Antrag: Vorsorge treffen für die Auswirkungen des Klimawandels: Hochwasser- und Katastrophenschutz in Niedersachen verbessern!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Im Juli 2021 erlebten die Menschen der betroffenen Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine der bisher schlimmsten Naturkatastrophen in Deutschland in der Nachkriegszeit. Weit über 150 Tote sind zu beklagen, darüber hinaus viele Verletzte. Die Schäden belaufen sich auf über 30 Milliarden. Häuser, Dörfer, Straßen und Bahnstrecken wurden zerstört, auch die Trinkwasser- und die Stromversorgung wurden schwer beschädigt.

Feuerwehr, THW und Hilfsorganisationen waren schnell zur Stelle. Überwiegend waren hier ehrenamtlich Tätige im Einsatz. Sie nahmen und nehmen eine zentrale Rolle bei der Rettung von Hilfsbedürftigen, ihrer Unterbringung, der medizinischen Versorgung und bei der Verteilung von Lebensmitteln und dem Wiederaufbau ein. Für einen gut vorbereiteten Bevölkerungs- und Katastrophenschutz kommt der kurzfristigen Mobilisierung freiwilliger Helfer*innen und ihrer erfolgreichen Integration bei der Katastrophenbewältigung eine zentrale Rolle zu.

Die dramatischen Starkregen- und Hochwasserereignisse müssen auch in Niedersachsen Konsequenzen für eine bessere Klimavorsorge beim Hochwasser- und Katastrophenschutz haben. Das Wassermanagement und die Notfallvorsorge müssen schnellstmöglich verbessert werden, um unsere Kommunen und die Infrastruktur zu schützen. Eine wirksame Vorsorge kann im Ernstfall Leben retten.

Durch die Klimakrise werden solche Extremwettereignisse häufiger. Auch andere klimabedingte Risiken wie etwa Hitzewellen, Wassermangel, Wald- und Moorbrände nehmen durch die menschengemachte Erderwärmung zu. Der Klimaschutz in Bund, Land und Kommunen muss daher massiv verstärkt werden, um das Ziel einer Begrenzung der Klimaerhitzung auf 1,5 Grad noch erreichen zu können und damit unbeherrschbare Klimakatastrophen zu verhindern.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. die Investitionen in den Klimaschutz deutlich zu steigern und ein wirksames Maßnahmenpro-gramm vorzulegen, um Niedersachsen auf 1,5-Grad-Kurs zu bringen.
  2. den Flächenverbrauch wie im neuen niedersächsischen Naturschutzgesetz festgelegt von derzeit 7 Hektar pro Tag auf 3 ha bis 2030 und Nettonull im Jahre 2050 - deutlich zu reduzieren und dies endlich mit konkreten Maßnahmen umzusetzen. Mit einer landesweiten Entsiegelungsplanung und einem Baustopp in Überschwemmungsgebieten sind Flächen für die Versickerung von Niederschlägen zu sichern und zurückzugewinnen.
  3. Synergien zwischen Naturschutz und Wassermanagement für eine ökologische Hochwasservorsorge zu nutzen und
    • Bächen und Flüssen wieder mehr Raum zu geben. Die Renaturierung von Gewässern und Auen, die Schaffung von Rückhalte- und Überschwemmungsflächen sowie Poldern sind verstärkt zu fördern und im Hinblick auf den Hochwasserschutz zu priorisieren,
    • mit einer ökologischen Flurbereinigung Anreize für Hochwasserschutz und ein modernes Wassermanagement zu schaffen,
    • für den ökologischen Hochwasserschutz innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) zusätzlich mindestens 80 Mio. Euro bis 2025 bereitzustellen,
    • die Wiedervernässung und Renaturierung von Mooren als natürliche Wasserspeicher aus den EU-Programmen für Hochwasser- und Klimaschutz deutlich aufzustocken und deren Umsetzung zu beschleunigen,4.     
  4. die Finanzierung der kommunalen Starkregenvorsorge zu verbessern durch eine Umlagefähigkeit auf die Abwassergebühr nach dem Vorbild NRW,
  5. das kommunale Regenwassermanagement mit einem Programm für „Schwamm-Kommunen" in Höhe von 50 Mio. Euro zu unterstützen um die Begrünung von Dächern, Fassaden und öffentlichen Flächen, Baumpflanzungen sowie die Entsiegelung von Flächen zu fördern. Hier muss das Land auch auf eine stärkere finanzielle Unterstützung durch den Bund hinwirken.
  6. auf eine klima- und wasserschonende Bewirtschaftung in Land- und Forstwirtschaft hinzu-wirken, um das Potential von Böden, Wäldern und Mooren als CO2-Senke und Wasserspeicher zu aktivieren,
  7. wie von den Kommunen gefordert eine stärkere Rolle beim Katastrophenschutz in Groß-schadenslagen zu übernehmen. Dazu gehört auch ein landesweit koordinierender Katastrophenstab und eine stärkere Abstimmung mit dem Bund etwa bei Warnhinweisen von Wetterdiensten.
  8. den Katastrophenschutz an die veränderten Klimarisiken wie Starkregenereignisse, Hoch-wasser, Moor- und Waldbrände anzupassen und zu verstärken. Dazu gehören auch an diese Risiken angepasste Allradfahrzeuge, Löschhubschrauber und Material.
  9. die Zuschüsse des Landes für im Katastrophenschutz tätige Hilfsorganisationen und Feuer-wehren dauerhaft auf 6 Mio. Euro jährlich zu verdreifachen.
  10. statt wie geschehen 80 Prozent der Sirenen abzubauen, wieder für ein flächendeckendes, einheitliches Alarmsystem zu sorgen. Dazu gehören akustische Alarme aber auch Warnsysteme per SMS.
  11. wie von den Kommunen gefordert verstärkt eine zentrale Lagerung von Katastrophenschutz-ausrüstung bereitzustellen und mobile Katastrophenschutzeinheiten in Bereitschaft zu halten.
  12. die Nachwuchsgewinnung bei Feuerwehr und Hilfsorganisationen durch bessere Bezahlung und Ausbildungsvergütung zu erleichtern und sie bei der Gewinnung neuer - auch ehrenamtlich - Engagierter sowie bei der Ausbildung der Aktiven zu unterstützen.
  13. einen gut ausgestatteten Katastrophenschutz als Pflichtaufgabe der Daseinsvorsorge wahr-zunehmen. Die Ausstattung der Feuerwehren und Katastrophenschutzorganisationen darf nicht von der kommunalen Kassenlage abhängen.
  14. eine landesweite Plattform zu schaffen, die die ehrenamtlichen Helfer*innen über einerseits aktuelle und zeitbegrenzte Projekte sowie Organisationen informiert und über die andererseits eine Organisation sowie Einbindung von Spontanhelfer*innen ermöglicht werden kann.
  15. die Nachwuchsgewinnung bei den Ehrenamtlichen durch engere Zusammenarbeit zwischen Schulen, z.B. in Form von Projektwochen, sowie an Hochschulen, z.B. fachbezogen bei Einführungsveranstaltungen, zu fördern.
  16. eine Anerkennungskultur zu fördern hinsichtlich der im ehrenamtlichen Engagement erlernten Fähigkeiten in Beruf, Ausbildung oder Studium sowie die praktische Anerkennung durch beispielsweise die Finanzierung von Freizeiten oder festliche Aktivitäten zu fördern.

