Wie kam es zur Entscheidungsfindung für die Anwendung der rechtlichen Grundlagen, nach denen die Schachtanlage Asse II betrieben wurde (Bergrecht), trotz Inkrafttreten der atomrechtlichen Regelungen für die Endlagerung 1977?

d)    Wie wurden die Forschungsarbeiten und der Folgebetrieb nach Einstellung der Forschungs­arbeiten begleitet und evaluiert, welche Gutachten und Berichte liegen darüber vor und welche Personen haben diese schlussgezeichnet?

e)    Welche Stör- und Unfälle jedweder Art haben sich seit Inbetriebnahme der Schachtanlage
Asse II als Forschungsbergwerk ereignet, wie wurden diese dokumentiert (z. B.: Zeitpunkt des Ereignisses, Verlauf, Ergebnis) und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?

f)     Aus welchen Gründen wurde 1992 beschlossen, die Forschungsaktivitäten in der Schacht­anlage Asse II einzustellen, und wer hat diese Entscheidung auf welche Art und Weise und nach welchen Kriterien herbeigeführtund verantwortet?

g)    Nach welchen Kriterien, Plänen, Genehmigungen und sonstigen behördlichen Aufträgen
wurde der Betrieb der Schachtanlage Asse II nach dem Ende der Forschungstätigkeiten fortgeführt?

h)    Hat es seit Inbetriebnahme der Schachtanlage Asse II als Forschungsbergwerk kritische Stimmen, Hinweise, Berichte oder Stellungnahmen zu Eignung und Sicherheit des Betriebes gegeben, wenn ja, wann und welche genau (z. B. zu Laugenzuflüssen oder zur Standsicherheit des Salzstocks)? Wie wurde ggf. damit umgegangen, wurden daraus Konsequenzen gezogen und wenn ja, welche?

i)     Wohin überall und ganz konkret wurden ggf. überschüssige Laugenzuflüsse und eingelagerte Stoffe jedweder Art aus der Schachtanlage Asse II auf welchen Rechtsgrundlagen, mit welchen Genehmigungen und auf welche Art und Weise von wem verbracht?

j)     Welche Veränderungen der Genehmigungen wurden für den Betrieb der Schachtanlage
Asse II nach ihrer Inbetriebnahme als Forschungsbergwerk erforderlich, worauf haben sie beruht und wer trug die Verantwortung hierfür?

k)    Welche Rückschlüsse und Konsequenzen haben die Forschungsergebnisse aus dem Betrieb der Schachtanlage Asse II auf die Endlagerfrage in Bezug auf andere Salzstöcke und wer hat diese ggf. in welcher Form nach welchen Kriterien abgeleitet oder postuliert, waren es die­selben Personen, die die Schachtanlage Asse II für sicher erklärt haben?

l)     Wie hoch sind die gesamten Kosten (z. B. auch für die Vergabe von Gutachten oder Konzepten) für den Forschungsstandort seit Inbetriebnahme bis zum heutigen Tage, und welche Institutionen, Unternehmen und Organisationen haben welche Finanzvolumina für welche Leistungen erhalten?

m)   Wie setzen sich die Gesamtkosten zusammen, wie hoch ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand der zukünftige Bedarf pro Jahr bis zur endgültigen Schließung, und wie wird dieser
finanziert (z. B. von Institutionen oder Unternehmen)? Welcher Anteil an den Kosten wurde vom Land Niedersachsen getragen und wird künftig vom Land zu tragen sein?

n)    In welchem Verhältnis stehen die Kosten für die Erkundung des Salzstocks der Schachtanlage Asse II als Endlager für radioaktive Stoffe zu dem erkennbaren volkswirtschaftlichen Nutzen sowie dem Nutzen für die Energiewirtschaft, und wie ist dieser Nutzen jeweils zu beziffern?

o)    Inwieweit liegen Berichte und Hinweise vor, dass sich die Schachtanlage Asse II negativ auf den Wert privaten und öffentlichen Eigentums in der Region auswirkt?

p)    Welche Erkenntnisse liegen darüber vor, welchen Anteil die atomare Abfalleinlagerung an den gesamten Kosten der atomaren Energienutzung einnimmt?

q)    Welche Bedeutung hatte die Einlagerung radioaktiver Stoffe in der Schachtanlage Asse II für die Entsorgung radioaktiver Rückstände aus Atomkraftwerken?Auf welcher rechtlichen Grundlage wurden die Entscheidungen zu den Entsorgungsnachweisen getroffen, und in welchem Umfang können Abfallerzeuger zu den Kosten der Schließung und Sanierung der Schachtanlage Asse II herangezogen werden?

Zu 3.:

a)    In welchem Sicherheitszustand befand sich die Schachtanlage Asse II im Verlauf des bisherigen Regelbetriebs, und wie verlief die Entscheidungsfindung zur Stabilisierung oder Verfüllung des Grubengebäudes und die fachliche Entscheidung zur Flutung des Grubengebäudes als Schließungskonzept?

b)    Liegen Kostenszenarien für die verschiedenen möglichen Schließungsmöglichkeiten der Schachtanlage Asse II vor, oder gibt es Schätzungen darüber, was die Schließung der Anlage noch kosten wird?

