Antrag: Weitere Vertiefungen von Unter- und Außenweser schaden der Wirtschaft, gefährden die Deichsicherheit und verstoßen gegen geltendes Naturschutzrecht

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

-Durch die geplanten Vertiefungen von Unter- und Außenweser drohen Niedersachsen erhebliche ökonomische Nachteile in der Landwirtschaft, der Fischerei und der Tourismuswirtschaft.

-Mit dem Bau des Tiefwasserhafens Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven stehen in absehbarer Zeit ausreichende Hafenkapazitäten für Containerschiffe der neuesten Generation zur Verfügung. Eine weitere Vertiefung der Außenweser zugunsten des Hafens Bremerhaven lässt sich daher nicht rechtfertigen. Ein weiterer Zubau von Containerterminals in Bremerhaven ist nicht mehr möglich. Die Kooperation der Länder Niedersachsen und Bremen bei Bau und Nutzung des neuen Jade-Weser-Port macht eine weitere Weservertiefung für tiefgehende Containerschiffe überflüssig.

-Weitere Flussvertiefungen und andere Eingriffe in unsere Flussästuare sind unter den Bedingungen des Klimawandels nicht mehr vertretbar. So ist damit zu rechnen, dass als Folge eines erneuten Weserausbaus die Deichsicherheit und damit die Sicherheit zahlreicher Menschen an Unter- und Außenweser immer weniger oder nur noch zu unverhältnismäßig hohen Kosten zu gewährleisten ist.

-Im Rahmen des laufenden Genehmigungsverfahrens wurde festgestellt, dass erhebliche ökologische Schädigungen des als FFH-Gebiet geschützten Weserästuars durch die Weservertiefung zu erwarten sind. Damit liegen die naturschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung nicht vor.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf, das erforderliche Einvernehmen im laufenden Verfahren zur Vertiefung von Unter- und Außenweser nicht zu erteilen, da die rechtlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung nicht gegeben sind.

Begründung:

Der Salzgehalt der u.a. als Viehtränke genutzten Zuwässerungsgräben in der Wesermarsch ist aufgrund der  zahlreichen bisherigen Weservertiefungen vor allem in den Sommermonaten deutlich erhöht. Dazu kommen die Belastungen der Weser durch Laugeneinleitungen der Kaliindustrie in Hessen. Bereits heute werden beim Einlauf in das historische Sielsystem Salzgehalte des Wassers von 6 Promille bzw. 6 Milligramm pro Liter gemessen. Empfehlungen des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft gehen davon aus, dass Salzgehalte oberhalb von 2,5 mg/l bedenklich sind. Durch eine erneute Vertiefung der Weser würde der Salzgehalt im Jahresmittel um mindestens weitere 0,5 mg ansteigen; insbesondere in den Sommermonaten mit geringerem Süßwasserzufluss ist mit einem deutlichen höheren Anstieg der Salinität zu rechnen. Ferner würde die Brackwasserzone um mindestens einen Kilometer weiter flussaufwärts verlagert. Jede weitere Erhöhung des Salzgehaltes würde die Gräben als Viehtränke unbrauchbar machen und das Ökosystem der Gräben empfindlich stören. Für die aufgrund der standörtlichen Bedingungen (absolutes Grünland) auf Milchviehwirtschaft mit Weidehaltung spezialisierte Landwirtschaft in der Wesermarsch wäre diese Entwicklung existenzbedrohend. Alle ggf. tragfähigen Maßnahmen zur Lösung dieses Problems würden Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe und jährliche Betriebskosten von bis zu 900.000 Euro verursachen.

