Antrag: Tschernobyl ist nicht vergessen - Strom ohne Atom

 

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen                                                                          Hannover, den 15.03.06

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Niedersächsische Landtag stellt fest:

Am 26. April 1986 explodierte das Restrisiko der Atomindustrie im Atomreaktor Tschernobyl Block 4. Der Hergang des Unfalls ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Er gilt als schwerste nukleare Havarie und war eine der größten Umweltkatastrophen überhaupt. Es war nicht nur der Super GAU für die Menschen in der Ukraine, Russland und Weißrussland, deren Gesundheit und Lebenswelt zerstört wurden. Es war auch der Super GAU für jenen Machbarkeitswahn, der die Risiken der Atomenergie immer wieder herunter geredet und geleugnet hatte – bis die Strahlenwolke in den Tagen nach Tschernobyl Europa und die gesamte westliche Hemisphäre überzog.

Die Wolke kontaminierte Städte, Dörfer, Äcker, Wiesen und Wälder. Spiel- und Sportplätze wurden gesperrt. Viele Lebensmittel waren auf Grund ihrer hohen Strahlenbelastung für lange Zeit nicht mehr zum Verzehr geeignet.

Die Bilanz des schrecklichen Ereignisses:

Fast 100.000 Menschen sind bislang an den Folgen der Katastrophe gestorben.

In den ersten 13 Jahren nach Tschernobyl ist die Zahl der Schilddrüsenkrebsfälle bei Kindern im Gebiet um das Atomkraftwerk dramatisch um das 58-fache gestiegen. Neue Krankheitsbilder treten vermehrt auf: z.B. infolge innerer Verstrahlung über die Nahrungsmittelkette, pränatal nicht erkennbare Herz- und Kreislauffehlbildungen bei Kindern. In der Folgezeit wurden ca. 371.000 Menschen aus dem Gebiet 30 km um den Reaktor evakuiert und mussten ihre Heimat für immer verlassen. Mehr als 200 Gemeinden hörten auf zu existieren. Die radioaktiv verseuchte Sperrzone ist heute 4.300 km2 groß.

Auch 20 Jahre nach dem Reaktorunfall leidet die Bevölkerung in den am stärksten betroffenen Staaten Ukraine, Weißrussland und Russland noch unter den Folgen der Katastrophe, an seelischem Leid, an Verstrahlung, Traumatisierung, Ängsten, zerstörten Bindungen, verlorener Heimat und Vertrauensverlusten. Die Folgen der Katastrophe dauern an, selbst Tausende Kilometer von Tschernobyl entfernt.

Der Niedersächsische Landtag würdigt in diesem Zusammenhang die Arbeit der Stiftung Kinder von Tschernobyl und sichert ihr die weitere Unterstützung durch das Land zu.

Die Katastrophe von Tschernobyl hat uns gezeigt, welches Gefährdungspotenzial in der Nutzung von Atomenergie liegt. In Niedersachsen ist die Bevölkerung an den AKW Standorten in Grohnde, Lingen und Esenshamm betroffen. Die Gefahren, die in dieser Technologie stecken sind allgegenwärtig, dies zeigt allein die Anzahl der Störfälle der letzten Jahre, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Seit dem Anschlag auf das World Trade Center in New York ist die Bedrohung durch einen terroristischen Anschlag auf ein Atomkraftwerk nicht mehr weg zu diskutieren. Weder können Terroranschläge auf Atomkraftwerke mit Sicherheit ausgeschlossen werden, noch sind Atomkraftwerke dafür gebaut, einem Terrorangriff mit Sicherheit standzuhalten.

Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl mahnt uns zur konsequenten Fortsetzung des Atomausstiegs und des Umstiegs auf erneuerbare Energien und effiziente Energienutzung in Deutschland.

     

parlamentarische Geschäftsführerin

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