Antrag: Weg frei für Wanderfische an der Elbe: Fischaufstiegsmöglichkeiten am Stauwehr Geesthacht wiederherstellen, Durchlässigkeit im Flussgebiet Elbe endlich umsetzen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Europas größte Fischtreppe am Wehr Geesthacht war ein Erfolgsmodell. Seit der Inbetriebnahme im Jahr 2010 nutzten jährlich bis zu 500.000 Fische und Neunaugen den Fischpass am Nordufer der Elbe. Die Fischtreppe am niedersächsischen Südufer ist zwar deutlich kleiner dimensioniert, hatte für einige schwimmstarke Arten wie Aal, Blei, Flussneunauge und Güster jedoch eine gleichrangige Bedeutung[1].

Seit August 2019 sind beide Fischtreppen außer Betrieb, womit das Stauwehr Geesthacht für Fische zu einem unpassierbaren Hindernis wird. Nachdem Schäden und Unterspülungen am Stauwehr festgestellt wurden, hat das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt die südliche Fischtreppe zugeschüttet. Die Strömungsrinnen der nördlichen Fischtreppe wurden zubetoniert, wodurch die Lockströmung versiegte, die den Wanderarten den Weg zur Aufstiegshilfe signalisiert. Erst 14 Monate später wurde eine Hebeleitung installiert, die die Lockströmung provisorisch wiederherstellte. Diese musste im Februar 2021 witterungsbedingt jedoch wieder abgebaut werden.

Der Ausfall beider Fischtreppen am Stauwehr Geesthacht ist eine Katastrophe für das ohnehin schon schwer geschädigte Ökosystem der Elbe. Die Erfolge der Wiederansiedlungsprojekte für Lachs, Meeresforelle und Stör sind akut gefährdet. Aktuell sind die Fischwanderrouten bereits im zweiten Jahr gestört. Nicht nur die Bestände des Stints stehen in Folge der Elbvertiefungen ohnehin durch Trübung, sinkenden Sauerstoffgehalte, zunehmendem Tidehub und Verschlickung unter zusätzlichem Druck.

Der Landtag stellt fest, dass entsprechend der Verpflichtungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie bis zum Jahr 2027 signifikante Verbesserung beim ökologischen Zustand und der Durchlässigkeit des Flussgebiets Elbe zu erreichen sind. Dabei ist es ein prioritäres Ziel, die Durchlässigkeit der Fließgewässer wiederherzustellen und die Vernetzung von Wanderrouten, Laich- und Aufzuchtgewässern zu sichern.

Durch die Stilllegung der Kohlekraftwerks Moorburg in Hamburg ist der Betreiber Vattenfall nicht mehr dauerhaft verpflichtet, die Fischtreppe Nord, die als Ausgleichsmaßnahme an die Genehmigung des Kohlekraftwerks gebunden war, weiterzutreiben.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich im Bund dafür einzusetzen,

  • dass die dauerhafte Lösung der Lockströmungsrinnen auf der Überlaufschwelle des Wehrs bis spätestens 31.08.2022 realisiert und die provisorischen Fischaufstiegsmöglichkeiten am Südufer des Stauwehrs Geesthacht wieder in Betrieb genommen werden,
  • dass die Fischaufstiegsanlage Nord künftig durch den Bund betrieben wird. Verhandlungen mit Vattenfall über die Bedingungen der Übernahme dürfen zu keiner Verzögerung der Wiederinbetriebnahme führen,
  • die Fischaufstiegsanlage Süd entsprechend dem heutigen Stand der Technik neu zu bauen und naturschutzfachlich zu optimieren, um auch schwimmschwachen Arten sowie einer deutlich größeren Anzahl von Fischen den Aufstieg zu ermöglichen. Die Bestandsanlage ist bis zur Umsetzung der Ertüchtigung und auch während der Arbeiten wieder in Betrieb zu nehmen. Hierbei sind Naturschutzverbände und die unteren Naturschutz- und Wasserbehörden des Landkreises Harburg einzubinden,
  • dass der bauliche Zustand von Fischtreppen und Wehr auch vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Elbvertiefung künftig engmaschig überprüfen wird und notwendige Reparaturen rechtzeitig durchgeführt werden, damit die Fischdurchlässigkeit nicht erneut kurzfristigen Stabilisierungsmaßnahmen zum Opfer fällt. Die fachliche Kontrolle des technischen Zustands der Fischaufstiegsanlagen hat in angemessenem Umfang und Zeitabständen zu erfolgen,
  • dass in Zusammenarbeit mit der Flussgebietsgemeinschaft Elbe festgelegt wird, wieviel Individuen einer jeweiligen Fischart den Aufstieg meistern können müssen, um den Erhalt der Art zu sichern, denn der Aufstieg einzelner Fische belegt zwar die theoretische Durchlässigkeit, gewährleistet aber nicht das Ziel des Arterhalts.
  • Forschungen zur Auswirkung der Elbvertiefung an der Unterelbe und den dadurch entstehenden stärkeren Tidenhub auf die Standfestigkeit von Bauwerken wie der Staustufe Geesthacht in Auftrag zu geben.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • einen priorisierten Fahrplan vorzulegen für die Beseitigung von Hindernissen für Wanderfische und Neunaugen an den Elbe-Seitenflüssen im Zuständigkeitsbereich des Landes,
  • gemeinsam mit den örtlichen Akteuren ein Konzept für Durchführung und Finanzierung zu erarbeiten, um den Rönner und Niedermarschachter Werder als aquatischen Verbundkorridor zu öffnen,
  • gemeinsam mit dem Bund ein dauerhaftes, kontaktfreies Monitoring für die Fischdurchlässigkeit im Flussgebiet Elbe umzusetzen, um den Umsetzungsstand der Durchlässigkeit, die Wirksamkeit der Aufstiegshilfe sowie bestehende Barrieren für die betroffenen Arten zu erfassen und auszuwerten. Dabei sind auch die ökologischen Folgen der Elbvertiefung auf die Fischbestände zu untersuchen,
  • die Einhaltung der Angelverbotszonen an der Elbe in Kooperation mit den Schleswig-Holsteiner Behörden und insbesondere am Stauwehr Geesthacht zu sichern, um die am Aufstieg gehinderten Fische zu schützen.