Weitere wirtschaftliche Nachteile für die Region sind in den Bereichen Fischerei und Tourismus zu erwarten. Der Fedderwarder Priel, die Zufahrt zum Fischerei-, Tourismus- und Yachthafen Fedderwardersiel ist aufgrund der bisherigen Weservertiefungen erheblich verschlickt und nur noch sehr eingeschränkt nutzbar. Schon jetzt gibt es Überlegungen bei Fischereibetrieben, den Hafen Fedderwardersiel zu verlassen. Das Ausflugsschiff Wega hat ebenfalls bereits mit deutlichen Einschränkungen der Schiffbarkeit des Priels zu kämpfen. Eine mit weiteren Flussvertiefungen zunehmende Verschlickung des Priels hätte unweigerlich das Ende des Hafens Fedderwardersiel in seiner bisherigen Nutzung zur Folge. Der Landkreis Wesermarsch und die Gemeinde Butjadingen beziffern die wirtschaftlichen Einbußen durch einen in bisheriger Form nicht mehr nutzbaren Hafen Fedderwardersiel auf 46 Millionen Euro. Die wirtschaftlichen Einbußen wären zudem mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und der Gefährdung wirtschaftlicher Existenzen verbunden. In Zusagen, dass Bedenken und Einschränkungen im Planfeststellungsverfahren berücksichtigt und Nachteile ausgeglichen würden, haben die Bürgerinnen und Bürger in Butjadingen zu Recht kein Vertrauen mehr. Die mit einstimmigem Beschluss des Landtages vom 04.11.1997 zugesicherte Freihaltung des Fedderwarder Priels wäre dann endgültig Makulatur.

Mit dem Jade-Weser-Port stehen in absehbarer Zeit ausreichende Kapazitäten zur Abfertigung größerer Containerschiffe zur Verfügung. Eine parallele Vertiefung der Außenweser zur besseren Erreichbarkeit Bremerhavens mit großen Containerschiffen ist aus infrastrukturpolitischen Gesichtspunkten unsinnig. Statt einer besseren Kooperation der norddeutschen Seehäfen, wie sie u.a. in dem im Jahr 2006 im Auftrag der Bundesregierung vorgelegten Gutachten "Nachhaltigkeitsaspekte der nationalen Seehafenkonzeption" vorgeschlagen wird, wird die Konkurrenz der norddeutschen Seehafenstandorte weiter vorangetrieben. Diese hafenpolitische Kleinstaaterei der norddeutschen Bundesländer Hamburg, Bremen und Niedersachsen ist Ursache für unangemessen niedrige, nicht annähernd kostendeckende Hafengebühren. Durch die massive Subventionierung der norddeutschen Seehäfen und die Kosten für Herstellung und Aufrechterhaltung immer tieferen Fahrwassers in den Mündungen von Weser und Elbe werden fortwährend in erheblichem Umfang Steuergelder verschwendet.

Zusätzlich birgt die beabsichtigte Weservertiefung eine Reihe weiterer Risiken für Deichsicherheit und Küstenschutz. Ein höheres Auflaufen der Tide selbst bei "normalen" Wetterbedingungen wird seitens des Vorhabenträgers eingeräumt. Nach inzwischen fast einhelliger Expertenmeinung wird der Anstieg des Meeresspiegels mittelfristig deutlich stärker ausfallen als bisher erwartet. Gleichzeitig wird eine deutliche Zunahme der Intensität und Häufigkeit von Sturmfluten prognostiziert. Durch weitere Flussvertiefungen dringen Sturmfluten zusätzlich zu höherem Auflaufen weiter in das Binnenland vor. Die damit einhergehenden Risiken für Leib und Leben der Menschen sind deshalb kaum abschätzbar.

Aufgrund der im Zuge des laufenden Planfeststellungsverfahren vorgelegten Gutachten muss von erheblichen Beeinträchtigung der FFH-Gebiete "Unterweser", "Weser bei Bremerhaven" und "Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate" durch eine weitere Vertiefung der Weser ausgegangen werden. Voraussetzung, das Vorhaben trotz erheblicher Beeinträchtigen dieser europäischen Schutzgebiete zu genehmigen, wären "zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses”¦" Diese liegen jedoch aufgrund der erheblichen wirtschaftlichen Nachteile für die Region, der zum Teil dauerhaften zusätzlichen Belastungen der öffentlichen Haushalte und der weiteren Gefährdung der Deichsicherheit nicht vor, im Gegenteil! Die Genehmigung des Vorhabens und damit auch das Einvernehmen Niedersachsens wären somit ein klarer Verstoß gegen europäisches und nationales Naturschutzrecht.

Fraktionsvorsitzender

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