Antrag: Zum Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele 2015 auch in Niedersachsen beitragen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der niedersächsische Landtag stellt fest:

  1. In der 55. Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 6. bis 8. September 2000 in New York wurden die Millenniumsentwicklungsziele (Millennium Development Goals/MDG) für das Jahr 2015 formuliert. 189 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, darunter auch Deutschland, unterzeichneten die entsprechende Deklaration. Es wurde ein Maßnahmenkatalog mit konkreten Ziel- und Zeitvorgaben verabschiedet und das übergeordnete Ziel formuliert, die Armut in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren.
  2. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober 2008 wurde die besondere Mitverantwortung der Bundesländer am Erreichen der Millenniumsziele unterstrichen und in einem von allen Bundesländern angenommenen Beschluss festgelegt. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler betonte diese Verantwortung der Bundesländer 2009 abermals und rief zu mehr Partnerschaften "auf Augenhöhe" mit Ländern in Afrika auf.  In Niedersachsen wurde 2009 eine Partnerschaft mit Tansania angekündigt. Bisher wurden aber die notwendigen Schritte für eine erfolgreiche dauerhafte Umsetzung nicht unternommen bzw. unterstützt. Im Gegenteil, die Mittel, die hierfür im Haushalt 2010 eingestellt wurden, sind im Haushalt 2011 auf Null zurückgefahren worden. So kann Niedersachsen bis heute keine Länderpartnerschaft mit Tansania "auf Augenhöhe" vorweisen.
  3. Auch eine Studie des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) hat deutlich gemacht, dass vor allem auch die Bundesländer und Kommunen Kompetenzen besitzen, das Erreichen der MDGs positiv mitzugestalten.
  4. Niedersachsen hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich weniger Geld für die Unterstützung von Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben. So haben sich die entwicklungsrelevanten ODA-Leistungen in Niedersachsen zwischen 1995 (2 225 767 Euro) und 2009 (1 198 000 Euro) geradezu halbiert. Seit 1994 sind die Leistungen um fast 25% gesunken, damit befindet sich Niedersachsen im Vergleich zu den anderen Bundesländern auf den hinteren Plätzen.
  5. Zur Erreichung der MDGs ist eine ausreichende Entwicklungsfinanzierung dringend erforderlich. Trotz des oft wiederholten Versprechens ist bisher nicht erkennbar, dass Deutschland bis zum Jahr 2015 mindestens 0,7% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitstellen wird. Zur Erreichung des 0,7%-Ziels müssten in den nächsten vier Jahren die ODA-Mittel (Official Development Assistance) des Bundes pro Haushaltsjahr um mindestens 1,2 Milliarden Euro anwachsen. Diese Forderung findet sich in einem aktuellen Aufruf für einen entwicklungspolitischen Konsens, der von Mitgliedern aus allen fünf Fraktionen im Bundestag initiiert wurde, wieder. Der Aufruf wird inzwischen von 353 Abgeordneten des Deutschen Bundestages  - und damit der Mehrheit  – unterstützt.

Der Landtag begrüßt die UN-Kampagne "No Excuse - 2015" ("Keine Ausrede - 2015"), um die Ziele der Millenniums-Erklärung in den Medien und der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Denn die Bürgerinnen und Bürger sind in der Deklaration ausdrücklich gewünschte Akteure.

Der Landtag unterstützt die UN-Millenniumsentwicklungsziele und wird im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu beitragen, sich an diesen Zielen zu orientieren.