Zu 4.:

a)    Nach welchem System, welchen Vorschriften und welcher Methodik wurden nach welchem Zeitplan Gesundheitsüberprüfungen des Personals durchgeführt, welche Ergebnisse gab es und wie wurde damit umgegangen?

b)    Welche Personen waren für den Umgang mit diesen Ergebnissen und für das gesamte Themenfeld "Gesundheit" zu welchen Zeiten zuständig und verantwortlich, und wie waren sie qualifiziert?

c)    Welche Maßnahmen wurden über den gesamten Zeitraum seit Inbetriebnahme der Schachtanlage Asse II als Forschungsbergwerk zur Arbeitssicherheit nach welchen Vorschriften und welchen Erfordernissen durchgeführt?

d)    Welche Personen haben mit welcher Qualifikation hierfür Sorge getragen?

e)    Lagen jemals kritische Hinweise zur Arbeitssicherheit in der Schachtanlage Asse II vor und wie wurde damit umgegangen?

f)     Welche Unfälle mit Personenschäden und welche Krankheitsfälle sind seit Inbetriebnahme der Schachtanlage Asse II als Forschungsbergwerk aufgetreten, was waren die Ursachen und die Verläufe der Fälle, welche Schäden hatten die Betroffenen, und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?

g)    Wie wurde grundsätzlich und speziell mit Vorkommnissen der genannten Arten umgegangen, nach welchen Vorschriften ist verfahren worden, und wer hat den Umgang im jeweiligen Fall zu verantworten?

h)    Inwieweit wurde das in der Schachtanlage Asse II eingesetzte Personal über die potenziellen Gefahren und besonderen Arbeitsbedingungen informiert und aufgeklärt, und wer hat dies ggf. zu welchen Zeitpunkt in welchem Rahmen mit welcher Qualifikation getan?

i)     Welche Konsequenzen wurden gezogen, und gibt es Vorkommnisse, die Auswirkungen bis in das Jahr 2009 haben oder darüber hinaus in die Zukunft hineinwirken werden, und gibt es Vorschläge, die zukünftig zu einer verbesserten Sicherheit beitragen könnten?

j)     Welche gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung und die Beschäftigten in der Schacht­anlage Asse II können aus dem bisherigen Betrieb der Schachtanlage Asse II resultieren, gibt es schon konkrete Vorfälle und Hinweise auf solche Folgen, und welche sind zukünftig noch zu erwarten?

k)    Wo ist nach welchen Parametern geregelt, wie damit grundsätzlich und im Speziellen umzugehen ist, welche Ansprüche können Betroffene in welcher Form gegen wen geltend machen,und aus welchen Gründen und in welchem Umfang kann das Land zur Übernahme dieser Kosten herangezogen werden?

Zu 5.:

a)    Welche wissenschaftlichen Ausarbeitungen zur Eignung von Salzstöcken für die Einlagerung von radioaktiven Stoffen liegen grundsätzlich und im Speziellen (z. B. bezüglich der Schachtanlage Asse II) vor, wie wurden sie von wem wann bewertet, und mit welchen Konsequenzen erfolgte dies?

b)    Wurden alle wissenschaftlichen Ausarbeitungen verwendet, sind Informationen ausgesondert worden, und welche ruhen ggf. ungenutzt in "Schubladen" oder jedweder Art von Archiven?

c)    Welche Schlussfolgerungen aus dem Betrieb, aus den Erfahrungen und den Forschungen in der Schachtanlage Asse II wurden gezogen, welche Forschungsprojekte wurden aufgrund der Eigenschaft der Schachtanlage Asse II als Versuchsendlager für Salzgestein durchgeführt, welche Parallelen gibt es zur Auswahl anderer Standorte, welches Forschungsdesign wurde dabei jeweils zugrunde gelegt, welche Forschungsergebnisse wurden dabei erzielt, welche Forschungsergebnisse wurden bislang nicht veröffentlicht, welche militärischen Forschungsvorhaben wurden durchgeführt, welche wissenschaftlichen Ergebnisse sind in die nationale und internationale Endlagerforschung eingeflossen, wie wurden die technischen und wissenschaftlichen Standards zur Einrichtung und zur Sicherheit von Endlagern dadurch beeinflusst, und inwieweit haben die Erfahrungen, Gutachten und Forschungsergebnisse dazu geführt, die weitere Nutzung der Schachtanlage Asse II als Zwischen- und Endlager für radioaktive Stoffe anzustreben?

d)    Liegen bereits Empfehlungen für eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf andere potenzielle Salzstöcke vor, und welche Konsequenzen hatten der Verlauf und das Ergebnis des Betriebes der Schachtanlage Asse II als Forschungsstandort auf die Erkundung potenzieller weiterer Salzstöcke?

e)    Welche Qualifikation weisen die Gutachter und anderen Personen auf, die in diesem Zusammenhang Empfehlungen oder Hinweise jeglicher Art geben oder gegeben haben, und in wessen Auftrag handeln sie oder haben sie gehandelt?

f)     Welche Personen und Institutionen sind an den Bewertungen, Gutachten und Berichten beteiligt, und inwieweit waren sie bereits zu Beurteilungen

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