Antrag: Umorganisation der Landesaufnahmestellen für Asylbewerber, Spätaussiedler und jüdische Emigranten Drs. 15/709

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 14.01.04

Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag stellt fest,
dass insbesondere bei den Asylbewerbern und den Spätaussiedlern die Zuzugszahl in den letzen 2 Jahren erheblich zurückgegangen ist und nicht mit einer Ausweitung zu rechnen ist. Daher sind auch nach Auffassung des Landesrechnungshofs erhebliche Umorganisationen hinsichtlich der 4 noch bestehenden Aufnahmeeinrichtungen des Landes für Asylbewerber, Spätaussiedler und jüdische Emigranten vorzunehmen, nicht zuletzt um die angespannte Haushaltslage des Landes zu entlasten.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
das niedersächsische Aufnahmegesetz sowie alle von diesem Antrag betroffenen sonstigen Gesetze und Erlasse so zu überarbeiten, dass sie den folgenden Kriterien entsprechen:
- Verringerung der Aufenthaltsdauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen von derzeit ca. 4 Wochen auf höchstens 10 Tage
- Nach Abschluss des Aufnahmeverfahrens werden die Asylbewerber dezentral untergebracht.
- Die Unterbringung in den Städten und Gemeinden erfolgt nach Kriterien des sozialen Wohnungsbaus.
Daraus folgt:
- Alle vom Land betriebenen Wohnheime werden mit Auslaufen der derzeitigen Betreiberverträge aufgelöst. Alle zukünftig von den Kommunen abgeschlossenen Verträge unterliegen Mindeststandards zur Unterbringung, die sich am sozialen Wohnungsbau orientieren.
- Die Überkapazitäten noch bestehender Aufnahmeeinrichtungen des Landes für Asylbewerber, Spätaussiedler und jüdische Emigranten werden abgebaut.
- Auf eine Neukonzeption der Landesregierung für die Landesaufnahmestelle Bramsche wird verzichtet, stattdessen erfolgt die Schließung der Landeseinrichtung.

Begründung
Menschen, die nach Flucht und Verfolgung Zuflucht in der Bundesrepublik suchen, haben Anspruch auf eine menschenwürdige Unterbringung, Versorgung und Betreuung. Die diesen Bereich näher regelnde Landesgesetze und Erlasse müssen sich an humanitären Kriterien orientieren.
In den ersten 6 Monaten des Jahres 2003 haben bundesweit ca. 26000 Menschen in Deutschland um Asyl nachgesucht. Im Vergleich zum 2. Halbjahr 2002 sank die Zahl der Asylanträge um 24 Prozent, im Vergleich zum 1. Halbjahr 2002 sank die Zahl der Asylanträge um 27 Prozent. Trotz zahlreicher Krisenherde und Kriege auf der Welt ist nach Meinung von Fachleuten aufgrund der restriktiven Drittstaatenregelung und der Abschottungspolitik der EU auch weiterhin mit einem Rückgang, bzw. zumindest von einer Stagnation auszugehen.
Auch die Zuzugszahlen von Spätaussiedlern sind in den vergangenen Jahren und insbesondere im Jahr 2003 erheblich zurückgegangen. Zogen noch im August 2002 8590 Spätaussiedler in die Bundesrepublik waren es im August 2003 nach Aussage des Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, Jochen Welt MdB, lediglich noch 5.181 Personen. Der Bundesbeauftragte betonte, dass die stark zurückgehenden Antragszahlen ohnehin signalisieren, dass die Zuwanderung in wenigen Jahren beendet sein wird. Ebenso zeigt sich, dass der Zugang jüdischer Emigranten stagniert. Wurden im Jahr 2001 noch 2225 Personen (Auslastung ca. 63 %) in der LaSt Bramsche aufgenommen, waren es im Jahr 2002 lediglich noch 1299 Personen (Auslastung ca. 40 %)
Angesicht dieser Entwicklung und der Tatsache, dass auch der Bericht des Landesrechnungshof über die Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfung der Aufnahmestellen des Landes für Asylbewerber, Spätaussiedler und jüdische Emigranten gezeigt hat, welche organisatorischen und wirtschaftlichen Mängel die jeweiligen Einrichtungen aufweisen, ist eine Neukonzeptionierung und ein damit verbundener Rückbau der Einrichtungen notwendig. Die Neukonzeptionierung muss die wissenschaftliche Erkenntnis berücksichtigen, dass die Unterbringung von Menschen auf engstem Raum in Lagern zu lagertypischen Erkrankungen und Auffälligkeiten führt. Darüber hinaus ist die Unterbringung von Flüchtlingen in Lagern und Gemeinschaftsunterkünften über einen längeren Zeitraum hinweg diskriminierend und inhuman. Sie führt zu Isolation, Stigmatisierung und erschwert bzw. verhindert Integrationsprozesse. Angesicht der angespannten Haushaltslage kann sich das Land außerdem zukünftig nicht mehr unwirtschaftlich arbeitende Landeseinrichtungen leisten. Die schnelle Verteilung von Flüchtlingen nach Durchlaufen des Aufnahmeverfahrens ist aus wirtschaftlichen und humanen Gründen zwingend notwendig.
Nach dem Bericht des Landesrechnungshof werden Asylbewerber durchschnittlich 4 Wochen in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, obwohl alle für die Aufnahme und Verteilung notwendigen Arbeitsgänge spätesten nach 10 Tagen absolviert sind. Die längere Unterbringungsdauer erfolgt offensichtlich bewusst zur Auslastung der Einrichtungen. Im Gegensatz zur niedersächsischen Praxis hat die thüringische Landesregierung bereits im Jahr 1996 festgestellt, dass die dezentrale Einzelunterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und jüdischen Emigranten wesentlich kostengünstiger ist, als eine zentrale Unterbringung.

stellv. Fraktionsvorsitzender


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