Außerdem  fordern wir die Landesregierung auf:

  • bis Ende des Jahres 2011 ein Konzept vorzulegen, aus dem hervorgeht, wo in den einzelnen Ressorts Anknüpfungspunkte zu den  Millenniumsentwicklungszielen bestehen und in welcher Weise die Ressorts im Rahmen ihrer Aufgaben die Umsetzung der Ziele unterstützen. Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass die Ressorts in ihren Aktivitäten im Rahmen der Politikkohärenz die Umsetzung/Verwirklichung der Millenniumsentwicklungsziele nicht ver- bzw. behindern,
  • besonderes Augenmerk auf die vorhandenen vielfältigen Aktivitäten u.a. von Schulen (UNESCO-Schulen) und Universitäten zu legen. Die Kommunen im Rahmen von Agenda21-Prozessen weiterhin zu unterstützen und in ihrem Bestreben, Fair-Trade-Kommune zu werden. Gleichzeitig die Beschaffung des Landes Niedersachsen verbindlich an sozialen, klimafreundlichen und fairen Kriterien auszurichten und insbesondere Nicht-Regierungsorganisationen im Rahmen des ehrenamtlichen Engagements verstärkt finanziell zu fördern, ebenso wie engagierte Kirchengemeinden und Migrantenselbstorganisationen,
  • die bestehende Partnerschaft mit Eastern Cape, mit dem Ziel eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit nach dem Vorbild der Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda, auszubauen. Hierzu ist dem Landtag ein Gesamtkonzept vorzulegen und die bisherigen KooperationspartnerInnen einzubeziehen,
  • die Wiederaufnahme der Datenerhebung zu den Inhalten der entwicklungsrelevanten Leistungen, der ODA-Leistungen, voranzutreiben und zu gewährleisten,
  • die Kampagne "Deine Stimme gegen Armut" zu unterstützen,
  • sich auf Bundesebene für die Fortsetzung des Millenniumsentwicklungsziels 8 "Globale Partnerschaft für Entwicklung" einzusetzen, um den internationalen Rahmen für bessere Entwicklungschancen zu schaffen und im Sinne des angestrebten entwicklungspolitischen Konsens sich auf Bundesebene entsprechend dafür einzusetzen, dass Bund und Länder gemeinsam das 0,7%-Ziel und entsprechend mehr ODA-Mittel bis 2015 erreichen und dementsprechend mehr Mittel in die kommenden Haushalte einstellen.

Begründung

Auf der 55. Generalversammlung der UNO wurde ein konkreter Maßnahmenkatalog mit Ziel- und Zeitangaben verabschiedet, dabei verpflichteten sich die Einzelstaaten zum Erreichen der Ziele. Konkret wurden acht Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) bestimmt. Unter anderem ist in den Zielen festgelegt, dass der Anteil der an Armut und Hunger leidenden Menschen in der Welt bis 2015 halbiert werden soll. Die Bildungschancen sollten weltweit deutlich erhöht werden. Weitere Ziele sind die Gleichstellung der Geschlechter, die Senkung der Kindersterblichkeit, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung insbesondere während Schwangerschaft und Geburt, die Bekämpfung von Infektionskrankheiten wie AIDS oder Malaria, eine nachhaltige Umwelt und nicht zuletzt eine globale Partnerschaft. Diese acht Millenniumsentwicklungsziele werden durch 21 Zielvorgaben weiter konkretisiert.

Die Bestandsaufnahme 10 Jahre nach der Deklaration bei der UN-Konferenz in New York hat gezeigt, dass der Erfolg regional ungleich verteilt und meist noch nicht nachhaltig ist. Ein Erreichen der Ziele bis 2015 erscheint nicht überall realistisch. Umso mehr gelten die Worte von Kofi Annan, dem ehemaligen UN-Generalsekretär: "Die Millenniumsentwicklungsziele werden nicht bei den UN erreicht. Sie müssen in jedem einzelnen Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen durch die gemeinsamen Anstrengungen der Regierungen und Menschen verwirklicht werden."