Begründung

Der Klimawandel erhöht die Wahrscheinlichkeit extremer Regenfälle und damit von Hochwasserkatastrophen, das bestätigt eine Studie der World Weather Attribution Initiative unter Beteiligung des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Mit weiter steigenden Temperaturen werden derart extreme Starkregenereignisse häufiger, da eine wärmere Atmosphäre mehr Wasser speichern könne.

Auch Niedersachsen ist davon betroffen. Das letzte große Starkregenereignis mit erheblichen Überschwemmungen erfolgte im Juli 2017. Nach mehreren Tagen Starkregen wurde in Teilen Niedersachsens Katastrophenalarm ausgerufen. Nach Zahlen des Deutschen Wetterdienstes fiel innerhalb dieser weniger Tage so viel Regen wie sonst im ganzen Monat Juli. In Ost- und Südniedersachsen entstanden dadurch erhebliche Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Auch im Mai 2013 traten bereits wegen anhaltender starker Regenfälle Bäche und Flüsse im Flusseinzugsgebiet von Aller, Leine und Oker über die Ufer.[1]

Auch das Risiko von Hitze- und Dürreperioden steigt durch die Klimakrise. In Folge der Hitzesommer 2018, 2019 und 2020 kam es zu zahlreichen Waldbränden. Insgesamt 270 Waldbrände erfasste das Landwirtschaftsministerium 2020, im Jahr 2019 waren es sogar 285 Brände – deutlich mehr als in den Vorjahren.[2]

Bei der Bekämpfung der Katastrophenlage sind ehrenamtlich Tätige eine tragende Säule, die auch in Zukunft maßgeblich zur Bewältigung der Herausforderungen durch Unwetter oder Brände beitragen werden. Zur systematischen Fortentwicklung und Unterstützung der ehrenamtlichen Strukturen bedarf es Maßnahmen, die in einer Gesamtstrategie des Landes eingebettet sein sollten und interministeriell und überbehördlich koordiniert werden. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Anerkennung, Ausstattung und Ausbildung sowie Nachwuchsgewinnung. Außerdem bedarf es in den örtlichen Krisenstäben auch hauptamtlich abgesicherte Kompetenzen zur Koordination, die auf die Angebote örtlicher, insbesondere auch der "spontanen" Helfer*innen vorbereitet sind.

Der Niedersächsische Landkreistag hat wiederholt festgestellt, die bisherigen Finanzmittel des Landes für den Katastrophenschutz seien in keiner Weise ausreichend. Hier müsse eine den Herausforderungen entsprechende Finanzierung wie in anderen Flächenbundesländern im dreistelligen Millionenbereich bereitgestellt werden. Die Strukturen stammten in ihrem Aufbau weitgehend aus den 70er Jahren des vorherigen Jahrhunderts. Daher forderte die Landkreisversammlung, dem Bereich der Krisenvorsorge und des Bevölkerungsschutzes mehr Aufmerksamkeit schenken, denn es bestehe dringender Handlungsbedarf. Im Bereich des Katastrophenschutzes sei eine völlig andere Prioritätensetzung notwendig.

[1]https://www.kreiszeitung.de/lokales/niedersachsen/unwetter-katastrophe-ueberflutungen-in-niedersachsen-jederzeit-moeglich-zr-90867488.html

[2]https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Waldbraende-in-Niedersachsen-nehmen-zu,waldbrand680.html

Zurück zum Pressearchiv