Antrag: Ukraine - Geflüchtete unbürokratisch aufnehmen und humanitär unterstützen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Putins auf die Ukraine herrscht Krieg in Europa. Es gibt starke Fluchtbewegungen aus der Ukraine. Die EU hat vereinfachte Regularien zur Einreise für Ukrainer*innen beschlossen. Deutschland und Niedersachsen sind nun aufgerufen, im Sinne der Menschlichkeit eine unbürokratische Aufnahme der Geflüchteten zu gewährleisten und eine optimale Versorgung zu sichern.

Der Landtag begrüßt, dass die Bundesregierung wie auch die Landesregierung in Niedersachsen und insbesondere die Kommunen diese Herausforderung offensiv annehmen und erste Weichen gestellt haben. Gleichzeitig erkennt der Landtag die großen Herausforderungen an, vor der Bund, Länder und Kommunen bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine stehen. Angesichts der Vielzahl von Menschen, die derzeit in Niedersachsen ankommen, stehen insbesondere die Kommunen bei der Einhaltung gängiger Standards für Geflüchtete bei Versorgung und Betreuung enorm unter Druck. Für die bestmögliche Aufnahme sind enge Kooperation aller staatlichen Ebenen und gegenseitige Unterstützung deshalb zentrale Voraussetzungen.

Für eine schnelle Aufnahme und Betreuung der Menschen aus der Ukraine sind jedoch weitere konkrete Maßnahmen des Landes notwendig, insbesondere um die Kommunen, die die Hauptlast tragen, zu unterstützten. Dabei sind immer auch Menschen aus Drittstaaten, die aus der Ukraine zu uns kommen, zu berücksichtigen. Auch sind viele der Ankommenden traumatisiert und haben besonderen Unterstützungsbedarf. Überwiegend kommen Frauen, Kinder und Jugendliche zu uns. Es ist nicht zu erwarten, dass die Geflüchteten zeitnah in ihre Heimat zurückkehren können. Deshalb sind Förderung von Teilhabe und Integration von Beginn an anzugehen, um keine Zeit zu verlieren.

Der Landtag fordert die Landesregierung im Hinblick auf die zu erwartenden Geflüchteten aus der Ukraine auf, im Rahmen der Möglichkeiten die nachstehenden Punkte zu berücksichtigen:

