Antrag:Agri-Photovoltaik in Niedersachsen voranbringen - Chancen für die Landwirtschaft nutzen!

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Agri-Photovoltaik in Niedersachsen voranbringen - Chancen für die Landwirtschaft nutzen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die immer schneller voranschreitende Klimaerwärmung stellt die niedersächsische Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Laut dem „Klimafolgenmonitoringbericht für Niedersachsen 2023“ sind hierzulande deutlich stärker steigende Temperaturen zu verzeichnen, als im globalen Mittel (Seite 16). Die Jahresmitteltemperatur lag 2024 laut NIKO (Niedersächsisches Kompetenzzentrum Klimawandel) in Niedersachsen 1,9 °C über dem vorindustriellen Zeitalter. Höhere Temperaturen werden dabei auch flankiert durch stärkere Verdunstungsraten, Starkregenereignisse, feuchte Winter, längere Trockenphasen und eine mitunter größere Sonnenintensität. Gleichzeitig sorgt ein sich veränderndes Klima für mehr und heftigere Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Hagel.

Auf der anderen Seite ist vor allem der Mensch und zu einem gewissen Teil auch die Landwirtschaft selbst für diese Entwicklung verantwortlich. Der forcierte Umstieg auf erneuerbare Energien und eine Abkehr von der Nutzung fossiler Energieträger ist unumgänglich.

Mit der zum 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Novelle des Niedersächsischen Klimaschutzgesetzes (NKlimaG) hat sich das Land zum Ziel gesetzt die Treibhausgasemissionen bis 2035 um 90 Prozent zu senken. Dafür sollen mindestens 65 Gigawatt Strom aus Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) zu Verfügung stehen, die vorwiegend auf Bauten, baulichen Anlagen oder versiegelten Flächen errichtet werden sollen. Nur 0,5 Prozent der Landesfläche sollen für den Bau von Freiflächenanlagen, worunter auch Agri-PV-Anlagen und Anlagen auf Altlasten zählen, eingesetzt werden.  Wegen der vielfältigen Flächenkonkurrenzen ist es erforderlich, den Anteil der reinen Freiflächen-PV zu begrenzen und zu steuern, um die Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Flächen gering zu halten. Eine Orientierung und Steuerung über die Wertigkeit des Bodens, über das NKlimaG, wird vom Landtag dabei als sinnvolle Herangehensweise bewertet.

Der Landtag begrüßt diesbezüglich die mit den Kommunalen Spitzenverbänden erarbeitete „Arbeitshilfe für einen naturverträglichen Ausbau von Freiflächen-PV-Anlagen“ vom 11.10.2023. Der Landtag begrüßt darüber hinaus den Erlass des Landwirtschaftsministeriums zur Vereinfachung der Doppelnutzung von konventionellen Geflügel-Auslaufflächen als PV-Anlage aus September 2024.

Dennoch entwickelt sich unter anderem aufgrund des höheren Planungs- und Umsetzungsaufwandes und geringerer Erfahrungen mit der Bewirtschaftung der Agri-PV-Bereich nicht im selben Maße wie die klassischen Freiflächenanlagen. Daher ist nach wie vor eine begleitende Forschung zur Implementierung solcher Anlagen sinnvoll. Beispielhaft ist hier das Pilotprojekt Agri-Photovoltaik Steinicke zu nennen, welches im Rahmen des Umweltinnovationsprogramms des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz finanziert wird. Mit dem Institut für Solarenergieforschung (ISFH), in Emmerthal bei Hameln, gibt es auch in Niedersachsen exzellente Forschungskompetenz im Bereich der Solarenergie. Der Landtag begrüßt zudem die angelaufene Förderung des Landes für vertikale Agri-PV im Landkreis Verden, welche entscheidende Erkenntnisse für den zukünftigen Anbau niedersächsischer Fruchtfolgen hervorbringen kann.

