Antrag: Tierschutzvergehen in der Nutztierhaltung abstellen- Hinweisen aus Tierkörperbeseitigung nachgehen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Eine Ende 2017 veröffentlichte, umfassende Untersuchung der Tierärztlichen Hochschule (TiHo) Hannover, bei der in Tierkörperbeseitigungsanlagen abgelieferte Tierkörper untersucht worden sind, hat ergeben, dass bei mehr als zehn Prozent der angelieferten Tierkörper Verletzungen darauf hindeuten, dass die betroffenen Tiere vor ihrem Tod länger anhaltenden Schmerzen und Leiden ausgesetzt waren.

Der Landtag stellt fest, „dass teils erheblich gegen das Tierschutzgesetz verstoßen worden ist." (Pressemitteilung des ML vom 3.1.2018.)

Täglich sollen es laut Hochrechnung in der Studie bis zu 1200 Schweine und Sauen sein, die mit diesen mutmaßlich gesetzeswidrigen Befunden an den Entsorgungsbetrieben in Deutschland angeliefert werden und ohne weitere Konsequenzen in der Tierkörperbeseitigung verschwinden.

Überdies kam die Studie zum Schluss, dass die Betäubung und Tötung der Tiere zu großen Teilen mangelhaft war. Bei über 60 Prozent der untersuchten Kadaver fand sie Hinweise auf Fehler. Häufig waren die Tiere zwar betäubt, die Hauptschlagader war aber nicht durchtrennt worden – es kam zu keinem Herzstillstand durch Blutverlust. Die Konsequenz in einem besonders gravierenden Fall: Stunden nach Bolzenschuss und Transport erreichte ein Schwein den Entsorgungsbetrieb lebend.

Bislang können tierschutzrechtliche Verstöße in VTN-Anlagen nicht verfolgt werden, da sie nicht wie Schlachthöfe und Tierställe zu den überwachungspflichtigen Anlagen nach dem Tierschutzgesetz gehören.

Der Landtag begrüßt daher die bereits 2016 vom niedersächsischen Agrarministerium erfolgte Initiative auf der Agrarministerkonferenz in Rostock, diese Gesetzeslücke zu schließen und die Kontrolle in den VTN-Anlagen zu verstärken. Leider hat die zuständige Bundesregierung bislang dieses Schlupfloch für Tierschutzverstöße nicht geschlossen.

Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf,

  1. sich im Bund für eine gesetzliche Grundlage einer routinemäßigen Überprüfung von Tierkadavern auf Tierschutzverstöße einzusetzen und die Tierschutzüberwachung damit auch auf die Entsorgungsbetriebe auszuweiten;
  2. sich im Bund für die Rückverfolgbarkeit der Tiere in VTN-Anlagen (z.B. durch Ohrmarken oder vergleichbare Kennzeichnung) bei Tieren einzusetzen, um Tierschutzverstöße zum Verantwortlichen rückverfolgen zu können;
  3. die erforderlichen personellen Kapazitäten und finanziellen Mittel für eine routinemäßige Überwachung von Tierkadavern bereitzustellen;
  4. die Schulung der Nutztierhalterinnen und Nutztierhalter in Bezug auf den Tierschutz und die fachgerechte Nottötung zu verbessern;
  5. die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VTN-Anlagen sowie der Transportunternehmen ähnlich wie in Österreich mit einer Checkliste für mögliche Tierschutzverstöße zu schulen.

Begründung:

Im Zuge von Studien der Tierärztlichen Hochschule Hannover sowie einer weiteren Studie von foodwatch, konnten erhebliche Missstände in der Schweinehaltung aufgedeckt werden. Jährlich werden rund 13,6 Millionen Schweinen bzw. 21 Prozent der lebend geborenen Schweine in deutschen VTN-Anlagen beseitigt. Die Studie hat ergeben, dass 13,2 Prozent der Mastschweine und 11,6 Prozent der Zuchtschweine Anzeichen für länger erlittene erhebliche Schmerzen aufweisen. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der in den VTN-Anlagen beseitigten Schweine bedeutet dies, dass schätzungsweise 1,4 bis 1,6 Millionen Schweine von diesen Leiden betroffen sind.

Bei rund zwanzig Prozent der in der Studie untersuchten Schweine wäre eine Nottötung unvermeidbar gewesen. Laut aktuellen Daten des Schlachtunternehmens Vion wurden bei einer Untersuchung aus dem Jahr 2017 sogar bei rund 40 Prozent der Schweine krankhafte Veränderungen in den Organen und Gelenken festgestellt. Auch weitere Studien, wie die der Albert-Schweitzer-Stiftung zu Missständen in der Putenmast signalisieren, dass die festgestellten Missstände keine Ausnahme darstellen, sondern gerade in Massentierhaltungsbetrieben regelmäßig vorkommen. 

Diese offenkundigen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz können jedoch in der Praxis nur kaum aufgedeckt werden. Denn die reguläre Verbrennung in Tierkörperbeseitigungsanstalten verhindert, dass Hinweise auf mögliche Verstöße gegen den Tierschutz festgestellt werden können. Das Tierschutzgesetz sieht eine Untersuchung von Tierkadavern im Hinblick auf Tierschutzverstöße in VTN-Anlagen jedoch nicht vor. Niedersachsen hatte bereits 2016 die Aufnahme der VTN-Anlagen in die überwachungspflichtigen Anlagen gefordert.

In Niedersächsischen Spezialbetrieben werden jährlich Tierkadaver mit einem durchschnittlichen Gesamtgewicht von etwa 120.000 Tonnen verarbeitet. Verarbeitungsbetriebe für tierische Nebenprodukte dürfen nicht von der Überwachung ausgenommen werden. Um Tierschutzverstöße umfassend aufdecken zu können, muss die Tierschutzüberwachung auf die Entsorgungsbetriebe ausgeweitet werden. Es darf kein Schlupfloch für Tierquälereien geben.

Zur Überwachung von Tierschutzverstößen liegt die Zuständigkeit bei den kommunalen Veterinärbehörden. Diese sind vom Land besser auszustatten und etwa bei der Kadaveruntersuchung durch das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu unterstützen.

Gleichzeitig sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben insbesondere in Bezug auf eine fachgerechte Nottötung kranker Tiere besser geschult und hingewiesen werden. Ebenso sind Transportunternehmen und Beschäftigte der VTN-Anlagen mit Hilfe einer Checkliste wie in Österreich auf das Entdecken tierschutzrelevanter Verstöße zu schulen. 

Zurück zum Pressearchiv