  1. die Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen in der Migrations- und Geflüchtetenarbeit eng in eine Konzeption zu Aufnahme und Betreuung Geflüchteter aus der Ukraine einzubinden und sich auf Bundesebene für einen Flüchtlingsgipfel zwischen Bund, Land und Kommunen gemeinsam mit den Verbänden und Hilfsorganisationen einzusetzen,
  2. sich auf Bundesebene für die Integration der nach § 24 Aufenthaltsgesetz aufgenommenen Geflüchteten in das Sozialleistungssystem des Sozialgesetzbuches einzusetzen und im Übrigen den Geflüchteten einen schnellen Zugang zu den ihnen zustehenden Sozialleistungen und den aufnehmenden Kommunen schnelle Unterstützung zu gewährleisten und sicherzustellen, dass den Kommunen durch die Anwendung des § 24 AufenthG kein Nachteil bei der Übernahme von Kosten gegenüber anderen möglichen Aufenthaltstiteln für Geflüchtete entsteht,
  3. die Registrierung der Geflüchteten im Zusammenwirken mit den Kommunen schnell, unbürokratisch und dezentral zu ermöglichen und am Knotenpunkt Hannover die Registrierung in Abstimmung mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu organisieren,
  4. Maßnahmen zu ergreifen, die eine faire Verteilung der Geflüchteten in Niedersachsen ermöglichen und dabei den Geflüchteten nach Möglichkeit die Wahl ihres Wohnorts in Niedersachsen zu überlassen,
  5. in Gemeinschaftsunterkünften maximale Privatsphäre zu ermöglichen, zum Schutz vor Gewalt eine sichere und geschützte Unterbringung von ohne männliche Begleitung reisenden Frauen und Kindern sowie Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Inter- und Trans*Menschen (LSBTIQ) zu gewährleisten, für Kinder sogenannte „sichere Räume“ in den Unterkünften anzubieten und auch die Kommunen für diese Notwendigkeit auf ihrer Ebene zu sensibilisieren,
  6. bei allen Maßnahmen die besonderen Bedarfe von Geflüchteten mit Behinderungen zu berück-sichtigen und Unterstützungs- und Integrationsangebote inklusiv zu gestalten,
  7. älteren und chronisch kranken Menschen aus der Ukraine unverzüglich Zugang zum deutschen Gesundheitssystem zu verschaffen, notwendige Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen und die pflegerische Versorgung sicherzustellen, solange die Übernahme in das Sozialleistungssystem des SGB noch nicht erfolgt ist,
  8. die Kommunen dabei zu unterstützen, dass aus Gründen des Kinderschutzes unbegleitete oder allein reisende Kinder und Jugendliche in Gastfamilien nur unter Beteiligung der örtlichen Jugendämter untergebracht werden. Frauen mit Kindern und allein reisende Kinder- und Jugendliche sowie Hilfsinitiativen und Vereine sind für die Anforderungen des Kinderschutzes und dafür zu sensibilisieren, dass ihre Situation von Ausbeuter*innen und Menschenhändler*innen ausgenutzt werden kann,
  9. allen unbegleiteten Kindern und Jugendlichen den vollen, ihnen zustehenden Kinderrechtsschutz und entsprechende Versorgung und Betreuung zukommen zu lassen,
  10. durch Mindeststandards darauf hinzuwirken, dass die dauerhafte Unterbringung in Orten mit guter Infrastruktur wie Einkaufsmöglichkeiten, guter Erreichbarkeit von Ärzten, Sprachkursen und Integrationsangeboten vorrangig dezentral erfolgt und eine Unterbringung an abgelegenen Orten ohne öffentliche Verkehrsmittel oder in Sammelunterkünften vermieden wird,
  11. Organisationen, die sich in der Aufnahme, Unterbringung und Betreuung der Geflüchteten oder speziell für Frauen und Mädchen engagieren, sowie die Migrationsberatung stärker, nachhaltig und dauerhaft verlässlich zu fördern, die bewährten Strukturen der Migrationsberatung zeitnah auszubauen und eine Förderung von ehrenamtlichen Hilfestrukturen wieder zu ermöglichen,
  12. eine enge Zusammenarbeit der Landesaufnahmebehörde, der örtlichen Ausländerbehörden und der Sozial- und Jugendämter mit dem Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen (NTFN) sicherzustellen, dessen Strukturen kurzfristig weiter auszubauen und stärker, nachhaltig und dauerhaft verlässlich zu fördern,
  13. die Behörden für das mögliche Vorliegen von Traumata und Gewalterfahrungen zu sensibilisieren und behördlicherseits, insbesondere seitens der Ausländerbehörden, davon abzusehen, von Mädchen und Frauen zu verlangen, belastende oder traumatische Erfahrungen detailliert zu beschreiben,
  14. für die spezifischen medizinischen, psychologischen und sozialen Bedarfe von vulnerablen Geflüchteten bei der Aufnahme durch die Behörden eine Anbindung an Fachorganisationen (etwa für Opfer von Menschenhandel) und die Übernahme der notwendigen Kosten sicherzustellen,
  15. Kindertagesstätten, Schulen und die offene Kinder- und Jugendarbeit (auch aufsuchende Angebote) auf die Aufnahme und Betreuung geflüchteter Kinder und Jugendlicher vorzubereiten, eine Beschulung vom ersten Tag an anzustreben, die Stunden für Deutsch als Zweitsprache zu erhöhen, Sprachlernklassen auszubauen, herkunftssprachlichen Unterricht und die Entlastung der Lehrkräfte durch den flexiblen Einsatz muttersprachlicher Quereinsteiger zu sichern, für die zeitnahe Bereitstellung genügend unterstützender Fachkräfte und Übersetzungsdienste zu sorgen, die Kosten dafür zu decken und dabei schulpsychologische Angebote sowie unterstützende Angebote für Eltern gesondert mitzudenken,
  16. solange die Überführung der nach § 24 Aufenthaltsgesetz Aufgenommenen in das Sozialleistungssystem des SGB nicht erfolgt, im Zusammenwirken mit den Kommunen die medizinische Versorgung sicherzustellen und zeitnah Konzepte für den Infektionsschutz insbesondere im Hinblick auf die Corona-Pandemie zu erarbeiten. Auch das Ethnomedizinische Zentrum Hannover mit dem Projekt "Mit Migranten für Migranten" ist als Beratungsinstitution einzubeziehen und auszubauen.
  17. Berufsqualifikationen schnellstmöglich anzuerkennen und erforderlichenfalls Angebote zur Nachqualifizierung zu schaffen,
  18.  sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Geflüchtete, die nach § 24 Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden, Anspruch auf einen Integrationskurs erhalten und darüber hinaus flankierende Angebote zu ermöglichen und für deren Finanzierung durch Mittel des Bundes und des Landes zu sorgen,
  19. die Anpassung der Bestimmungen der europäischen Kohäsionspolitik zu fordern und zu unterstützen, um Migrations- und Integrationsinvestitionen zu ermöglichen und die betroffenen Regionen mit bis zu 100 Prozent EU-Kofinanzierung zu fördern.

