Antrag: Transparenz bei den Braunschweiger Nuklearfirmen - Schutz der Gesundheit muss höher bewertet werden als Betriebsgeheimnisse

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. alle Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die staatlichen Stellen im Zusammenhang mit der Firmengruppe Eckert und Ziegler sowie weiteren an den Standorten Braunschweig Thune und Leese betriebenen Anlagen, die über Umgangsgenehmigungen nach Atomgesetz und Strahlenschutzverordnung verfügen, vorliegen. Dies gilt für dort betriebene Anlagen
    • zur Herstellung und Lagerung von radioaktiven Präparaten für medizinische und technische Zwecke und weiteren Strahlenquellen, sowie
    • weitere Anlagen zur Lagerung, Behandlung und Verpackung von radioaktiven Abfallstoffen sowie mit radioaktiven Stoffen verunreinigten Materialien und Strahlenquellen.
  2. den Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf den Schutz ihrer Gesundheit höher zu bewerten, als den Schutz von Betriebsgeheimnissen der dort tätigen Firmen. Die Landesregierung erkennt im vorliegenden Fall an, dass die Öffentlichkeit das Recht hat, umfassend Informationen über gelagerte radioaktive Stoffe und den Umgang mit diesen toxischen und gesundheitsgefährdenden Stoffen bei der Produktion und der Entsorgung an den Standorten der genannten Nuklearfirmen zu erhalten.
  3. es durch die Offenlegung aller Daten und Informationen der kritischen Öffentlichkeit, den Anwohnern, Bürgerinitiativen und Umweltverbänden zu ermöglichen, die Grundlagen der Umgangsgenehmigungen nachvollziehen und bewerten zu können, insbesondere warum Grenzwerte für die Strahlung in der Umgebung der Anlagen festgelegt wurden, die von den Genehmigungen anderer Atomanlagen abweichen. Den betroffenen Anwohnern muss es auf der Grundlage dieser Informationen möglich sein, zum Schutz ihrer Gesundheit ggfs. Änderungen der Genehmigungen einzufordern.

Begründung

Das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig als zuständige staatliche Genehmigungs- und Überwachungsbehörde für die Nuklearbetriebe am Standort Braunschweig-Thune hat bisher mit Hinweis auf Betriebsgeheimnisse und den Schutz der Interessen der Unternehmen die Herausgabe von vollständigen Verzeichnissen der dort vorgehaltenen bzw. verarbeiteten radioaktiven Stoffe und damit des radioaktiven Inventars verweigert. Auch die vollständigen Ergebnisse der Emissions- und Immissionsmessungen in der Umgebung der Anlagen einschließlich der Jahresberichte des NLWKN, das als zuständige unabhängige Stelle neben dem Betreiber die radioaktiven Immissionen zu überwachen hat, sind bisher nicht veröffentlicht worden. Dazu kommt, dass der Bevölkerung in der Region die Störfallplanungen nicht bekannt sind. Die betrieblichen Grundannahmen, die mit den Antragsunterlagen vorgelegt worden sind und die Grundlage für Ausbreitungsrechnungen und die Störfallvorsorge bilden, sind bisher unveröffentlicht. Die Bevölkerung in Braunschweig hat einen Anspruch darauf, gerade auch weil die Nuklearbetriebe unmittelbar an ein Wohngebiet angrenzen und ein Schulzentrum in der Nähe ist, dass Informationen über mögliche Gesundheitsgefahren, die von diesen Betrieben ausgehen könnten, offengelegt werden. Es reicht nicht aus, dass unter dem Vorwand, man wolle keine unnötige Aufregung erzeugen, nur ausgewählte Ergebnisse der Umgebungsüberwachung veröffentlicht werden. Es reicht auch nicht aus, Tatsachen wie etwa die, dass in Thune PU-Strahlenquellen aus Beständen der ehemaligen DDR gelagert und verpackt worden sind, gleichsam beiläufig zusammen mit anderen Informationen zu veröffentlichen, wenn die Anwohner etwa darüber im Unklaren gelassen werden, wie lange dort Stoffe lagern, die zu großen Teilen erst 2010 zur weiteren Behandlung in die USA gebracht worden sind. Die Anwohner haben einen Anspruch auf transparentes Verwaltungshandeln und müssen Entscheidungen der staatlichen Stellen nachvollziehen können. Sie müssen überprüfen können, ob solche Anlagen höchste Sicherheitsanforderungen erfüllen. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf den Schutz der Gesundheit und die Fürsorge des Staates für seine BürgerInnen und damit die Offenlegung der Daten, hat in diesem Fall Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der dort tätigen Unternehmen.

Zu beachten ist auch, dass im Jahr 2011 Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen und die neue EU-Strategie für die soziale Verantwortung der Unternehmen verabschiedet worden sind. Der Bundestag berät inzwischen Initiativen zur Umsetzung dieser Anforderungen und die Möglichkeiten zur Festlegung verbindlicher sozialer und ökologischer Offenlegungspflichten für Unternehmen, die weit über die hier geforderte Offenlegung von Daten über den Umgang mit gefährlichen Stoffen und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit der Anwohner und die Umwelt hinausgehen.

Gabriele Heinen-Kljajic

Parlamentarische Geschäftsführerin

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