Antrag: Teilhabe ermöglichen – Zugang zu Bildung schaffen

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Entschließung

In den vergangenen Monaten ist die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland und auch nach Niedersachsen eingewandert sind, stark angestiegen. Diese Einwanderung stellt eine große Chance, aber auch eine große Herausforderung dar. Nur durch eine gemeinsame große Anstrengung von Bund, Ländern, Kommunen und der Zivilgesellschaft kann es gelingen, diese Chance wahrzunehmen.

Eine herausragende Aufgabe haben die Kindertagesstätten und die Schulen. Sie unterstützen die Flüchtlingskinder und -jugendlichen dabei, sich in der hiesigen Gesellschaft zurechtzufinden und fördern die gesellschaftliche Teilhabe. Darüber hinaus sind sie ein Ort, an dem Unterstützung bei der Bewältigung von traumatischen Erfahrungen gewährleistet werden muss. Die Erzieherinnen und Erzieher sowie die Lehrkräfte stellen sich diesen Aufgaben mit hohem Engagement. Hierbei hat auch die Sprachförderung eine besondere Bedeutung, denn Sprache ist ein Schlüssel zu Bildungsteilhabe und Integration. Eine Förderung muss so früh wie möglich beginnen.

Der Landtag begrüßt die bisherigen Maßnahmen der Landesregierung:

  • Mit dem Erlass „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nicht-deutscher Herkunftssprache“ vom 01.07.2014 hat das Kultusministerium die Grundlage für eine differenzierte und flexible Sprachförderung in den Schulen gelegt.
  • Das Kultusministerium hat das Pilotprojekt „DaZNet - Netzwerk für Deutsch als Zweit- und Bildungssprache, Mehrsprachigkeit und Interkulturelle Kompetenz“ mit der Schaffung von 15 Sprachbildungszentren, die Schulen aller Schulformen im Bereich der durchgängigen Sprachbildung, der interkulturellen Schulentwicklung und der Mehrsprachigkeit beraten und unterstützen, ausgeweitet und verstetigt.
  • Mit dem 1. Nachtragshaushalt für 2015 hat das Land 750.000 Euro zusätzlich für Sprachfördermaßnahmen für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund bereitgestellt.
  • Mit dem 2. Nachtragshaushalt für 2015 wird das Land weitere 10 Millionen Euro für die Förderung von Flüchtlingskindern und –jugendlichen in Schulen bereitstellen. Mit diesen Mitteln sollen weitere 250 Sprachlernklassen gebildet werden, weitere 250 Stellen für Sprachförderkurse, Sprachförderunterricht, Sprachförderkonzepte und vorschulische Sprachförderung, 100 Stellen für schulische Sozialarbeit zur Integration junger Flüchtlinge und 100 Stellen für das Sprach- und Integrationsprojekt „Sprint“ an berufsbildenden Schulen geschaffen werden.

Der Landtag bittet die Landesregierung

  1. Vorsorge zu treffen, dass die Schulen auf die weitere Entwicklung kurzfristig und flexibel reagieren können mit
    - der Einrichtung zusätzlicher geeigneter Förder- und Einführungsangebote, wie bspw. der Einrichtung von Sprachlernklassen und
    - der Einrichtung zusätzlicher Angebote durch den Einsatz von sozialpädagogischen Fachkräften,
    und dafür auch flexible Lösungen zu ermöglichen,
  2. das Potenzial der Ganztagsschule mit dem erweiterten Zeitfenster und dem pädagogischen Gestaltungsspielraum als Möglichkeit zur umfassenden Förderung von Flüchtlingskindern noch stärker zu nutzen
  3. Angebote zur Beschulung und Betreuung von Kindern in Erstaufnahmeeinrichtungen auszuweiten
  4. Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrkräfte und Kita-Fachkräfte sowie Beratungs- und Unterstützungsangebote für die Kindertagesstätten und Schulen anzubieten, die einen besonderen Schwerpunkt auf gerichtete und ungerichtete Sprachförderung, interkulturelle Kompetenz sowie den Umgang mit Traumatisierungen legen,
  5. zu prüfen, welche Bildungsangebote an Berufsbildenden Schulen für die Gruppen der nicht mehr schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen im Alter von 18 bis 21 Jahren – im Ausnahmefall bis 25 Jahre -  weiterentwickelt werden können,
  6. sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass sie die Arbeit der Länder und Kommunen bei der Förderung der Flüchtlingskinder und –jugendlichen finanziell sehr viel stärker unterstützt,
  7. den Prozess der Öffnung der Angebote der außerschulischen Jugendarbeit für Flüchtlingskinder weiterhin unterstützend zu begleiten.

Begründung

Aktuelle Zahlen besagen, dass ein Viertel aller Geflüchteten unter 18 Jahre alt sind, ca. 40 % der Geflüchteten sind unter 25 Jahre. Viele Geflüchtete werden voraussichtlich in Deutschland bleiben, hier leben und sich in die Gesellschaft einbringen. Mit Blick auf die große Zahl junger Menschen wird deutlich, dass die Schaffung von einem Zugang zu Bildung und Ausbildung eine zentrale Aufgabe ist und der den Schlüssel zur Teilhabe an unserer Gesellschaft darstellt.

Mit dem Erlass „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nicht-deutscher Herkunftssprache“ vom 01.07.2014 hat die Landesregierung eine gute Grundlage für die schulische Integration und Förderung von Flüchtlingskinder gelegt und mit der Bereitstellung zusätzlicher Mittel mit dem Haushaltsplan für 2015 und den Nachtragshaushalten hat sie bereits auf den Anstieg der Einwanderungszahlen reagiert.

Die Einwanderung hat sich in den letzten Wochen weiter verstärkt, und es ist schwer absehbar, wie sie sich weiter entwickeln wird. Es ist deshalb notwendig, weiterhin schnell und flexibel zu reagieren.

Sprachlernklassen müssen bei Bedarf auch während des laufenden Schuljahres gebildet und zusätzliche internationale Klassen, Sprachförderkurse und –angebote eingerichtet werden. Die erforderlichen Lehrkräfte für diese Angebote müssen kurzfristig qualifiziert werden. Die Qualifikation von Lehrkräften muss sich auch darauf beziehen, die Flüchtlingskinder und –jugendlichen bei der Bewältigung ihrer Traumata zu unterstützen.

Über die Sprachförderung hinaus sind die Schulen gefordert, die soziale und gesellschaftliche Teilhabe der Flüchtlingskinder und –jugendlichen zu unterstützen. Auch dem Spracherwerb außerhalb des Sprachunterrichts kommt eine zentrale Bedeutung zu. Umso wichtiger sind Angebote der Teilhabe junger Flüchtlinge an Sport- und Freizeitaktivitäten.

Das Land Niedersachsen und die Kommunen haben bereits erhebliche finanzielle Anstrengungen unternommen, um diese Aufgaben zu bewältigen. Sie sind jedoch alleine damit überfordert. Die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Die Bundesregierung ist deshalb gefordert, die Länder und Kommunen sehr viel stärker als bisher und verlässlich bei dieser Aufgabe finanziell zu unterstützen. Hier stellen die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz sicherlich einen ersten Schritt dar, ausreichend zur Bewältigung der Situation sind die getroffenen Absprachen jedoch nicht.

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