Antrag: Weiterentwicklung der Gesundheitsregionen für eine wohnortnahe, leistungsfähige und sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung in Niedersachsen

Hannover, den 22.10.2013

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Fraktion der SPD

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die zukünftige Sicherstellung der wohnortnahen und leistungsfähigen Gesundheitsversorgung stellt insbesondere ländliche Regionen in Niedersachsen vor große Herausforderungen. So sind die Folgen des demografischen Wandels und der Mangel an Pflegefachkräften schon heute in einigen Gemeinden deutlich spürbar. Dieses geht einher mit einem Attraktivitätsverlust des Haus- /Landarztes, schlechten Rahmenbedingungen für die Pflegeberufe, Existenzproblemen für kleinere Krankenhäuser und mangelhafter Mobilität durch Ausdünnung des ÖPNV. Dementsprechend kann die medizinische Versorgung gerade in der dünn besiedelten Fläche nur durch Schwerpunktbildungen und regionalen Kooperationen gewährleistet werden. Ziel muss es daher vorrangig sein, für eine bessere, sektorenübergreifende Verzahnung medizinisch ambulanter, stationärer, rehabilitativer und pflegerischer Versorgung zu sorgen. Die Weiterentwicklung der dafür notwendigen Rahmenbedingungen sind weitgehend durch den Bundesgesetzgeber zu schaffen.

In Niedersachsen haben vor diesem Hintergrund Ende 2010 das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration, die AOK Niedersachsen und die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen das auf drei Jahre angelegte Modellprojekt „Zukunftsregionen Gesundheit – kommunale Gesundheitslandschaften“ initiiert. Der Landtag hat dieses Vorgehen am 12.11.2010 einmütig unterstützt. In diesem Zuge sind die Landkreise Emsland, Heidekreis und Wolfenbüttel als Gesundheitsregionen benannt worden. Im Kern verfolgt das Modellprojekt einen ganzheitlichen Ansatz, der den Blick nicht nur auf einzelne Bereiche wie Krankenhäuser, Ärzte oder Pflegeeinrichtungen lenkt, sondern die verschiedenen Versorgungsbereiche miteinander vernetzt und bisherige Schnittstellen überwindet, um so die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu optimieren.

Die mehr als zweijährigen Erfahrungen in den Modellregionen haben gezeigt, dass sie bei unterschiedlichen Lösungsansätzen auf einem guten, aber noch nicht ausreichenden, Weg sind. Um zu nachhaltigen Strukturveränderungen zu gelangen, bedarf es daher einer Weiterentwicklung der Gesundheitsregionen und der Erprobung neuer Modelle im Sinne einer sektorenübergreifenden Rahmenplanung und der Weiterentwicklung integrierter Versorgungszonen.

In diesem Zusammenhang fordern wir die Landesregierung auf, die Gesundheitsregionen dahin gehend weiterzuentwickeln, dass…

  • die sektorenübergreifende Verzahnung verbessert wird und Kooperationen insbesondere zwischen den niedergelassenen Ärzten (ambulant) und Krankenhäusern (stationär) stärker gefördert und in Projekte der integrierten Versorgung weiterentwickelt  werden.
  • Mobilitätskonzepte fortentwickelt werden, die die Menschen in unterversorgten Regionen den hausärztlichen Besuch ermöglichen (z. B. Bürgerbus, Ruftaxis).
  • eine Ausweitung der Verlagerung nichtärztlicher Tätigkeiten auf nichtärztliches Fachpersonal stattfindet (Delegationsrecht, z. B. auf Praxispersonal oder  ambulante Pflegedienste).

Darüber hinaus fordern wir die Landesregierung auf,

  • die Weiterentwicklung der Gesundheitsregionen durch eine versorgungsepidemiologische Analyse unter Einbezug der regionalen Daseinsfürsorge und des ÖPNV nach dem Vorbild Mecklenburg-Vorpommerns zu begleiten.
  • den Aufbau weiterer Gesundheitsregionen unter Einbezug von Gesundheitskonferenzen zu initiieren.
  • die Gesundheitsförderung, Primärprävention und Patientensicherheit zu Themen innovativer Ansätze in den Gesundheitsregionen zu machen.
  • in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung die Verzahnung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes mit dem Rettungsdienst konsequent voranzutreiben und modellhaft zu erproben.
  • das neue Instrument des Landesausschusses nach § 90 SGB V zu nutzen und zugleich gegenüber der Bundesregierung die Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur sektorenübergreifenden Versorgung und zur Stärkung der Länderkompetenzen einzufordern.

Begründung

Die unzeitgemäße, künstliche Trennung zwischen medizinisch ambulanter, stationärer und pflegerischer Versorgung hat sich überlebt und führt durch ihr Nebeneinander zu einer Über-, Unter- und Fehlversorgung. Insbesondere in den ländlichen Gebieten Niedersachsens und angesichts des demografischen Wandels müssen jedoch Alternativen zur heutigen Form der Versorgung entwickelt werden. So ist davon auszugehen, dass auf der einen Seite durch die Überalterung der Gesellschaft die Zahl der Pflegebedürftigen massiv ansteigen wird und auf der anderen Seite junges Personal zur Fachkräftesicherung fehlt. Nach der Bertelsmann Stiftung entstehe so bis 2030 eine Personallücke allein in der Pflege von knapp 50.000 Vollzeitkräften. Dabei fehlen heute schon etwa 3000 Fachkräfte in der Pflege in Niedersachsen. Um die Versorgung für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern und vor allem sicherzustellen, brauchen wir eine bessere Orientierung an regionalen Versorgungsbedarfen. Hierzu muss das evidenzbasierte Vorgehen, die interdisziplinäre Kooperationskultur und ein abgestimmtes Zusammenarbeiten mit anderen Versorgungsbereichen zwingend vorangebracht werden. Zukunftsorientierend und handlungsleitend muss dabei übergreifend die Vermeidung von Krankheiten und die Gesundheitsförderung sein.

Die Gesundheitsregionen sind in dieser Hinsicht ein wichtiger Schritt, um die medizinische Versorgung in Niedersachsen sektorenübergreifend zu verbessern und langfristig zu sichern. In den drei Modellregionen Emsland, Heidekreis und Wolfenbüttel ist es gelungen, eine breite sektorenübergreifende Kommunikation und Vernetzung zu etablieren. Darauf soll nun unter Hinzuziehung positiver und erfolgreicher Projektansätze der integrierten Gesundheitsversorgung in anderen Bundesländern (wie z. B. das Projekt „Gesundes Kinzigtal“) aufgebaut werden, wenn es darum geht, die vorhandenen innovativen Ansätze in den Gesundheitsregionen weiterzuentwickeln, um somit die regionale und sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung in Niedersachsen auszubauen.

Die GMK hat zuletzt am 01.07.2010 mit Zustimmung aller 16 Bundesländer die Stärkung der Länderkompetenzen, u.a. bei der Bedarfsplanung, gefordert. Gerade für ländliche Regionen müssen die Länder die Möglichkeit haben, eine sektorenübergreifende Versorgung sicherzustellen. Bisher scheitert dieses häufig an unterschiedlichen Zuständigkeiten und Finanzierungsgrundlagen. Das Geld folgt bisher nicht der Leistung, sondern ist in sektoralen Zuständigkeiten eingebunden.

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