Begründung

Zu 1.: Ein kurzfristig anberaumter Geflüchteten-Gipfel, der die verschiedenen haupt- und ehrenamtlichen Akteur*innen an einen Tisch holt, um das Zusammenwirken der verschiedenen Behörden und Organisationen bestmöglich miteinander zu verzahnen, ist jetzt auf Bundesebene und auf Landesebene erforderlich.

Das Land ist gefordert, ein Aufnahmekonzept zu erstellen, das beginnend mit der Aufnahme und für die Dauer des Aufenthalts Ziele und Zuständigkeiten beschreibt, wie Geflüchtete gut aufgenommen werden und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Das schließt ausdrücklich und insbesondere die Feststellung von Bedarfen besonders Schutzbedürftiger und Traumatisierter ein.

Zu 2.: ein Großteil der jetzt ankommenden Geflüchteten reist visafrei nach Deutschland ein. Nur ein Bruchteil davon kommt bei Bekannten und Verwandten unter. Die Hauptlast tragen derzeit die Kommunen, die es zu unterstützen gilt, damit die Bedarfe der Geflüchteten schnell erkannt und schnellstmöglich gedeckt werden können. Die Überführung in das Sozialleistungssystem des Sozialgesetzbuches ermöglicht die grundlegenden Voraussetzungen zur Teilhabe und zur gesundheitlichen Versorgung.

Zu 3.: Land und Kommunen müssen zusammenwirken, um eine rasche Registrierung vor Ort zu ermöglichen und eine Überlastung der örtlichen Ausländerbehörden zu vermeiden. In einzelnen Ausländerbehörden sollen Geflüchtete abgewiesen worden sein, obwohl die Möglichkeit der Registrierung in allen Ausländerbehörden vorgesehen ist. Die Landesregierung muss im Rahmen ihrer Aufsicht sicherstellen, dass den Ausländerbehörden ihre Aufgaben und Pflichten bewusst sind und diese korrekt wahrgenommen werden. Insbesondere in den Erstaufnahmeeinrichtungen am Knoten Hannover ist das Land im Zusammenwirken mit dem Bund gefordert, die Registrierung der Geflüchteten, soweit von den Betroffenen gewünscht, sicher zu stellen.

Zu 4.: Bei der Bestimmung des Wohnortes sind die Wünsche der Geflüchteten soweit wie möglich zu berücksichtigen, damit bestehende Beziehungen nicht auseinandergerissen werden. Das ist gerade für die oftmals traumatisierten Geflüchteten von großer Bedeutung, schafft Sicherheit und spart Zeit. Dafür muss die Landesregierung jetzt die Voraussetzungen schaffen. Falls gewünscht, ist den Geflüchteten eine schnellstmögliche dezentrale Unterbringung zu ermöglichen, damit sie die Einschränkungen, die Unruhe und die beengten Verhältnisse in der Landesaufnahmebehörde nur so lange wie unbedingt nötig ertragen müssen.

Zu 5.: Die aktuelle Auswertung der BumF-Online-Umfrage zur Situation junger Geflüchteter im Jahr 2021 zeigt, dass gemäß Einschätzung der befragten Fachkräfte, weibliche Jugendliche besonders oft von Ausbeutungs- und Menschenhandelserfahrungen (55,8 % der weiblichen Jugendlichen) sowie von sexualisierter Gewalt (58,0 % der weiblichen Jugendlichen) im Heimatland bzw. auf der Flucht betroffen sind. Auch nach der Flucht, bereits in Deutschland angekommen, nehmen gemäß der Einschätzung der Fachkräfte die Erfahrungen von Menschenhandel zu. Es braucht ein bedarfsgerechtes, verlässliches und nachhaltiges Schutzsystem für Mädchen und Frauen, die von Formen psychischer und physischer Gewalt betroffen sind. Die Stabilisierungs- und Bedenkfrist für Betroffene von Menschenhandel muss unbedingt praktisch angewendet und umgesetzt werden.

