Antrag: Sicherung der Existenzgrundlagen von Werkstätten für behinderte Menschen und vergleichbaren Einrichtungen

Fraktion der SPD                                                                                          

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Arbeit und Beschäftigung haben in unserer Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert. Mit einer Erwerbstätigkeit wird nicht nur die materielle Existenz abgesichert, sondern hierüber werden auch soziale Rollen und gesellschaftliche Anerkennung definiert. Menschen mit Behinderungen haben es in unserer Gesellschaft immer noch schwerer, einen Beruf zu erlernen und ihn auszuüben, sie sind daher auch häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) erfüllen in diesem Zusammenhang eine zentrale Funktion. Sie sind Einrichtungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben. Für diese Aufgabe erhalten sie einen umsatzsteuerrechtlichen Nachteilsausgleich durch den Gesetzgeber. Um den Anspruch auf Inklusion einlösen zu können, haben die WfbM innovative Beschäftigungsangebote auch außerhalb der klassischen Produktion entwickelt. Dieser Funktionswandel wird bisher umsatzsteuerrechtlich nicht berücksichtigt. Um die Vielfältigkeit der Teilhabe- und Beschäftigungsangebote in Werkstätten und beim Übergang in den inklusiven Arbeitsmarkt zu erhalten, müssen auch diese Dienstleistungen umsatzsteuerrechtlich gewürdigt werden.

I. Der Landtag stellt fest:

1.      Werkstätten für behinderte Menschen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen, indem sie ihnen ein breites und vielfältiges Angebot an arbeitsmarktnahen Arbeitsplätzen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Werkstätten zur Verfügung stellen.

2.      Gerade die Angebote der Werkstätten im Bereich der Dienstleistungen ebnen vielen Menschen mit Behinderungen einen Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch sie sollen daher zukünftig grundsätzlich mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz belegt werden können.

II. Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf:

1.      sich auf Bundesebene weiterhin für eine Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UstAE) einzusetzen mit dem Ziel eine dauerhaft vernünftige und rechtssichere Ermäßigungsregelung auch für die Dienstleistungsbereiche der Werkstätten für behinderte Menschen und vergleichbaren Einrichtungen zu erreichen.

2.      kurzfristig gemeinsam mit betroffenen Trägern, u. a. der LAG WfbM, eine Lösung für die Folgen der rückwirkenden Steuerforderungen zu suchen. Die Rückforderungen sollten nicht zum Wegfall des Angebots oder zur Kürzung des Arbeitsentgeltes der Menschen mit Behinderungen führen.

Begründung

Nach dem Umsatzsteuergesetz können Unternehmen, die ausschließlich gemeinnützigen Zwecken dienen, unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a UStG beim Verkauf ihrer Erzeugnisse von dem ermäßigten Umsatzsteuersatz in Höhe von sieben Prozent profitieren. Weil in der Vergangenheit Gestaltungsmodelle von Firmen aufgetreten sind, die sich durch Einschaltung gemeinnütziger Einrichtungen Steuer- und Wettbewerbsvorteile verschafft haben, ist mit dem Jahressteuergesetz 2007 eine sogenannte Wettbewerbsklausel eingeführt worden mit dem Ziel, die Steuerermäßigung auf den nach dem Mehrwertsteuerrecht der EU zulässigen Umfang zu beschränken. Die Auslegung und Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a UStG ist im Abschnitt 12.9 des bundesweit für die Finanzverwaltung verbindlichen Umsatzsteueranwendungslerlasses (UStAE) geregelt. Im Hinblick auf die Wettbewerbsklausel führt Abschnitt 12.9 aus, dass die Steuerermäßigung bei WfbM im Wesentlichen nur für die Umsätze aus dem Verkauf selbst hergestellter Waren und aus Werkleistungen Anwendung findet. Nach diesem Anwendungserlass gilt die Steuerermäßigung derzeit nicht für Umsätze der WfbM aus nicht nur ausnahmsweise, sondern planmäßig erbrachten Dienstleistungen.

Die Geschäftsfelder der Werkstättenhaben sich gerade in den letzten Jahren außerhalb der klassischen Produktion im Bereich der Dienstleistungen erheblich verändert. Für die Umsätze aus diesen Geschäftsfeldern kann nach derzeitigem Recht nur teilweise der ermäßigte Umsatzsteuersatz berücksichtigt werden. Niedersachsen hat sich daher bereits im Jahre 2014 an die zuständigen Facharbeitsgruppen der Länder und des Bundes gewandt mit dem Ziel, den UStAE unter Beachtung der EU-Vorgaben an die tatsächlichen Veränderungen der Arbeitsfelder der WfbM anzupassen.

In Niedersachsen gibt es ein flächendeckendes Netz von WfbM. In diesen Einrichtungen arbeiten nach Angaben der Landesarbeitsgemeinschaft für Werkstätten für behinderte Menschen rund 31.000 Behinderte. Jeder vierte von ihnen arbeitet im Dienstleistungsbereich. Damit diese Arbeitsplätze auch in Zukunft erhalten bleiben können, soll der ermäßigte Umsatzsteuersatz umfassend für alle Arbeits- und Dienstleistungen von Werkstätten für behinderte Menschen gelten. Dieses gilt gleichermaßen auch für andere betroffene Dienstleistungen von vergleichbaren Einrichtungen wie zum Beispiel Jugendwerkstätten.

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