Antrag: Sonderfonds Kultur Jetzt – Niedersachsens lebendige Kulturszene retten, soloselbstständige und freischaffende Künstler*innen und Kulturschaffende endlich unterstützen

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Die Corona-Krise und die damit einhergehenden Beschränkungen sind eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft. Dieses gilt in besonderem Maße für Künstler*innen und Kulturschaffende in Niedersachsen: geschlossene Musik- und Kunstschulen, soziokulturelle Zentren, Museen und Ausstellungshäuser, abgesagte Theateraufführungen, Konzerte, Lesungen, Kurse verursachen hohe Einnahmeverluste in den Kulturstätten. Laufende Betriebskosten können nicht mehr finanziert werden. Über den Zeitraum der kommenden sechs Monate liegt der Finanzbedarf nach Angaben des Arbeitskreises niedersächsischer Kulturverbände (AKKU) für freie Kultureinrichtungen und – initiativen bei rund 208 Mio. Euro. Dies verdeutlicht, wie existenzbedrohend die Lage für den Kulturbereich schon nach relativ kurzer Krisenzeit ist.

Gerade soloselbstständige und freischaffende Künstler*innen und Kulturschaffende leisten einen wichtigen Beitrag zum vielfältigen kulturellen Leben in Niedersachsen, sei es als Musiker*innen, Schauspieler*innen, Dramaturg*innen, Tänzer*innen, …

Ihnen allen ist durch das Kontakt- und Veranstaltungsverbot die Arbeitsgrundlage entzogen. Menschen, die noch bis vor Kurzem in der Lage waren, gut und sicher für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, können diesen von einem Tag auf den anderen unverschuldet nicht mehr erwirtschaften.

Die hiervon betroffenen soloselbstständigen und freischaffenden Künstler*innen und Kulturschaffenden werden auf ein vereinfachtes Verfahren im SGB II verwiesen. Doch die Praxis zeigt, dass dies ein vollkommen ungeeignetes Mittel ist unbürokratisch, vor allem schnell und umfassend zu helfen.

Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung auf,

-    angesichts der dramatischen Situation rasch und unbürokratisch einen Sonderfonds für soloselbstständige und freischaffende Künstler*innen und Kulturschaffende in Niedersachsen aufzulegen, wenn der Bund sich weiterhin einer Regelung in der Bundesförderung für Betriebe von 1-10 Personen verweigert. Dieser Sonderfonds hat vorzusehen, dass soloselbstständige und freischaffende Künstler*innen und Kulturschaffende für den Zeitraum von zunächst einem halben Jahr monatlich einen Zuschuss in Höhe von 1.180,00 € erhalten bzw. zusätzlich zu ggfls. vorhandenen Betriebskosten in Ansatz bringen können.

      Anspruch auf diesen Zuschuss haben alle diejenigen, die nachweisen, dass sie durch die Veranstaltungsabsagen und Kontaktbeschränkungen einen Einkommensverlust von 50% und mehr haben. Der Zuschuss wird zinslos gewährt und muss nicht zurückgezahlt werden.

-    unter Einbeziehung des Arbeitskreises niedersächsischer Kulturverbände zusätzliche Fördermittel für Kulturprojekte zu entwickeln, mit der kreative Ideen und Formate der Kulturszene gefördert werden, die kulturelle Angebote für Menschen in Niedersachsen auch in Zeiten der Corona-Beschränkungen ermöglichen oder sich an Zielgruppen richten, die längere Zeit nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

-    den Zugang zu und den Umgang mit staatlichen Fördermitteln zu erleichtern. Hierzu zählen die zuwendungsrechtliche Anerkennung von Ausfallkosten, Lockerungen bei Rückzahlungsverpflichtungen sowie Fristregelungen.

-    festzulegen, dass für bereits bewilligte bzw. ausgezahlte Projektfördermittel sichergestellt wird, dass bei ausbleibenden Besucher*innen oder Veranstaltungsabsagen aufgrund höherer Gewalt Fördergelder nicht zurückgezahlt werden müssen.

-    in einem vierten Schritt zusammen mit den Vertreter*innen der Kultur in Niedersachsen schon heute einen mittel- bis langfristig orientierten Stufenplan vom „Kulturbetrieb auf Abstand in Corona-Zeiten“ bis zum einem vollständigen „Wiederhochfahren zu entwickeln, der den Kulturschaffenden ein Mindestmaß an Planung und Handlungssicherheit ermöglicht.

Begründung

Es entstehen durch die aktuelle Situation erhebliche Einnahmeeinbußen für die Künstler*innen und Kulturschaffende. Viele Veranstalter geraten durch Einnahmenausfälle in eine finanzielle Schieflage. Freie Kulturschaffende wie pädagogische Mitarbeiter*innen sind von Honorarausfällen betroffen und dadurch existentiell bedroht.

Jedoch werden soloselbstständige und freischaffende Künstler*innen und Kulturschaffende ohne Betriebskosten von keinem der bisher beschlossenen Rettungsschirme und Sonderprogrammen erfasst. Kulturschaffende haben in der Regel wenig Betriebsausgaben. Zudem bestritten viele Künstler*innen Sachkosten und betriebliche Investitionen aus ihrem persönlichen Lebensunterhalt. Leider hat auch das Land Niedersachsen die Anerkennung von Lebenshaltungskosten im Sonderprogramm für soloselbstständige und Kleinstunternehmen seit dem 1. April 2020 gestrichen. Seitdem bleibt soloselbstständigen und freischaffenden Künstler*innen nur die Möglichkeit der Beantragung vom SGB II. Anders in Baden-Württemberg, wo Künstler*innen, Kulturschaffende und Kreative, die durch die Corona-Pandemie in existenzielle Not geraten sind und ihren laufenden finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, eine dreimonatige Soforthilfe beantragen können. Da können auch Kosten des privaten Lebensunterhalts in Höhe von 1.180 Euro pro Monat geltend gemacht werden. Ein entsprechendes Programm hat Bayern angekündigt.

Schon heute ist klar, dass soloselbstständige und freischaffende Künstler*innen und Kulturschaffende mittel- bis langfristig ihre Tätigkeit nicht ausüben können; denn mindestens bis zum 31. August 2020 sind Großveranstaltungen bundesweit untersagt und bis heute ist nicht klar, ab wann Veranstaltungsräume, Theater und Clubs wieder öffnen können und dürfen.

Um den Erhalt der vielfältigen Kunst- und Kulturszene in Niedersachsen zu gewährleisten, ist ein Sonderprogramm notwendig, das die Einkommenssituation des betroffenen Personenkreises unbürokratisch und schnell sichert.

Darüber hinaus ist die Landesregierung aufgefordert, kreative Ideen aus der Kulturszene für ein Kunst- und Kulturprogramm in der Corona-Krise finanziell zu unterstützen und in engem Kontakt mit den Vertreter*innen der Kultur in Niedersachsen Planungen für das Wiederhochfahren zu entwickeln. Der Bund hatte in einer Verständigung mit den Ländern über die KfW die Zuständigkeit für die Unterstützung von Kleinstunternehmer*innen bis max. 10 Beschäftigten übernommen. Unverständlicherweise verweigert er sich aber bislang einer adäquaten Lösung für soloselbstständige und freischaffende Künstler*innen.

 

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