Auch Deutschland hat sich verpflichtet zum Erreichen der MDGs beizutragen. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober 2008 wurde die Verantwortung der Bundesländer betont und es wurden acht Kernkompetenzen und Handlungsfelder für das Engagement der Länder festgelegt. So waren sich die Ministerpräsidenten einig, ihre Kompetenzen komplementär zum Bund und der internationalen Gemeinschaft  einzusetzen und damit zum Erreichen der MDGs beizutragen. Vor allem die Aktivitäten mit Partnerländern sollten intensiv ausgebaut werden. Bereits in den Jahren 1988, 1994 und 1998 gab es Beschlüsse der Ministerpräsidenten die sich auf folgende Schwerpunkte in der Entwicklungsunterstützung festlegten: Aus- und Fortbildung von Fachkräften vor Ort und im Inland, personelle Hilfe, Durchführung von Projekten in Entwicklungsländern und entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit. Diese Schwerpunkte finden sich im Beschluss von 2008 nicht wieder, obwohl gerade der Punkt der Bildungsarbeit Kompetenz der Länder ist und damit komplementär zu Bund und internationaler Gemeinschaft erfüllt werden könnte.

Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler forderte die Bundesländer in einer Rede auf der 2. Bonner Konferenz für Entwicklungspolitik im Jahr 2009  dazu auf, sich mehr und intensiver an der Entwicklungszusammenarbeit zu beteiligen. Er forderte die Bundesländer auf, Länderpartnerschaften mit mehr Nachdruck und Intensität aufzubauen und zu fördern. Als positives und vorbildliches Beispiel nannte er die Partnerschaft von Rheinland-Pfalz mit Ruanda. Der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff unterstützte diese Forderung und kündigte eine Partnerschaft zwischen Niedersachsen und Tansania an. Die Etablierung dieser Partnerschaft "auf Augenhöhe" scheiterte an fehlendem politischen Willen und der Kürzung der Mittel.

Um eine Partnerschaft nach dem Vorbild Rheinland-Pfalz zu erreichen, eignet es sich, die bereits bestehende Partnerschaft zu Eastern Cape weiter auszubauen. Diese Partnerschaft existiert seit 1995 und so könnten lange bestehende Strukturen genutzt und weiter ausgebaut werden.

Die Studie "Kommunale Entwicklungspolitik in Deutschland" des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) aus dem Jahr 2009 belegt, dass die Kommunen in der Lage sind  in mehreren Bereichen einen erfolgreichen Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit zu leisten. Die Kommunen können mit ihren Kompetenzen die deutsche Entwicklungspolitik wirkungsvoll ergänzen und damit auch einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung der MDGs leisten.

Ein positives Beispiel für den Beitrag der Kommunen zur Entwicklungszusammenarbeit ist die Möglichkeit sich als Fair-Trade-Kommune zu bewerben. Indem Kommunen ihr Beschaffungswesen auf Fair-Trade-Produkte umstellen tragen sie in einem wichtigen Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zur Verbesserung der Lebensumstände in den Entwicklungsländern bei, so kann Niedersachsen seinen eigenen Anforderungen in der Entwicklungszusammenarbeit gerecht werden und Einfluss nehmen auf das Marktgeschehen.

Politikkohärenz zu berücksichtigen ist in allen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit von großer Bedeutung. Vor allem im Bereich der Agrarsubventionen werden oft Schäden in den Entwicklungsländern angerichtet. So zerstören beispielsweise Hühnerfleisch-Importe aus Europa und den USA die Geflügelproduktion in den betroffenen afrikanischen Ländern und konterkarieren damit die Ziele entwicklungspolitischer Zusammenarbeit. Diese Exporte verzerren den Markt, zerstören Arbeitsplätze und die Einkommen der lokalen Produzenten.

Die Kampagne "Deine Stimme gegen Armut" ist die deutsche Version der internationalen Kampagne "Global Call to Action Against Poverty", die die Ziele der Armutsbekämpfung der breiten Bevölkerung aufzeigen soll und zum Engagement aufruft.

Eine Studie von Germanwatch (Juni 2011) belegt die Tendenz, dass die Bundesländer immer weniger bereit sind Angaben im Bereich der Aufschlüsselung der Leistungen und der Informations- und Bildungsarbeit zu erheben. Diese Daten sind dadurch nicht mehr verfügbar.

Gabriele Heinen -Kljajic

Parlamentarische Geschäftsführerin

Zurück zum Pressearchiv