Es braucht zudem sichere Schutzräume in Form bedarfsgerechter, gendersensibler Wohn- und Versorgungsstrukturen. Dafür müssen sichere Unterbringungsformen für Mädchen und für Frauen ausgebaut und die Unterstützung für Versorgungsstrukturen verstärkt werden.

Zu 6: Die Flucht in ein anderes Land bedeutet für Menschen mit Behinderungen neue Barrieren und weitere Teilhabeeinschränkungen. Gleichzeitig genügen kurzfristig eingerichtete Hilfsangebote oftmals nicht den üblichen Anforderungen an Barrierefreiheit. Die besonderen Bedarfe von Menschen mit Behinderungen sind deshalb bei sämtlichen Maßnahmen zu berücksichtigen. Menschen mit Behinderungen profitieren in besonderem Maße von gelingender Integration. Für gleichberechtigte Teilhabe im Sinne der UN-BRK sollten alle Angebote für Geflüchtete aus der Ukraine deshalb möglichst inklusiv sein.

Zu 7.: Viele Geflüchtete aus der Ukraine sind hochbetagt, benötigen pflegerische Unterstützung oder leiden unter chronischen Krankheiten. Seit Beginn des Krieges und während der Flucht sind sie höchstens rudimentär versorgt worden. Sie benötigen daher zeitnah medizinische und pflegerische Unterstützung und insbesondere Informationen über Zugang zu Leistungen des Gesundheitssystems.

Zu 8 und 9: Der Kinderschutz gebietet es, dass sich die Jugendämter bei deren Unterbringung deutlich erkennbar einbringen und sicherstellen, dass das Wohl der Kinder durch die Unterbringung nicht gefährdet wird. Leider ist nicht jedes private Unterbringungsangebot freundlich gemeint, sondern eventuell mit Hintergedanken verbunden. Anbieter können sich auch überfordern oder die Situation unterschätzen. Die Jugendämter müssen hier mit ihren Kompetenzen helfen und steuern.

Insbesondere gilt dies für die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter. Für sie gelten besondere Maßstäbe und ihr Schutz-, Begleitungs- und Beratungsbedarf ist noch einmal gesteigert.

Zu 10.: Die Unterbringung an abgelegenen Orten bremst oder verhindert gar die Integration und Teilhabe. Die Integration ist wichtig für die Akzeptanz in der Aufnahmegesellschaft und das Wohlbefinden der Geflüchteten. Die Teilhabe verhindert das Gefühl der Isolation und Hilflosigkeit, motiviert und stärkt die Psyche. Deshalb sind Unterbringungsorte, die die Integration und Teilhabe beeinträchtigen, zu vermeiden und Strukturen mit entsprechenden Möglichkeiten zu schaffen.

Zu 11.: Die genannten Stellen verfügen über wertvolle Expertise, die unbedingt intensiv in politische Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen ist, und leisten wichtige Informations- und Empowerment-Arbeit. Die Arbeit der Kooperativen Migrationsarbeit Niedersachsen (KMN) dient nicht nur zentralen humanitären Zielen, sondern insbesondere auch der Integration von Geflüchteten und Migrant*innen und damit zugleich auch dem friedlichen Miteinander der Menschen. Für viele Geflüchtete ist die Beratung in den Kommunen ein Ort, an dem nach belastenden Fluchterfahrungen Vertrauen und Verlässlichkeit wachsen können.

Diese Strukturen und diese Arbeit gilt es zu stärken. Integration ist ein langfristiger Prozess, für den dauerhaft die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen sind.

Zu 12 bis 14.: Insbesondere für die aktuelle Situation, von der überwiegend Frauen und Kinder betroffen sind, aber auch allgemein für eine bedarfsgerechte Aufnahme von Geflüchteten braucht es ein umfassendes psychosoziales Beratungsangebot und einen unkomplizierten Zugang zu trauma- und psychotherapeutischer Unterstützung. Denn etwa die Hälfte der Geflüchteten, teils deutlich mehr, sind laut diverser Studien aufgrund ihrer Erfahrungen im Herkunftsland oder auf der Flucht traumatisiert oder psychisch erkrankt. Dieses muss zunächst und möglichst frühzeitig durch fachkundiges Personal erkannt werden, da die Erkrankungen nicht immer offenkundig sind. Die Betroffenen brauchen, um genesen zu können, besonderen Schutz und Fürsorge. Ihre diesbezüglich gute Versorgung ist aber auch ein wichtiger Baustein sowohl für ihre gelingende Integration als auch für die Sicherheit der Aufnahmegesellschaft.

