Antrag: Wider den Überwachungswahn – ELENA aussetzen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

  1. Das Ausmaß der "Vorratsdatenspeicherung" ELENA steht in keinem Verhältnis zum Nutzen und widerspricht dem Gebot der Datensparsamkeit und der Verhältnismäßigkeit.
  2. Der Datensatz enthält zum Großteil Informationspflichten, die über den reinen Entgeltnachweis weit hinausgehen.
  3.  Bei dem heutigen Stand der Datensicherheit kann nicht sichergestellt werden, dass die sensiblen Daten der abhängig Beschäftigten missbraucht werden.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung unverzüglich eine Überarbeitung und umfassende Verschlankung der ELENA Datenermittlungs- und Speicherungsverordnung vorlegt, und die zentrale Sammlung der Daten aller Beschäftigten im ELENA-Verfahren bis zum Abschluss dieser Korrektur ausgesetzt wird. Ziel der Überarbeitung sind eine Reduktion der erfassten Daten auf das verwaltungstechnisch unabweisbar notwendige Minimum, eine kritische Überprüfung und ein Nachweis des Datenschutzes sowie eine Informationspflicht der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen über alle weitergeleiteten Daten gegenüber den Beschäftigte und
  2. wegen der datenschutzrechtlichen Bedenken und laufender gerichtlicher Verfahren derzeit aus Niedersachsen keine Daten von Beschäftigten im Landesdienst im Rahmen der ELENA Datenspeicherung an die Rentenversicherung zu übermitteln, bevor nicht eine wie unter a) dargestellt korrigierte ELENA Verordnung rechtskräftig vorliegt.

Begründung

Mit ELENA (elektronischer Einkommensnachweis) wurde bundesweit eine gigantische Datenbank eingerichtet. Daten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, welche für die Bewilligung von Arbeitslosengeld sowie weiterer Sozialleistungen erforderlich sein können, werden den zuständigen Stellen in elektronischer Form zur Verfügung gestellt. Absicht war ursprünglich, Kosten auf Arbeitgeberseite einzusparen, da die Archivierung und Ausstellung schriftlicher Papiere entfallen soll. Seit dem 1. Januar 2010 müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sämtliche Entgeltdaten ihrer Beschäftigten digital an eine zentrale Speicherstelle der Deutschen Rentenversicherung übermitteln. Dies, obwohl schon jetzt feststeht, dass der weit überwiegende Teil der vorrätig gehaltenen Daten niemals gebraucht werden wird. Neben den reinen Entgeltdaten können weitere sensible persönliche Daten über das Verhalten der Beschäftigten übermittelt werden. Betroffen sind rund  35 bis 40 Millionen Menschen. Über das, was durch die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber eingespeist wird, erfahren die Betroffenen nichts. Es besteht keine Benachrichtigungspflicht mit der Möglichkeit, Widerspruch gegen den Inhalt der Datenerfassung einzulegen. Es besteht lediglich ein Auskunftsanspruch gegenüber dem meldenden Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberin. 

Die Vorgänge der jüngsten Zeit belegen eindrücklich, dass die gesetzlichen Regelungen zum ELENA-Verfahren einer gründlichen Überprüfung bedürfen. Zweifellos kann ein gut gemachter elektronischer Entgeltnachweis zur Entbürokratisierung beitragen, Verwaltungsverfahren vereinfachen und so allen Beteiligten nutzen. Dies scheint aber bei der jetzigen Ausgestaltung des ELENA-Verfahrens nicht der Fall zu sein. Nach Verabschiedung der gesetzlichen Regelung und deren Umsetzung sind gravierende Probleme aufgetreten, die nicht nur aus datenschutzrechtlicher Sicht eine vorläufige Einstellung dieser Datensammlung unbedingt notwendig machen.

Ohne Kenntnis des Bundesdatenschutzbeauftragten und vor allem ohne dass dies im Gesetzgebungsverfahren offengelegt worden wäre, sind in die nach den Vorgaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (§ 97 Abs. 6 SGB IV) festgelegten von den Beschäftigten zu übermittelnden Datensätze auch Angaben zu Streik und Aussperrung sowie zu Abmahnungen und Kündigungsgründen aufgenommen worden. Eine korrigiert neu vorzulegende Verordnung der Bundesregierung muss sicherstellen, dass die Sammlung von Daten diese Informationen nicht mehr erfasst und tatsächlich auf das Notwendigste begrenzt wird.  Auch muss er sicherstellen, dass Betriebe keine Informationen weitergeben, die unrichtig sind oder die für die betroffenen Beschäftigten unberechtigterweise Nachteile mit sich bringen können. Es ist ein Gebot des Transparenzgrundsatzes, dass die Beschäftigten wissen, welche Daten der Betrieb über sie weitergibt, um hiergegen Widerspruch erheben zu können. Die jüngsten Absichtserklärungen der Bundesregierung reichen nicht aus. Eine gesetzliche Regelung, die nicht eindeutig festlegt, was gespeichert werden darf oder nicht, kann schon wegen ihrer Unbestimmtheit nicht akzeptiert werden.

Darüber hinaus ist in den letzten Monaten durch die vielfachen Datenskandale gerade in der Arbeitswelt offensichtlich geworden, dass zentrale Datensammlungen immer auch erhebliche Missbrauchspotenziale bieten. In Hinblick auf diese Skandale muss ELENA neu bewertet werden.

Dabei muss in der vorzulegenden neuen Verordnung - rechtlich und technisch - sichergestellt bleiben, dass der Zweckbindungsgrundsatz gewahrt wird und sich keine Behörde für weitere - gesetzlich nicht zugelassene - Zwecke Zugriff auf die ELENA-Daten verschaffen kann. In diesem Zusammenhang ist es ebenfalls zwingend, ELENA auch zukünftig so auszugestalten, dass der Zugriff auf die Daten nur mit einem Schlüssel möglich ist, den allein die Beschäftigten in der Hand halten. Nur unter diesen Bedingungen kann ein Missbrauch nach dem heutigen technischen Stand weitestgehend ausgeschlossen und ELENA so zu einem tatsächlichen Gewinn für Beschäftigte, Wirtschaft und Verwaltung werden.

Fraktionsvorsitzender

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