Der Landtag bittet die Landesregierung,

  1. bestehende Forschungsvorhaben im Bereich der Agri-PV fortzuführen, bedarfsgerecht weiter zu entwickeln und erforderlichenfalls weitere Forschungsaspekte aufzugreifen und zu fördern sowie die zuständigen Fachausschüsse über die Forschungsergebnisse der Agri-PV-Anlagen in Verden zu informieren,
  2. bei der Begleitung von Forschungsvorhaben den Fokus insbesondere auf die Anwendungsorientiertheit zu legen um im Rahmen von Pilotprojekten unterschiedlichste landwirtschaftliche Produktionsverfahren auf ihre bestmögliche Kompatibilität mit Agri-PV zu untersuchen,
  3. ein Langzeit-Monitoring in Bezug auf Innovationen und Best Practice, von Agri-PV auf Sonderkulturen im Vergleich zu Freiflächen-PV und Äckern zu initiieren und dabei Aspekte des Land- und Gartenbaus und des Naturschutzes zu berücksichtigen und wenn möglich Fachkräfte weiterzubilden,
  4. zu prüfen, wie in Planungs- und Genehmigungsverfahren von Agri-PV, und den damit verbundenen Netzanschlüssen, verhältnismäßiger ausgestaltet werden können,
  5. zu prüfen, ob im Rahmen der Task-Force eine Empfehlung zur netzdienlichen Planung und Errichtung von Agri-PV Anlagen erarbeitet werden kann,
  6. sich beim Bund für eine Verbesserung der Fördersystematik zugunsten von Agri-PV-Anlagen einzusetzen, um deren Zuschlagschancen bei Ausschreibungen der Bundesnetzagentur zu erhöhen,
  7. eine Verlängerung der Zeiträume für den Nachweis der Doppelnutzung der Flächen, für die Betreiber*innen von Agri-PV-Anlagen in Betracht zu ziehen,
  8. sich darüber hinaus für alle tierhaltungsformspezifische Möglichkeit der Agrarförderung in Kombination mit Agri-PV, unter Einbeziehung von DIN SPEC 91492, einzusetzen,
  9. zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen oder geschaffen werden müssten um landwirtschaftliche Betriebe beratend bei der Realisierung von Agri-PV zu unterstützen,
  10. darüber hinaus zu prüfen, inwieweit bereits Förderprogramme für die verschiedenen Agri-PV-ansätze und -anwendungsbereiche bestehen und der Höhe nach ausreichend sind, um die Wirtschaftlichkeit von Agri-PV-Anlagen sicherzustellen,
  11. die Verbindung von Biodiversitätsmaßnahmen und Photovoltaik („Biodiversitäts-PV“) in den Blick zu nehmen sowie damit verbundene offene definitorische, rechtliche, ökologische und ökonomische Fragen klären zu lassen,
  12. zu prüfen, in wie weit die bilanzierbare CO2-Einsparung durch Agri-PV-Anlagen dem Sektor Landwirtschaft zurechenbar sind.

Begründung

Die Flächenkonkurrenz ist im gesamten Agrarsektor eine große Herausforderung, die sich im Zuge des Klimawandels weiter verschärfen wird. Doppelnutzungsstrategien wie Agri-PV sind deshalb begrüßenswert, da maximal 15% der Fläche einer landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden. Zudem können Synergieeffekte genutzt werden. Horizontal ausgerichtete Flächen wirken gleichzeitig als Überdachung und können z. B. bei Freiausläufen in der landwirtschaftlichen Tierhaltung positive Effekte haben (Schutz vor Prädatoren oder übermäßiger Sonneneinstrahlung).

Die Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen zur Nahrungsmittel- und die Stromproduktion durch Agri-PV bietet der Landwirtschaft weitere Einkommensmöglichkeiten und unterstützt gleichzeitig die notwendige Energiewende. Eine im August 2024 von Ember-Energy veröffentlichte Studie kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass durch die Beschattungswirkung von Agri-PV im Bereich des Obst- und Beerenanbaus in Mitteleuropa Ertragssteigerungen von bis zu 16% möglich sind. Bei lichtliebenden Nutzpflanzen wie Getreide wurden geringe Mindererträge verzeichnet, die sich jedoch monetär durch die Einnahmen aus dem Stromverkauf mehr als kompensieren ließen.

Derzeit sind viele Agri-PV-Anlagen noch Versuchsstadium bzw. werden modellhaft angelegt. Hier gilt es rasch auf eine nennenswerte Kapazitätserweiterung hinzuarbeiten. Insbesondere mit dem Alten Land als wichtigem Obstanbaugebiet sowie einer Vielzahl an Auslaufflächen für Freiland-Nutztiere hat Niedersachsen große Potentiale, die es auszuschöpfen gilt.

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