Zu 15.: Ziel sollte sein, dass diese Angebote möglichst schnell von den Geflüchteten genutzt werden können. Es darf aber nicht sein, dass, wie berichtet wird, plötzlich 20 Kinder in einer Schule aufgenommen werden sollen, ohne dass dafür in der Schule oder auf höherer Ebene ein Konzept vorliegt. Seit Jahren werden hier die Defizite in der niedersächsischen Schulpolitik aufgezeigt, und nun ist weder klar, wer die zusätzlichen Stunden, den Sprachunterricht oder die psychologische Betreuung übernimmt. Zur Traumabewältigung braucht es Angebote für Kinder und Jugendliche, aber auch für Eltern, damit Teilhabe möglich wird.

Essentiell für die Teilhabe ist auch die Sprachmittlung. Das Land muss zügig die technischen Möglichkeiten des bereits sehr erfolgreich in einigen Bereichen laufenden und unter der letzten rot-grünen Landesregierung initiierten Videodolmetschens weiter ausbauen. Dessen Einsatz ist flächendeckend auf die Unterbringungsstandorte der Landesaufnahmebehörde, Beratungsstellen und Ausländerbehörden auszuweiten.

Zu 16.: Die medizinische Versorgung hat hohe Priorität. Da viele Geflüchtete nicht gegen Corona geimpft sind, müssen zeitnah Konzepte für den Infektionsschutz insbesondere im Hinblick auf die Corona-Pandemie erarbeitet werden. Die Überführung der Geflüchteten aus der Ukraine in das Sozialleistungssystem des Sozialgesetzbuches ermöglicht die umfassende gesundheitliche Versorgung.

Zu 17.: Um möglichst schnell von der Arbeitserlaubnis profitieren zu können, müssen vorhandene Bildungsabschlüsse schnellstmöglich anerkannt werden. So wäre z.B. eine befristete Zulassung mit zusätzlichem Prüfverfahren oder eine Tätigkeitszulassung vergleichbar der der deutschen Physiotherapieschüler*innen zu prüfen.

Bei Bedarf sind Nachqualifizierungen zu ermöglichen.

Die Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Niedersächsischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes und weiterer fachspezifischer Regelungen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in Niedersachsen in Drucksache 18/10546 ist deshalb schnellstmöglich abzuschließen.

Zu 18.: Um den Geflüchteten für die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland zumindest ein Minimum an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen, sind ihnen frühzeitig Sprach- und Integrationskurse anzubieten. Entsprechende Angebote dürfen nicht auf die Gruppe deutschstämmiger Spätaussiedler*innen begrenzt werden. Der Bund ist hier gefordert, seine Integrationskurse für alle nach § 24 Aufenthaltsgesetz aufgenommenen Geflüchteten zu öffnen. Zu berücksichtigen ist jedoch in jedem Fall, dass bei vorliegenden Traumata oder psychischen Erkrankungen den Betroffenen eine Teilnahme nicht möglich sein wird und dass kein Druck auf sie auszuüben ist.

Zu 19.: Die Maßnahmen der europäischen Kohäsionspolitik können die regionale und lokale Ebene gut dabei unterstützen, Menschen in Not aufnehmen zu können. So unterstützt der ESF+ den Zugang zu Beschäftigung und die nachhaltige Eingliederung in den Arbeitsmarkt, die aktive Integration, Chancengleichheit und Antidiskriminierung sowie die allgemeine und berufliche Bildung. Der EFRE unterstützt mit einem noch größeren Budget Maßnahmen in den Bereichen Wohnen und Infrastruktur, Gesundheit und soziale Dienstleistungen.

Die Kohäsionspolitik muss mehr Bottom-up-Ansätze und eine lokal ausgerichtete Förderung ermöglichen. Regionen und Städte sollten in der Lage sein, unabhängig von ihren nationalen Regierungen maßgeschneiderte Unterstützung zu erhalten, sowohl in dringenden Fällen aber vor allem auch langfristig. Deshalb ist die Anpassung der Bestimmungen der europäischen Kohäsionspolitik dringend erforderlich und sollte landesseitig gefordert und unterstützt werden.

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