Antrag: Terrorangriff in Halle - Antisemitismus und allen weiteren Formen von Menschenverachtung entschieden entgegentreten!

Fraktion der SPD

Fraktion der CDU

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Fraktion der FDP

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Am 09.10.2019 versuchte ein Mann offenkundig aus rechtsextremistischen und antisemitischen Motiven heraus, schwerbewaffnet in die Synagoge in Halle/Saale einzudringen um die dort Betenden zu töten. Der 09.10.2019 war der Jom-Kippur-Tag, einer der höchsten Feiertage im Judentum. Als dies misslang, tötete der Attentäter eine Passantin sowie später einen Mann in einem türkischen Imbiss. In einem Text und einem Livestream im Internet hatte er angegeben, möglichst viele Juden, Muslime oder Linke töten zu wollen.

Die Tat nimmt in der Art der Durchführung offenbar Bezug auf die schweren Verbrechen in Utoya in Norwegen und Christchurch in Neuseeland. Einmal traf es eine Jugendgruppe, einmal traf es betende Menschen in einer Moschee, diesmal zielte der Angriff auf betende Menschen in einer Synagoge. Die Taten zielen auf einzelne Menschen, aber sie betreffen grundlegende zivilisatorische Errungenschaften demokratischer Rechtsstaaten.

Der Niedersächsische Landtag verurteilt diesen rechtsextremen Terrorangriff in Halle/Saale aufs Schärfste. Unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen der beiden Todesopfer und den in der Synagoge sowie dem türkischen Imbiss bedrohten Menschen. Unser Dank gilt den Polizistinnen und Polizisten, die durch ihr Eingreifen noch Schlimmeres verhindert haben. Unsere Solidarität gilt allen Opfern dieses Anschlages und deren Familien. Niemals dürfen in unserem Land Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer politischen Einstellung Angst um Leib und Leben haben müssen.

Der Niedersächsische Landtag erwartet eine vollständige Aufklärung der Tat. Dazu gehört die Klärung, wer die Tat durch Waffen, Waffenteile oder Instrumente zum Waffenbau, durch Finanzierung oder Logistik oder durch formelle oder informelle Netzwerke oder in den sozialen Medien unterstützt oder gebilligt hat. Zu klären ist auch, welche Plattformen im globalen Kontext derartigen kriminellen Missbrauch ermöglichen, erleichtern oder befördern.

Antisemitismus, jede Form von Menschenverachtung und daraus folgender Terrorismus entstehen nicht im luftleeren Raum. Auch wenn Antisemitismus aus unserer Gesellschaft nie verschwunden war, so ist er doch in letzten Jahren stärker in den Vordergrund gerückt. Dazu haben vor allem rechtsextreme, islamistische, israelfeindliche und menschenfeindliche Kampagnen ebenso beigetragen wie rechtsextreme Internetportale und Vernetzung sowie Hasskommentare, Beleidigungen und Bedrohungen im Internet. Auch Hassparolen, Hetzkampagnen und Fake News, u. a. gegen religiöse Minderheiten und geflüchtete Menschen, in gesellschaftlichen Diskursen haben in den letzten Jahren zu einem Klima des Hasses beigetragen, in dem sich Einzelne als Mitglieder rechtsextremer Netzwerke ermutigt fühlen, ihrer Gesinnung mit Gewalttaten Ausdruck zu verleihen. Deshalb ist es richtig, dass Sicherheitsbehörden gegen verfassungsfeindliche Parteien, Gruppierungen und Einzeltäter konsequent vorgehen. Denn derartige Parolen und Kampagnen schaffen letztlich das Klima, in dem sich nicht nur mehrere rechtsextreme Terrorgruppen gebildet haben, sondern auch die Morde am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und der Terrorangriff von Hal-le/Saale verübt worden sind. Die Rolle des Internets für diese Kampagnen macht deutlich, dass Straftaten und Rechtsverletzungen im Internet genauso geahndet werden müssen wie Straftaten und Rechtsverletzungen auf der Straße.

Die Shoa und die weiteren Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes sind für alle Demokratinnen und Demokraten Mahnung und zeigen die Verantwortung auf, tagtäglich alles dafür zu tun, das Antisemitismus und Menschenhass nie wieder in dieser Gesellschaft Fuß fassen und das Leben und die Freiheit von Menschen bedrohen können. Deshalb sieht der Landtag es seit jeher als seine Aufgabe an, die Kräfte in unserer Gesellschaft zu stärken, die mit aller Entschlossenheit gegen extremistische Bestrebungen vorgehen, in engem Austausch mit den Glaubensgemeinschaften zu stehen und die Erinnerungsarbeit fördern. Es ist unser aller Aufgabe, alles dafür zu tun, dass Menschen in Niedersachsen gleich welcher Herkunft, welchen Geschlechts, welchen Glaubens, welcher sexuellen Orientierung oder politischen Einstellung sich in unserem Land sicher und zuhause fühlen können. Niedersachsen ist vielfältig und weltoffen. Und das wird es bleiben.

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