Begründung

Für die Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, der Wasserrahmenrichtlinie sowie des Aal-managementplans für das Flussgebiet der Elbe kommt einer möglichst optimalen Passierbarkeit der Staustufe Geesthacht für stromaufwärts und stromabwärts wandernde Fische und Neunaugen eine herausragende Bedeutung zu. Durch die Inbetriebnahme des nördlichen Fischpasses nach dem Stande der Technik im Jahr 2010 hatte sich die Passierbarkeit der Staustufe Geesthacht maßgeblich verbessert.

Errichtet und betrieben wurde der nördliche Fischpass vom Energiekonzern Vattenfall, als ökologische Schadensbegrenzungsmaßnahme für die Kühlwassernutzung des Kohlekraftwerks Moorburg. Mitte 2021 soll das fossile Kraftwerk endgültig stillgelegt werden, wodurch auch die Pflicht des Betreibers zum Betrieb der Fischtreppe erlischt. Der Bund verhandelt derzeit mit Vattenfall über eine Übernahme des Fischpasses.

Damit die Fische die nördliche Fischtreppe finden, brauchen sie eine Lockströmung. Die Rinnen, in denen für diesen Zweck Wasser über die Wehrmauer fließt, wurden vom WSV im August 2016 zugeschüttet. 14 Monate lang war die Fischtreppe dadurch blockiert.

Provisorisch wurden dann 10 Rohrleitungen mit je einem Durchmesser von 60cm verlegt, die an dieser Stelle Wasser über das Wehr leiten, Kosten: 300.000 Euro. Das Provisorium ginge Ende September 2020 in Betrieb – und musste im Februar 2021 wegen hoher Wasserstände wieder abgebaut werden. Der Wiederaufbau ist frühestens Anfang April möglich.

Der südliche Fischpass am niedersächsischen Elbufer entspricht nicht dem heutigen Stand der Technik, wodurch die Aufstiegskapazität sowie die Nutzbarkeit und Auffindbarkeit insbesondere für schwimmschwache Arten beeinträchtigt ist. Eine möglichst zeitnahe Neugestaltung um die Durchlässigkeit am Wehr deutlich zu verbessern, ist unumgänglich.

Die Stiftung Lebensraum Elbe hat bereits im Dezember 2016 eine Machbarkeitsstudie vorgelegt, zur „Gestaltung eines naturnahen, regelmäßig durchflossenen Gewässersystems auf dem südlichen Elbufer im Bereich des Wehrs Geesthacht“. Im Bereich des Rönner und Niedermarschachter Werders bietet sich demnach die Möglichkeit, Tidelebensräume wiederherzustellen und einen aquatischen Biotopverbund zwischen Mittelelbe und Tideelbe zu schaffen, der insbesondere leistungsschwachen Fischarten einen alternativen Wanderkorridor bieten. Vorhandene Vorlandstrukturen mit engeren und breiteren Gräben bzw. Prielen sollen einen dauerhaften Zustrom bei normalen Abflussverhältnissen vom Oberwasser erhalten und gleichzeitig vom Unterwasser her tidebeeinflusste Bereiche geschaffen werden. Aktuell sind die Verkaufsgespräche der Stiftung Lebensraum Elbe mit den Grundstückseigentümern des Werders abgeschlossen und durchweg positiv verlaufen.

[1] Vgl. Antwort der Landesregierung auf Grüne Anfrage, Drs. 18/5835

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